Aus dem Nichts erhielt Alexander Lorch das Angebot für den größten Kampf seiner noch jungen Karriere: Am Samstag boxt der Saarländer vor einem Millionen-Fernsehpublikum um die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht.
Das nennt man wohl ein Angebot, zu dem man nicht „Nein" sagen kann: Der saarländische Box-Profi Alexander Lorch wurde kurzfristig gefragt, ob er am Samstag, 16. Juli, im Maritim Hotel in Magdeburg um die Deutsche Meisterschaft im Halbschwergewicht des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB) boxen möchte. Sein Gegner ist kein Geringerer als der amtierende Junioren-Weltmeister des Weltverbandes IBF, Tom Dzemski. Es handelt sich um einen der beiden Hauptkämpfe der großen Boxnacht des größten Boxstalls in Deutschland (SES-Boxteam), die ab 22.45 Uhr live im MDR-Fernsehen übertragen wird. Natürlich hat der junge Mann aus Saarbrücken zugesagt.
Hauptkampf zur Primetime
Dabei wäre Alexander Lorch noch gar nicht an der Reihe. Der Deutsche Meistertitel ist im Moment vakant, weshalb eigentlich der Führende der deutschen Rangliste, Tom Dzemski, gegen den Zweiten, Cüneyt Altintas, darum boxen sollte. Doch Altintas hatte sich während der Vorbereitung an der Hand verletzt und musste den Kampf absagen. Auf der Suche nach einem Ersatz kontaktierten die Veranstalter dann „Hier kommt Alex"-Lorch – derzeit Achter der Rangliste. „Das war am 1. Juli freitagmittags. Ich hatte vor meinem Training gerade ein kleines Mittagsschläfchen gemacht, und auf einmal klingelte das Handy", erinnert sich Lorch und verrät schmunzelnd: „Weil ich die Nummer nicht kannte, bin ich erst einmal nicht rangegangen. Ich war ja gerade mitten in meinem Powernap." Etwa eine Stunde später rief Lorch wohlausgeruht zurück und traute seinen Ohren kaum: „Auf einmal meldete sich da Ulf Steinforth und fragte nach, wie es sich für mich anhört, am 16. Juli im Maritim Hotel in Magdeburg um die Deutsche Meisterschaft zu boxen", erzählt Lorch und ergänzt: „Da habe ich natürlich direkt zugesagt."
Dass ein Gegner kurzfristig ausfällt, ist für Alexander Lorch nix Neues. Das hat er selbst schon mehrfach erlebt, sogar in seinem letzten Kampf, der noch nicht einmal zwei Monate her ist. Eigentlich sollte er am 28. Mai in der Fruchthalle in Kaiserslautern gegen den Frankfurter Profiboxer und Rapper Vito Palmieri, genannt Vito Vendetta, antreten. Aber der kam einfach nicht. Schon tags zuvor war er nicht zum offiziellen Wiegen erschienen und danach „telefonisch nie wieder erreichbar", berichtet Lorch und findet: „Wahnsinn. Dazu braucht man nichts mehr zu sagen." Unter den insgesamt rund 1.000 Zuschauern waren 350 Lorch-Fans, die eigens aus dem Saarland angereist waren, um den 26-Jährigen kämpfen und siegen zu sehen. Nur, weil auch ein anderer Boxer einer ähnlichen Gewichtsklasse aufgrund einer Corona-Infektion fehlte, konnte mit Mario Obenauer kurzfristig ein neuer Gegner gefunden werden. „Mir war klar, dass ich als Favorit in diesen Kampf gehen würde und daher war mein Ziel, souverän zu gewinnen. Das habe ich geschafft und fertig", blickt Lorch auf seinen Sieg durch technischen K. o. in der zweiten Runde zurück.
So leicht wird es am Samstag gegen Tom Dzemski nicht. Der 25-Jährige hat schon 20 Profikämpfe absolviert und 19 davon gewonnen – zehnmal durch K. o. Für Lorch ist es nach sieben Siegen (viermal durch K. o.) der achte Profikampf. Dzemski ist technisch stark, etwas größer als Lorch, aber dennoch sieht der Herausforderer sich „auf Augenhöhe. Ich werde meinem Stil auf jeden Fall treu bleiben und eher zurückhaltend und taktisch agieren. Wir wollen nichts auf Biegen und Brechen erzwingen, sondern ich boxe so, wie ich es nun einmal tue." Bisher hat das ganz gut geklappt. Aber auch vor einem so großen Publikum? „Medial ist die Deutsche Meisterschaft das Größte, was es in Deutschland in unserer Gewichtsklasse gibt. Es werden rund eine Million Fernsehzuschauer erwartet, das ist schon eine Hausnummer und eine große Ehre für mich", weiß Alex Lorch. Von Nervosität will er aber nichts wissen: „Ich bin ja ohnehin eher ein unaufgeregter Typ. Klar weiß ich, dass ich meine Karriere mit diesem Kampf mal so richtig auf den Kopf stellen kann. Aber ich habe andererseits auch nichts zu verlieren und freue mich richtig darauf", sagt er und kündigt an: „Der Druck ist bei ihm. Er boxt in seinem Wohnzimmer und muss liefern. Das werde ich ihm so schwer wie möglich machen. Darauf bin ich top vorbereitet." Angesichts der extrem kurzen Vorbereitungszeit von rund zwei Wochen scheint letztere eine ambitionierte Aussage. Doch es steckt mehr dahinter als bloße Kampfrhetorik. Der letzte Kampf ist knapp zwei Monate her, doch nach kurzer Regenerationszeit stieg Lorch wieder voll ins Training ein. Eigentlich wollte er am 3. Juli einen Vierrunden-Kampf absolvieren, der aufgrund der einmaligen Chance in Magdeburg kurzfristig abgesagt wurde. Vor allem der Sprung von vier auf maximal zehn Runden à drei Minuten wird für ihn eine Herausforderung. Daher stehen in den vergangenen zwei Wochen vor allem Konditionstraining, aber auch intensive Sparrings mit anderen Profis auf dem Plan. „Mein letzter Titelkampf ging über acht Runden. Die habe ich sehr gut überstanden und hätte auch noch weiterboxen können. Von daher mache ich mir keine Sorgen", sagt der Saarbrücker selbstbewusst. Aus Erfahrung sind die Lorchs ohnehin in dauerhafter Lauerstellung: „Mein Vater hat mir schon immer vermittelt, dass man als Profiboxer immer im Training bleiben muss, um für genau solche Fälle gerüstet zu sein", sagt Alex über seinen Vater und Trainer Uwe Lorch und erklärt: „Er hat immer gesagt: Irgendwann kommt so eine Chance, und dann musst du da sein. Bei ihm war es damals auch so. Er durfte kurzfristig einspringen und gewann als Underdog die Deutsche Meisterschaft im Cruisergewicht. Ich versuche alles, dass mir so etwas auch gelingt."
Lorch will seinen Stil beibehalten
Um dies unabhängig vom Ausgang seines Titelkampfes auch weiterhin tun zu können, ist Alexander Lorch auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen. Nur so kann der beim Land angestellte Elektriker bestmögliche Trainingsbedingungen herstellen und zusammen mit seiner Familie auch eigene Boxveranstaltungen auf die Beine stellen. Zum Beispiel die Boxgala in der Festhalle in Güdingen am 3. September. Eigentlich ist sein dortiger Hauptkampf als Ranglistenkampf angesetzt, doch je nach Ausgang des Titelkampfs könnte mehr daraus werden. Vielleicht sogar ein direkter Rückkampf oder die erste freiwillige Titelverteidigung. Eintrittskarten sind jedenfalls schon ab sofort erhältlich – und zwar bei Alexanders Mutter Petra Lorch (E-Mail: amingull@hotmail.de oder Tel. 0176 52749678), die auch für potenzielle Sponsoring-Anfragen zuständig ist. Für beides haben die Lorchs offene Ohren. Notfalls rufen sie nach dem Mittagsschläfchen zurück …