Höchste Zeit, den Klassiker aus dem hintersten Winkel des Kleiderschranks hervorzuholen. Oder besser gleich eine der neuen Designer-Leder-Kreationen zu kaufen, schließlich feiert die Bikerjacke diesen Sommer ein großes Comeback.
So ganz weg vom modischen Radar war sie natürlich eigentlich nie. Schließlich zählt sie zu den Fashion-Klassikern, die in kaum einem Frauen-Kleiderschrank fehlen dürfte. Nur war die Bikerjacke, die mit ihrem ursprünglich rockigen Touch und ihrer lässigen Coolness einst für Freiheit und jugendliche Rebellion gestanden hatte, trotz ihres Status als Basic Piece bei den wichtigsten Designern in den letzten Saisons meist etwas aufs Abstellgleis oder in den Wartestand verbannt worden. Für den Sommer steht nun die große Wiederkehr der Bikerjacke an. Auch wenn das in manchen Medien hierzulande noch nicht richtig zur Kenntnis genommen wurde, denn das ewig junge Trend-Teil wird oft nur unter den aktuellen Leder-Klamotten wie Blazer und Bomberjacken mit aufgeführt – getragen von Rihanna, Hailey Bieber oder Kendall Jenner. Ebenso als Mainstream-In-Garderobe gepusht und laut „Instyle" von Promis wie Kaia Gerber gefeiert: Trenchcoats, Jacken mit Shearling-Appeal an Revers und Ärmelenden oder auch Mänteln, die den Leder-Klassiker zumindest im deutschen Raum ein bisschen im Hintergrund halten.
Die Stil-Experten der „Neuen Zürcher Zeitung" waren im deutschsprachigem Raum wohl die Ersten, die das Revival des Klassikers bemerkt hatten: „Eine Motorradjacke im Alltag zu tragen, galt als abgedroschen. Nun feiert die Bikerjacke 2022 ihr großes Comeback. Aber natürlich nicht, ohne dafür neu interpretiert, ja gar extremisiert zu werden. Bei Balenciaga und Prada kam sie übergroß daher, bei Charlotte Knowles besonders mini, und bei Alexander McQueen und Simone Rocha kamen Details wie ein Mix mit Denim oder Puffärmeln hinzu." Auch „Harper’s Bazaar" bescheinigte den neuen Bikerjacken-Varianten das Potenzial, „zum Begleiter für die Ewigkeit" aufsteigen zu können. Die deutsche Ausgabe der „Elle" handelte hingegen ebenso wie die „Instyle" das Piece, das mit seinen charakteristischen Merkmalen wie Reißverschlüssen, Knöpfen, Schnallen, Reverskragen oder Gürtel fürs Motorradfahren konzipiert worden war, lediglich unter den angesagten Lederjacken-Trends ab. Ganz anders die britische „Vogue", die angesichts der neuen Bikerjacken-Modelle aus Begeisterung schier aus dem Häuschen geraten war: „Die Bikerjacke ist zurück – und Kate Moss wäre stolz."
Der Hinweis auf das einstige Super-model und ihr in den 1990er- und 2000er-Jahren präferiertes, ihren persönlichen Modegeschmack wesentlich prägendes Kleidungsstück war fraglos interessant. Auch wenn die Bikerjacke schon in den 1970er-Jahren dank Stars wie Blondie, Joan Jett oder den Sex Pistols überaus populär und in den 1980er-Jahren beispielsweise von Roxette-Sängerin Marie Fredriksson und in den 1990er-Jahren unter anderem von US-Schauspielerin Winona Ryder zu einem stilistischen Markenzeichen gemacht worden war. Doch vor allem dank der Fashion-Ikone Kate Moss sollten sich die meisten modebewussten Frauen eine eigene, Zipper-bewehrte, meist schwarze Bikerjacke zulegen, der kein Alterungsprozess etwas anhaben konnte, weil die Used-Optik dem Teil noch eine Zusatzportion an Stärke oder Ungehobeltheit verpassen konnte. Die Bikerjacke wurde zu Everybody’s Darling und von frühen Influencerinnen ab den 2010er-Jahren wie Leandra Medine, der Gründerin des Fashion-Blogs „Manrepeller", die 2012 sogar mit einer weißen Motorradjacke über ihrem Hochzeitskleid geheiratet hatte, immer weiter protegiert. Auch in der heutigen Generation Z steht die Motorradjacke wieder hoch im Kurs, vor allem dank der Protagonistin Reese Blutstein, die auf ihrem Instagram-Blog vor allem mit kastig geschnittenen Pieces für Furore gesorgt hatte.
Oversize, Schulterpolster, Zipper-Dekor
Die kastige Silhouette, für die sich schnell der Begriff „boxy" eingebürgert hat, ist denn auch eine der Innovationen, mit denen manche der neuen Bikerjacken des Sommer 2022 neben Oversize-Schnitt, Schulter-Pads, überreichem Zipper-Dekor, rau-derber Oberfläche oder Denim-Einlagen punkten können, nachdem andere Details wie Puffärmel schon in den Vorjahren gelegentlich aufgetaucht waren. Eine weitere lässige Neuheit der aktuellen Sommersaison sind Bikerjacken ohne Ärmel, wie sie beispielsweise das Label Ports 1961 in seinem Sortiment führt. Der kastige Schnitt „unterstreicht den lässigen Charakter von Bikerjacken und ist eine Hommage an den legendären Look der 80er-Jahre", so die deutsche „Elle". Boxy Motorradjacken sind aktuell vornehmlich in der Farbe Schwarz gehalten und sind – wie übrigens auch viele andere Bikerjacken-Varianten – nicht mehr unbedingt auf eine Skinny Jeans à la Kate Moss als Kombi-Partner angewiesen, sondern können auch perfekt mit Baggy- oder Mom-Denim getragen werden. Neben Schwarz tauchen bei den Motorradjacken dieses Sommers auch andere Farben wie Braun, Sandtöne, Cognac, Weiß, Blau oder sogar knalliges Rot auf. Zu eher klassisch figurbetont und kurz gehaltenen Bikerjacken ließen die Designer ihre Models auf den Laufstegen häufig mit Minis, Tüllröcken, fließenden Skirts oder gar Ballkleidern defilieren, was auch in der kommenden Wintersaison 2022/2023 angesagt bleiben wird, wie es Marken von Dior über Alexander McQueen bis hin zu Junya Watanabe auf ihren Shows gezeigt hatten. Bei Balmain oder Dior wiesen die Mieder für die kommende Wintersaison zusätzlich viel Ähnlichkeit mit Motocross-Schutzausrüstungen auf. Was die Schuh-Partner zu Bikerjacken betrifft, so kann es sich Frau mit Sneakern oder Combat-Boots natürlich ganz einfach machen – oder sie wagt mal einen eleganten Stilbruch in Gestalt von sommerlichen Mules. Beim Kauf einer neuen Bikerjacke sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass das Piece keinesfalls über die Hüfte hinausreicht. Zudem sollte bedacht werden, dass viele Reißverschlüsse und Metallknöpfe der Jacke einen deutlich sportlich-rockigen Touch verleihen.
Lederblazer in zarten Pastelltönen
Miuccia Prada hat sich an der Spitze des Bikerjacken-Revivals positioniert. Bei Prada präsentierte sie maßgeschneiderte Teile mit breiter Schulter im braunen Vintage-used-Look zu Miniröcken aus Duchesse-Seide mit trendigen Schleppen und Mules. Bei ihrem Zweitlabel Miu Miu war passend zu dem omnipräsenten Schulmädchen-Preppy-Style eine Slim-Fit-Stone-washed-Lederjacke in Kombi mit einem Faltenrock zu bestaunen. Auch Acne Studios setzen bei ihrer Bikerjacke mit akzentuierten Schultern auf die Destroyed-Optik samt Knitter- und Rissbildung, allerdings wurde dafür die Farbe Weiß gewählt. Und Lederkönig Rick Owens entschied sich ebenso bei seiner Kreation für Color-White. Bei Simone Rocha glänzte der Modeklassiker in rotem Lack und erhielt ein zusätzliches Update durch Puffärmel, Statement-Revers und einen bis unter die Taille reichendem Saum. Demna Gvasalia entwarf für Balenciaga in gewohnter Manier Oversize-Modelle mit überschnittenen Schultern und weiten Ärmeln. Sarah Burton kombinierte ihre kurz gehaltene schwarze Jacke mit Tüllrock und Kampfstiefel. Ganz ausgefallen in Mandarin und völlig dekonstruiert samt offener Schulter und geknöpftem Kragen schließlich der Entwurf der britischen Newcomerin Supriya Lele.
Hauptkonkurrent der Bikerjacken sind diesen Sommer fraglos elegante Lederblazer, die es ebenfalls in übergroßer Silhouette und mit betonten Schultern gibt. In Kombi mit einer Stoffhose und einem Rolli können die Lederblazer, die auch in zarten Pastell-Nuancen wie Flieder, Vanille oder Pistazie aufscheinen können, eine perfekte Business-Uniform bilden. Die schönsten Lederblazer haben wir bei Miu Miu, Prada und Alexander McQueen entdecken können.