Tierschützer haben ein großes Herz. Bei manchen ist das Herz riesengroß, denn sie nehmen mit viel Liebe den schwierigen Alltag mit Handicap-Tieren auf sich. So wie Lara Sohn aus Saarbrücken.
Liebe ist nicht einfach, Tierschutz ist nicht einfach – verdoppelt oder halbiert nun die Kombination dieser beiden Aspekte die Schwierigkeiten des Lebens? Mit Tieren zu leben bedeutet generell, Verantwortung zu übernehmen. Lara Sohn aus Saarbrücken-Dudweiler jedenfalls lässt keinen Zweifel daran, dass sie jeden Tag mit ihren Tierchen genießt, auch wenn einige davon gehandicapt sind. Little Bee zum Beispiel. „Sie ist einfach nur lieb", sagt sie. Die Glückskatze hatte einen Darmvorfall und ist querschnittgelähmt. Die fuchsrot-kastanienbraun-weiß gefärbte Schönheit wurde im Alter von rund vier Wochen mit ihren Geschwisterchen ausgesetzt, von Tierschützern gerettet und kam rund eine Woche später zu ihr. Als Little Bee zum Rest der „Rockin’n’Rollin Pets"-Bande kam, wurde sie vorher untersucht. „Ich habe noch nie so viele Würmer aus einer Katze rausgeholt", sagt Lara Sohn über den extremen parasitären Befall.
Das war im November 2020, doch bereits 2017 zog die erste „Handicat" bei ihr ein – Murron. Der Name kommt aus dem Irischen, wird „Mörron" ausgesprochen und bedeutet „geliebt". Sicher wird jeder Tierhalter behaupten, dass seine Katze/sein Hund/sein Meerschweinchen der/die/das schönste der Welt ist, doch vermutlich kann sich jeder darauf einigen, dass Murron die fotogenste Katze überhaupt ist. „Sie ist eine richtige Abenteurerin", sagt Lara Sohn. Immer wieder nimmt sie das schwarzweiße Energiebündel mit in den Urlaub, an den Strand beispielsweise, wo sie durch die Dünen sausen kann. Natürlich musste sie gerade am Anfang noch sehr darauf achtgeben, dass Murron nicht etwa von Möwen geschnappt wird.
Kätzchen wurde auf Müllkippe gefunden
Sie war nur wenige Wochen alt, als die 37-Jährige über eine Freundin auf das Kätzchen aufmerksam wurde, das auf einer Müllkippe gefunden wurde – mutmaßlich zur „Entsorgung". In einer Facebook-Gruppe bekam sie Tipps und Hilfestellungen zu gelähmten Katzen. Doch es folgte auch das, was Tierschutz ebenfalls ist: die Seite kennenlernen, die sich nicht für das Recht auf Leben auch behinderter Tiere einsetzt. In Kürze: Hätte Lara Sohn Murron nicht adoptiert, würde das Kätzchen heute nicht mehr leben. In einer Praxis bekam die gebürtige Zweibrückerin den Rat, Murron einzuschläfern. Ein anderer Arzt relativierte dies und meinte: „Man sieht doch in fünf Minuten, dass sie Lebensfreude hat."
Von dieser Lebensfreude kann man sich auf ihrer Facebook- oder Instagramseite „Katzenstimme grenzenlos" überzeugen. Dort hält Lara Sohn ihre Follower und Gruppenmitglieder stets auf dem Laufenden, was ihre Tierschar so treibt. Sie erzählt von kleinen Eingriffen, von großen Operationen, von danebengegangener Notdurft, von Schwierigkeiten beim Blasen entleeren, von Kot, der manuell herausgedrückt werden muss – und von ganz viel Liebe. Von Murron, die mit ihrem Rolli durch den Garten flitzt. Von Little Bee, die in ihrem Rutschsack ihre Runden dreht. Oder auch von Pepe, dessen Superkraft es ist, superanhänglich zu sein.
Der pechschwarze Rüde mit den wohl treuesten Kulleraugen der Welt hatte Glück, dass Lara Sohn ein Video von ihm sah. Der superliebe Kerl ist ebenfalls querschnittgelähmt, wurde unversorgt einfach herumstreunen gelassen und in einem Wohnviertel dabei gefilmt. Durch das ziellose Herumirren scheuerte sein Bauch auf. Lara Sohn adoptierte Pepe im Januar 2021 und ließ natürlich erst mal seine Wunden reinigen und medizinisch behandeln. Und dann? „Ich habe direkt einen Rolli organisiert", erzählt sie und fügt hinzu: „Er ist direkt losgedüst." Ein „Rolli" ist in diesem Fall eine Art Rollstuhl für die gehandicapten Tiere. Dort werden die Hinterläufe hochgeschnallt, sodass die Katzen und Hunde immer noch mit den Vorderläufen gehen, rennen, spielen können. Oder eben per Rutschsack wie Little Bee.
„Die schönste Auszeit für mich"
Durch ihre gute Vernetzung erhält die Buchhalterin mitunter selbst genähte Rutschsäcke oder Windeln. Lara Sohn hat sympathisch schwarzen Humor, nennt ihre Handicats „Rockin’n’Rollin Pets", also rockende und rollende Haustiere. Sie macht aber auch keinen Hehl daraus, dass ihr Tagesablauf im Grunde streng nach den Bedürfnissen ihrer Katzen und Hunde getaktet ist. Morgens gibt es zuerst Entleerungen von Blasen und Därmen. „Sie stellen sich manchmal schon vorm Badezimmer auf", erzählt sie lachend. Dann bekommt jeder sein Frühstück, mehr oder minder in einer feststehenden Reihenfolge, und es folgen die Eingaben der Medikamente.
Glücklicherweise ist ihr Arbeitgeber ebenso flexibel wie tolerant und befindet sich außerdem nicht weit weg von ihrer Wohnung. So kann sie in der Mittagspause kurz heim und sich um die Rollis kümmern oder auch um ihre zwei „normalen" Hunde: die zuckersüße Podenco-Mix-Hündin Leni und die unter Demenz leidende Felina, ein kleines weißes 17-jähriges Fellknäuel. „Das ist für mich eine schöne Auszeit", erzählt sie, die sich selbst als introvertiert bezeichnet. Da sind solche Auszeiten immer wichtig, um den Sozial-Akku wiederaufzuladen.
Ihr Beginn, sich für den Tierschutz zu engagieren, lässt sich auf ihren Geburtsort zurückführen. Denn dort, in Zweibrücken, hatte sie sich vor einigen Jahren im Tierheim engagiert. „Das hat mir schon immer Frieden gegeben", sagt sie über ihr Engagement. Vielleicht spiele auch ihre schwere Kindheit eine Rolle, dass sie ein so großes Herz für gehandicapte Tiere hat. „In meinem Alter darf man auch mal Verantwortung übernehmen", bringt sie es auf den Punkt. Doch sie weiß auch einfach: „Sie haben sonst keine Chance." Wo andere Gleichaltrige Kinder hätten, hätte sie eben die Liebe zu ihren Tieren. Und so wird auch zukünftig ihre ganz spezielle Liebe den ganz speziellen Katzen und Hunden gehören. „Man hat eine engere Verbindung als zu normalen Tieren", sagt sie.
„Katzenstimme grenzenlos", ihre „kleine private Tierschutzorganisation", wie sie sie selbst bezeichnet, wird bald zu einem Verein reifen. Der endgültige Start ist gerade am Anlaufen, und die zugehörige Webseite katzenstimme-grenzenlos.de wird in Kürze freigeschaltet. Dann kann man jederzeit spenden und ihre Arbeit unterstützen. Denn Lara Sohn hat ja nicht nur ihre eigenen Tierchen, sondern kümmert sich auch rührend um Tiere in Not, in Kroatien und an der Uni, und hilft auch bei der Vermittlung. Seit dem Start vor rund sieben Jahren hat sie bereits mehr als 100 Tieren, vor allem Katzen, dabei geholfen, ein neues, liebevolles Zuhause zu finden, auch zwei Samtpfoten bei dem Autor dieses Textes.
Dreimal täglich Hilfe bei der Toilette
Sie habe „viel Empathie für diese geschundenen Seelen", sagt sie, wieder mit Blick auf die „Rollis". So erzählt sie, dass Klein My, die seit rund zwei Jahren bei ihr wohnt, etwas launisch ist. „Sie kann alle Emotionen rauslassen", drückt sie es mit einem Schmunzeln aus. Die braungetigerte My wurde angefahren und mit einem Schälchen Wasser und Nassfutter einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie hatte einen Milzriss, hat eine dilatierte Blase und ist ebenfalls querschnittgelähmt.
Ihr neuester Zugang ist Mercy, oder „Mister Mercy". Der schwarzweiße Jungkater kam im Sommer vergangenen Jahres zu ihr und stellte sie erneut vor große Herausforderungen. „Er lag mit einem Bauch so groß wie ein Fußball in der Klinik", nachdem er in einem Busch gefunden wurde. Der kleine Mann mit den großen Augen hat zu wenig Bindegewebe und außerdem Spastiken, was seinen Schließmuskel verkrampfen lässt. Der runde Bauch kam durch Kotrückstau, da ihn in der behandelnden Klinik niemand manuell auf die Toilette brachte – was bei querschnittsgelähmten Tieren mindestens dreimal täglich überlebenswichtig ist. Er hatte einen Nierenrückstau und brauchte eine Nierendiät, was Lara Sohn aber in den Griff bekam. Hinzu kamen ganz viele Zipperlein, die sein Leben schon oft haben auf der Kippe stehen lassen.
Eigentlich war nur ein kurzer Aufenthalt im Hause Sohn geplant, doch vermutlich wird er komplett bei ihr einziehen, denn noch einmal: Sonst hätte das Tier wohl sonst keine Chance. So sagt sie lachend: „Er sollte eigentlich nur Pflegekater sein. Aber die anderen Tiere und ich haben ihn sehr liebgewonnen."