Gerade mal ein Jahrzehnt ist es her, seit die koreanische Schönheitspflege hierzulande populär geworden ist. Seitdem hat sie die westliche Beauty-Routine stark beeinflusst. Auch 2022 dürften wieder einige Trends aus dem Fernen Osten zu uns herüberschwappen.
Bevor die ersten BB-Cremes 2011 den westlichen Beauty-Markt gleichsam im Sturm erobert hatten, war das traditionell hohe und ungemein innovative Potenzial der koreanischen Schönheitsindustrie hierzulande weitgehend unbekannt. Als ein Jahr später der Sänger Psy mit seinem milliardenfach auf Youtube aufgerufenen Musikvideo „Gangnam Style" den Schönheitswahn in seiner Heimat thematisiert hatte, wurde mit dem Aufstieg des Korean Pop gleichzeitig auch die internationale Aufmerksamkeit für die K-Beauty weiter gesteigert.
Seither wird nahezu jeder neue Schönheits-Trend aus dem Fernen Osten in Windeseile in den globalen Medien ausführlich kommentiert und meist auch schnell von der hiesigen Beauty-Industrie adaptiert und integriert. Dazu zählen zum Beispiel die CC- oder DD-Cremes, die Schneckenschleim-Pflegeprodukte, die Sheet-Masken, der Jaderoller oder der jüngste Skincare-Renner Slugging, bei dem abends zur Vorbeugung eines Feuchtigkeitsverlusts der Haut eine Schicht Vaseline aufgetragen wird. In vielen abendländischen Frauenköpfen hat sich seit etwa 2014 auch die viel gerühmte Zehn-Schritte-Hautpflegeroutine der Asiatinnen festgesetzt. Auch wenn kaum jemand so recht auf den Prüfstand gestellt hat, ob es sich dabei nicht nur um ein Ideal oder einen Mythos gehandelt hatte, den auch koreanische Frauen im normalen Alltag kaum zeitlich oder von den Kosten und vom Aufwand her bewältigen konnten. Zumal auch die Frage erlaubt sein darf, ob es wirklich eine glückliche Lösung ist, die Haut auf Dauer so vielen verschiedenen Produkten auszusetzen.
Natürlichen Glanz zur Geltung bringen
Aber egal, letztlich möchten alle Südkoreanerinnen nur ein einziges Traumziel erreichen: einen ebenmäßigen Teint, der dank reichlicher Feuchtigkeitsversorgung taufrisch wirken soll und in der Landessprache als Chok Chok bezeichnet wird. Wofür es keine sinnvolle Übersetzung gibt, weil es sich letzten Endes nur um das zarte Geräusch handelt, das pralle Haut beim Anklopfen mit dem Finger erzeugt. Hierzulande hat sich dafür das Wort Glas-Haut oder auch Glass Skin eingebürgert.
Damit gemeint ist ein makelloser, extrem reiner, perfekt blasser, optimal hydrierter und fast schon durchscheinend wirkender Teint, der Ähnlichkeit mit einer puppenhaften Porzellanhaut aufweist. Das lässt sich kaum mit dem westlichen Ideal einer gesunden Bräune verbinden, löst aber dennoch viel Bewunderung aus, vor allem auf Plattformen wie Tiktok. Dort wird die Glas-Haut derzeit als Schönheitsideal geradezu propagiert. Dabei wird allerdings bei vielen hiesigen Publikationen zu diesem Thema nicht richtig verstanden oder herausgestellt, dass Glass Skin in aller erster Linie gesunde Haut ist, was beispielsweise einen hohen Lichtschutzfaktor und eine optimale Versorgung mit Feuchtigkeit gleichsam impliziert. Generell liegt der K-Beauty der Ansatz „Haut zuerst" zugrunde. Schließlich geht es darum, den natürlichen Glanz der Haut zur Geltung zu bringen, statt ihn mit viel Make-up zu überdecken.
Die koreanische Beauty-Prämisse lautet denn auch: Zuerst Haut, danach Make-up. Für den gesunden und natürlichen Glanz braucht es gar nicht unbedingt das volle Zehn-Punkte-Programm, das auf dem schichtenden Prinzip flüssig zu fest beruht, oder die neuerdings auch angesagte „7-Skin-Method", bei der sieben Schichten Toner Layering-like und für einen Feuchtigkeitsschub sorgend appliziert werden sollen. Denn eine vereinfachte, entschlackte Routine mit pflegenden und aufhellenden Inhaltsstoffen wie dem Bienenprodukt Propolis, Ceramid, Niacinamid oder Hyaluronsäure kann auch ein rundum zufriedenstellendes Ergebnis liefern. Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht verwunderlich sein, dass sich die K-Beauty dieses Jahres auch in Richtung eines Hautminimalismus verändert. Dafür gibt es natürlich längst ebenfalls ein Schlagwort: Skip Care. Dahinter verbirgt sich die Idee, mit dem Einsatz weniger Produkte das gleiche Ergebnis zu erzielen. Das gelingt am einfachsten durch den Einsatz multifunktionaler Hybrid-Mittelchen, die mehrere Hauterfordernisse wie Feuchtigkeit, Aufhellung oder Anti-Aging-Effekte zugleich erfüllen. Reduzierte Routinen und abgespeckte Hautpflegeprodukte sind aktuell in Südkorea sehr angesagt, was frischen Wind in die seit Jahren angesagte Pflege-Mentalität „mehr ist besser" bringt. Angesagt sind daher auch minimalistische Formeln, die nicht mehr als zehn Wirkstoffe enthalten.
Auch das Bewusstsein der Südkoreanerinnen für möglichst natürliche Inhaltsstoffe in ihren Kosmetik-Produkten wird derzeit in hiesigen Medien als vorbildlich gefeiert – obwohl das lange Zeit ganz anders gewesen sein soll. Früher habe kaum jemand einen Blick auf die Zutatenliste geworfen, hauptsächlich ging es um das Erreichen des erhofften Effekts. Doch inzwischen wird viel Wert darauf gelegt, dass neben den Säuren wie BHA, AHA oder Vitamin C in den Pflegeprodukten unter dem Schlagwort Hangbang auch traditionelle Inhaltsstoffe wie grüner Tee, Süßholz/Lakritz, Ginseng, Lotus, fermentierte Hefe, Bienen-Propolis oder die gehypte Centella asiatica, auch als Tigergras bekannt, verarbeitet sind. Der neueste Renner ist allerdings der Extrakt aus roten Zwiebeln, der reich an Antioxidantien und an Vitamin C sein und die Abwehrkräfte der Haut gegen vorzeitiges Altern stärken soll.
Veganes Make-up ist gefragt in Südkorea
Ebenso auf dem Vormarsch ist das für seine Anti-Aging-Eigenschaften bekannte Retinol, auch als Vitamin A1 bekannt und seine natürliche Alternative Bakuchiol. Letzterer ist ein pflanzlicher Wirkstoff, der die Kollagenproduktion der Haut deutlich ankurbeln können soll und laut der „Vogue" derzeit so etwas wie „das neue Buzzword in der Welt der Beauty" darstellt. Bakuchiol, das auf dem indischen Subkontinent aus speziellen Pflanzenblättern gewonnen wird, war schon fester Bestandteil der ayurvedischen und chinesischen Medizin und soll für eine glatte Hautoberfläche sorgen dank der Stimulierung der Zellerneuerung in der Epidermis. Auch für den Feuchtigkeit spendenden Schneckenschleim, der als Sekret in Cremes oder Seren für Furore sorgte, wird inzwischen an einer veganen aus Yamswurzel, Okra oder Algen bestehenden Alternative gearbeitet.
Überhaupt zeigt in Südkorea die Nachfrage nach veganem Make-up unter dem Schlagwort Clean Beauty (mit Renommier-Marken wie Round Lab oder Our Vegan) eine klare Tendenz nach oben. Auch Kosmetik-Produkte, die kein Wasser enthalten oder Wasser zum Abspülen benötigen, sind nicht nur allein aus Gründen der Umweltverträglichkeit sehr angesagt.
Last but not least müssen die wachsenden Vorlieben der Südkoreanerinnen für allerlei Hightech-Beauty-Gadgets für zu Hause unbedingt noch erwähnt werden.
Vollgesichts-LED-Masken oder Ultraschall-Gesichtsreiniger sind dabei nur die Spitze der Schönheitsapparaturen. Dazu gibt es aber auch galvanische Massagegeräte oder Wasserpeeling-Gadgets. Und in Zeiten der Corona-Pandemie wurde jüngst in Südkorea zur Reinigung der Masken antibakterieller Nebel entwickelt. Was allerdings auch nicht das Problem der weltweiten Masken-Akne beheben kann, für die sich das Kunstwörtchen Masken eingebürgert hat.