Nancy Schacht, Geschäftsführerin des Demeter im Osten e.V., über Bio-Einbruch in der Pandemie, warum Schlachten auf dem Hof schwierig und die Transformation zum reduzierten Konsum wichtig ist.
rau Schacht, was hat sich bei Demeter in den letzten Jahren strukturell verändert?
Demeter war früher ein reiner Erzeugerverband mit Fokus auf die Direktvermarktung. Das lag an der gewachsenen Struktur nach der Wende. Terra Naturkost war ein ganz entscheidender Partner für die Region Berlin-Brandenburg, um die Nahrungsmittel zu den Konsumenten zu bringen und die Marke Demeter in den 90er- und 2000er-Jahren mit zu stärken und im Osten zu etablieren. In Deutschland sind wir heute der Wertschöpfungskettenverband, der in der Mitgliedschaft alle vereint – von der großen Einzelhandelskette bis zum kleinen Hof mit 20 Tieren. Wir schauen uns Machbarkeiten im Lebensmitteleinzelhandel, den regionalen Handelsstrukturen oder dem Naturkostfachhandel an. Ich begleite dabei die ganzheitlichen Entwicklungsprozesse: Wie kommt das Produkt zum Endverbraucher, welche erweiterten Netzwerke braucht es, und wer ist bereits fester Partner?
Durch die Corona-Pandemie war die Nachfrage nach Regionalität und Bio enorm. Was hat es mit dem momentanen Bio-Einsturz auf sich?
Die letzten zwei Pandemie-Jahre waren sehr gut für die gesamte Bio-Branche. Es war ein psychologischer Moment, sich gut zu ernähren. 2022 ist mit den Preisanstiegen rund um den Krieg und die Erhöhung von Getreide- und Futtermitteln seitens des Konsumenten ein echter Bio-Einbruch geschehen. Die Hausverpflegung während der Homeoffice-Zeit, zum Beispiel die Bestellung der Demeter-Abokisten, ist zurückgegangen.
Was muss seitens der Politik im Punkt einer grundlegenden Versorgungsfrage passieren, um der Krise entgegenzuwirken?
In der Zukunft wird politisch ein Schwerpunkt auf der Außerhausverpflegung – zum Beispiel Kantinen, Betriebe, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und so weiter – liegen müssen. Das wird flächendeckend der größte Hebel für die EU-Bio-zertifizierten Betriebe. Das bewirkt sukzessive Umstellungen und setzt neue Anreize, nicht nur für Bauern und Gemüse-Gärtner, sondern der gesamten Verarbeitungsstruktur, zum Beispiel Erzeuger, Transport, Schlachtung. Seitens der Politik bedarf es hier Förderungen für Strukturerweiterungen und letztendlich eine zugängige Preispolitik.
Es gibt gerade eine große Futtermittel-Debatte vor allem durch knapp werdende Getreideressourcen. Welche Betriebe sind besonders betroffen?
Ein großes Problem und die Leidtragenden sind die Demeter- und auch EU-Bio-zertifizierten Schweinehöfe. Die Schweinehaltung geht bereits stark zurück. Da im Osten durch die afrikanische Schweinepest der Auslauf streng verboten ist, können viele Standards nicht mehr eingehalten werden. Der Platz in Ställen reicht nicht aus. Und das Schwein isst nach Meinung der Kritiker als Allesfresser die Nahrung weg, von der wir uns ernähren. Durch die knapperen Ressourcen wird der Futterkreislauf plötzlich vom Menschen mit dem des Tieres verglichen und erfährt eine Abstufung. So soll vom Getreide lieber Brot gebacken, statt Futtermittel produziert werden. Die Tierhaltungspflicht bezieht sich bei uns auf Raufutter fressende Großvieheinheiten, die vor allem Gras fressen und dem Menschen nichts wegessen. Unsere Position dazu ist, dass im konventionellen Landbau und der Massenhaltung mehr als 100 Kilogramm mineralischer Stickstoffdünger je Hektar ausgebracht wird. Bio setzt auf organische Dünger und Kreislaufansätze, und die stehen nun mal in Verbindung mit der ökologischen Tierhaltung.
Wie gehen kleine, mittlere und große Hofstrukturen aktuell mit Umstrukturierungen auf eine Bio- oder Demeter-Zertifizierung um?
Die kleinen Höfe haben durch Diversität weniger Probleme, weil sie ein eigenes Netzwerk besitzen und den Vertrieb selbst in die Hand nehmen. Es sind familiäre Höfe, die ein Gesicht haben, besuchbar sind, touristisch mit Streichelzoo oder Café-Betrieb gut funktionieren. Spezialisierte mittlere Höfe, die vom Großhandel abhängig sind, haben Probleme, weil sie keinen Direktkontakt zum Konsumenten haben. Wer seinen Hof bereits vor der Krise umgestellt hat, ist schon im Netzwerk und wird nicht zurückrudern. Wir haben zurzeit wenig aktuelle Umstellungsanfragen. Umstellungsinteressierte von konventionell auf EU-Bio werden jetzt erst einmal abwarten, wie sich der Markt mit der Inflation entwickeln wird. Es gibt aktuell zu viel Ungewissheit, um sich betriebswirtschaftlich, aber auch geistig und lernend auf eine neue Betriebsstruktur einzulassen.
Wie wirkt Demeter beziehungsweise die EU-Bio-Branche dem Problem des Mangels an nachhaltigen Schlachterei- und Metzgereibetrieben entgegen?
Das Wegbrechen dieses Berufszweiges ist im Rahmen der zu gewährleistenden Verarbeitungsstrukturen ein großes Problem, und es muss zur Aufgabe der Landespolitik werden. Tiere werden Hunderte von Kilometern durch die Gegend gefahren, nachdem sie ein gutes Leben beim Bio-Bauern hatten. Viele Kleinbauern schlachten auf dem Hof, aber dazu braucht es qualifiziertes Personal und vor allem die zeitliche Kapazität des regionalen Tierarztes. Es ist eines der höchsten Ziele im Demeter-Kreislauf, und es sollte überall Usus werden, das Ende des Tierlebens würdevoll zu gestalten: schnell, ohne Leid, über kurze Wege und hygienisch.
Wie bringen Sie dem Konsumenten die Preise und auch aktuellen Erhöhungen der Demeter-Produkte nah?
Demeter-Landwirte und -Hersteller leisten mit der biodynamischen Wirtschaftsweise erheblich mehr als die EU-Bio-Verordnung vorschreibt. Das kommt der Qualität der Lebensmittel ebenso zugute wie der Umwelt und der Gesundheit. Wir wollen Kreisläufe immer bezahlbar lassen. Wenn sich das Preissegment hebt, dann ist das keine Willkür, sondern ergibt sich aus den Gestehungskosten (Preissteigerungen) für Arbeitseinsatz, Energiekosen und so weiter. Demeter ist eine Nische der assoziativen Wirtschaft, die faire Preise an die Erzeuger weitergibt.
Was halten Sie von den EU-Bio-Label-Kennzeichnungen sowie auch dem Tierwohl-Label – in diesem Fall mit der höchsten, der vierten Haltungsstufe, die ja statt einem Stück Fleisch ein Tier kennzeichnen, das einmal ein Lebewesen war.
Ich befürworte es sehr, es dem Konsumenten durch diese einfacher zu machen. Die Inhalte und Kriterien dieser Labels sollten jedoch von Verbänden und staatlichen Institutionen begleitet werden, damit die Lebensmittel auch halten, was sie dem Verbraucher versprechen.
In welche Richtung sollte der Konsument umdenken?
Seit 30 Jahren definieren wir uns als reiche Generation. Ein Überkonsumieren sowie auch die Massentierhaltung sind nicht mehr tragbar, denn wir haben bald keine Futtermittel mehr. Für einen Demeter-Betrieb ist die Tierhaltung aber ein untrennbarer Bestandteil ökologischer und nachhaltiger Landwirtschaft, wenn sie maßvoll und flächengebunden ist. Diese Transformation zum reduzierten Konsum als zukunftszugewandtem Lebensstil muss die gesamte Gesellschaft mittragen und sollte bereits in den Schulen zum Beispiel durch den BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung) vermittelt werden.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich freue mich darauf, zusammen mit den Demeter-Mitgliedern das Biodynamische zu pflegen und weiterzuentwickeln und die regionale Vermarktung zu stärken.