Schon überraschend, dass ausgerechnet ein klassisch-adretter Look, der sich wegen seiner Zeitlosigkeit schnelllebigen modischen Trends eigentlich entzieht, nun wieder mega-angesagt ist. Höchste Zeit also, um wieder in Schuluniformen zu schlüpfen.
Beim Blick auf diverse Sommer-Kollektionen 2022 mag sich leicht die ketzerische Frage aufdrängen, ob den Modeschöpfern so sehr die kreativen Ideen abhandengekommen sind, dass sie sich ihre Inspirationen ausgerechnet von US-amerikanischen Schulen, Colleges oder Universitäten holen mussten. Vor allem weil sich der dort getragene ikonische Look schon seit rund 100 Jahren kaum verändert hat und seine häufig mit eher traditionellen Mustern von Karo über Raute und Gingham bis Argyle versehenen Key-Pieces wie Faltenröcke, Pullunder, Cardigans, Kostüme, Tennis-Skirts, emblematische Blazer (mit Farbenfavorit Marineblau), Grobstrick-Pullover (am besten mit V-Ausschnitt), Bobby-Socken, Overknee-Strümpfe oder Loafer für grundlegende Innovationen kaum besonders geeignet erscheinen. In einer vornehmlich auf Coolness, Lässigkeit, Individualität oder Bequemlichkeit ausgerichteten modernen Modewelt wirken die akkurat-adretten Teile des Preppy-Looks fast schon ein wenig altbacken.
Aber wenn sich diese Sommersaison mit Miuccia Prada jemand wie die Frontfrau des Ladys-Fashion-Business dazu durchgerungen hat, sich bei ihren Kollektionen für Prada und vor allem Miu Miu an den seit jeher mit Wohlstand, Status und stilsicherem Modegeschmack assoziierten Klamotten zu orientieren, die traditionell von Abkömmlingen reicher Familien an den sogenannten Preparatory Schools, den elitären amerikanischen privaten Highschools (und danach auf adäquaten Colleges oder Unis), getragen werden, dann kann von einem ganz gehörigen Trendpotenzial ausgegangen werden. Zumal der Weg für ein modisches Revival der Schuluniformen bestens vorbereitet worden war. Die logischerweise seit jeher für ein hohes Maß an Gruppenzugehörigkeit, aber auch an gleichmachender Standardisierung stehen und für die Mädchen ursprünglich aus sportiven Freizeitaktivitäten wie Reiten und Segeln mit dafür maßgeschneiderten Kostümen oder nautisch-farblichen Wickelkleidern hervorgegangen waren (für die Jungs vor allem aus der Sportbekleidung für Polo, Rudern, Segeln oder Rugby).
Vornehmlich spielten TV-Serien dabei eine zentrale Rolle. Beispielsweise das im Juli 2021 gestartete Reboot von „Gossip Girl", das Erfolgsformat hatte schon zwischen 2007 und 2012 dank der Klamotten von Blake Lively alias Serena van der Woodsen und Leighton Meester alias Blair Waldorf alias den Chic elitärer Privatschulen populär gemacht. Oder die ab Juni 2019 ausgestrahlte Serie „Euphoria", bei der eine der Hauptdarstellerinnen, Maude Apatow alias Lexi Howard, die aktualisierte Version des Preppy Looks mit übergroßen Blazern, karierten Miniröcken, kurzen Pullundern und Plateau-Loafern gezeigt hatte. Bei Tik Tok wurde allerdings eine andere „Euphoria"-Schauspielerin wegen ihres Schuluniform-Outfits gefeiert, nämlich Alexa Demie in ihrer Rolle als Maddy Perez. Wie überhaupt erfolgreiche Serien-Formate rund um Highschool-Abenteuer den Preppy-Look schon seit Jahren am Köcheln gehalten hatten, erinnert sei nur an „Clueless", „Rebelde", „Élite" oder „Sex Education". Auch auf der Kinoleinwand wurde der Eliteschulen-Style in seiner typisch uramerikanischen Variante in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder anschaulich präsentiert, beispielsweise in den Streifen „Der Club der toten Dichter", „The Breakfast Club", „Eiskalte Engel", „Mona Lisas Lächeln", „Rushmore" oder „Der talentierte Mr. Ripley".
Olivia Rodrigo neues Vorbild
Obwohl das klassische Edel-Schul-Outfit auf Tik Tok schon mal als „Ästhetik des alten Geldes" gebrandmarkt worden war und zuweilen auch wenig schmeichelhaft als „Dark Academia" bezeichnet wurde, hat der Style inzwischen viele Anhänger gerade in der Generation Z gefunden. Die hat sich im Zuge ihrer Y2K-Begeisterung rund um die Nullerjahre-Mode auch für Britney Spears Schulmädchen-Dresses erwärmt und in der US-amerikanischen Schauspielerin und Sängerin Olivia Rodrigo ein neues Vorbild in Sachen Preppy Look gefunden hat, ganz egal ob sie sich bei ihren diversen Musikvideos in Cheerleader-Uniform mit verspielten Haarspangen, klobigen Turnschuhen und ellenbogenlangen Latexhandschuhen oder in einem Pullover mit Zopfmuster über einem karierten Rock präsentiert hat. Zudem wird der Preppy Look auf Tik Tok durch zahlreiche Clips gepusht, die Studenten der Alabama University in diesem sozialen Medium veröffentlicht haben. Wobei festgestellt wurde, dass aus der Community der Generation Z vor allem jene jungen Frauen und Männer den Style liken, die sich bislang als Supreme-Anhänger und Markenlogo-Fetischisten hervorgetan hatten. Die Abwandlungen des Looks, die die Designer für die aktuelle Sommersaison vorgenommen haben, sind relativ überschaubar. Auch wenn in den meisten Publikationen ein viel zu großer Bohei um vermeintliche Innovationen gemacht wurde. „Harper’s Bazaar" liegt hingegen mit seiner Einschätzung ziemlich richtig, weil dem Style lediglich „durch ausgefallenere Farben, Stilbrüche oder besondere Accessoires eine neue Note" beigefügt wurde. Man könnte auch noch auf Änderungen der Rocklänge Richtung Ultra-Mini vor allem durch Miuccia Prada („Vogue": „Weniger ein Rock als vielmehr ein Gürtel") oder auf unerwartete Kombi- beziehungsweise Layering-Varianten hinweisen, wie sie sich das New Yorker Traditionshaus Brooks Brothers, das einst den Look als Preppy-Spezialist durch Eröffnung von Filialen direkt auf verschiedenen Campusflächen, etwa in Harvard, Princeton oder Yale, gefördert hatte, kaum vorzustellen gewagt hätte.
In der Menswear, wo Preppy ebenfalls wieder stark im Kommen ist, sind derzeit vor allem Rugby-Shirts, Sweater oder Uni-Jacken (wie sie beispielsweise Rhude, Hermès, Louis Vuitton, Moschino, Dior, Burberry oder Dolce & Gabbana in ihrem aktuellen Sortiment führen), meist mit Ivy League-Emblemen (Ivy League steht für die Eliteuniversitäten im Nordosten der USA, Anm. d. Red.), sowie schwarze Polos und Blazer angesagt. Wobei bei Letzteren die obligatorischen Embleme nicht mehr dem Rudersport entstammen, sondern sich mehrheitlich auf bekannte Basketball-Teams wie die New York Knicks oder legendäre Baseball-Mannschaften wie die New York Yankees beziehen. Die Teile sind aktuell so sehr begehrt, dass sich vor dem Flaggschiff-Store des Lifestyle-Brands Aimé Leon Dore in New York regelmäßig lange Schlangen zu bilden pflegen. Auch Ralph Lauren und Tommy Hilfiger mischen beim „Ivy League"-Trend in der aktuellen Männermode natürlich kräftig mit, wobei beide Marken auch für die Damen entsprechende Modelle in ihre Kollektionen aufgenommen haben. Raf Simons ist diesen Sommer mit seinem Label ein besonderer Wurf gelungen, weil er für Damen und Herren eine pfiffige Schuluniform-Bomberjacke entworfen hat.
Preppy Look bei Dior aufgetaucht
Doch zurück zur Damenmode. Bei der in Sachen Preppy Look manche Stil-Experten mit Hinweis auf etwas düstere Farbgebungen eine neue dunkle Seite entdeckt haben wollen. Und gleich dafür den schon bekannten, um das Jahr 2015 in gänzlich anderem, nämlich literarischem Zusammenhang entstandenen Begriff „Dark Academia" ins Spiel gebracht haben. Vorbild für diese dunkle Variante des Preppy Looks mit gedeckten Farben von Bordeaux-Rot über Tannengrün, Navyblau und Braun bis hin zu Schwarz und einem besonderen Augenmerk auf natürlichen Materialien und einem unübersehbaren Hang zur Nostalgie war laut „Harper’s Bazaar" die Winter-Kollektion 2016 von Ralph Lauren. Dabei stellt der übergroße Blazer angeblich das Key-Piece dar, aber auch dicke Wollpullover, Pullunder, Trenchcoats, karierte (Falten-) Röcke oder Hosen, zu denen Oxford-Schuhe, Chelsea Boots, Loafer oder Dr. Martens getragen werden sollten, als wesentliche Teile genannt werden. Zu den bevorzugten Accessoires des „Dark Academia"-Styles werden laut „Harper’s Bazaar" neben Broschen vor allem auch Armbanduhren, Brillen, Krawatten oder kniehohe Strümpfe gezählt. Als Paradebeispiel wird auf die Pre-Fall-Kollektion 2022 von Dior hingewiesen, bei der der klassische Preppy Look mit punkigem Tartan und Gothic-Make-up abgewandelt aufgetaucht war.
Womöglich wird diese dunkle Variante etwas zu sehr überbewertet. In der aktuellen Sommerkollektion war sie jedenfalls kaum vertreten. Allenfalls bei Dior, auch wenn die schlichten, ultrakurzen, schwarzen Kleider über weißen Blusen recht wenig mit den amerikanischen Originalen gemein hatten, sondern eher französischen Schulkostümen aus den 1960er-Jahren ähnelten. Auch bei Raf Simons war ein gewisser Goth-Prep zu bestaunen. Aber Simons zeigte auch einen traditionellen Faltenrock zum weiten, langen Streifenhemd. Die meisten Designer hatten sich bei ihren Kreationen ohnehin vom klassischen Preppy Look inspirieren lassen, den längst auch Promis wie Hailey Bieber, Dua Lipa oder Bella Hadid als präferiertes Alltags-Outfit für sich entdeckt haben.
Look funktioniert auch mit Hosen
Miuccia Pradas gesamte Sommerkollektion für Miu Miu wurde unter reichlicher Verwendung von Khaki-Stoffen als „schulmädchenhafter Schaukasten" apostrophiert, auch wenn die Pieces dank cleverer Kombinations-Mixe durchaus als eine neue Version eines Business-Looks durchgehen konnten. Es gab College-Strick mit V-Ausschnitt, kurz geschnittene Pullover in Grau, Zopfstrick-Röcke, Faltenröcke, Oxford-Hemden, Socken in Loafers (aber auch dünne Stricksocken in Kitten-Heels) und die schon erwähnten Miniröcke. Bei Lacoste gab es plissierte Tennisröcke zu bestaunen, aber auch einen zum Minikleid umfunktionierten weißen College-Sweater in Zopfstrick. Das Label Botter präsentierte ein Oversize-Rugby-Shirt zur Anzugshose. In den Röcken und Jacken mit Gingham-Muster von Michael Kors würde frau problemlos auf jedem Campus eine gute Figur machen. Selbst die Tweed-Anzüge von Chanel können mit etwas gutem Willen dem Preppy-Style zugeordnet werden.
Nicholas Ghesquière lieferte bei Louis Vuitton den Nachweis, dass der Preppy Look auch mit Hosen bestens funktioniert, wobei er Schlips, Hemden, übergroße Jacken und flache Schuhe als Kombi-Partner empfohlen hat. Thom Browne gilt ohnehin schon seit Jahren beispielsweise mit seinen Faltenröcken als Hauptvertreter des Schulhofstils und schreibt daher seinen Mitarbeitern einen einheitlichen College-Uniform-Look vor. Bei Kenzo wurde der klassische College-Look durch eine französische und japanische Linse leicht verfremdet, wobei Ockertöne in Khaki, Tartan oder Gingham Eingang gefunden hatten. Natürlich ist auch Burberry auf den Trendzug aufgesprungen, schließlich pflegen in Großbritannien die meisten Schulkinder Uniformen zu tragen. Das Aufsteiger-Label Coperni wählte zur Präsentation seiner Wintermode 2022/2023 eine an Highschools ähnelnde Kulisse, wobei College-Kapuzenjacken das Highlight waren.