Jürgen Matkowitz schrieb als Chef der Band Prinzip Ostrockgeschichte. Nach dem Ende der Band 1990 befasste sich der Gitarrist mit seiner anderen Leidenschaft: Der 71-Jährige plant heute große Laser- und Pyroshows in ganz Europa.
Gut gelaunt und leicht sächselnd öffnet Jürgen Matkowitz die Tür seiner stattlichen Villa im Berliner Südosten. Auf den ersten Blick würde man nicht darauf kommen, dass der gebürtige Leipziger mal einer der angesagtesten Rockmusiker des Ostens war. 1973 gründete der Gitarrist die Gruppe Prinzip und holte Jahre später Sänger Ralf Bursy, genannt „Bummi", dazu. Mitte Februar 2022 starb der wohl größte Popstar der DDR („Feuer im Eis", „Kalte Augen") mit nur 66 Jahren. Ohne Jürgen Matkowitz hätte es den Kult um „Bummi" vielleicht nie gegeben.
Matkowitz, der an die 200 Titel komponierte (darunter Prinzip-Hits wie „Mama" und „Wir reiten mit dem Sturm") war ein umtriebiger Bandchef –
er besorgte der Combo unter anderem eine eigene Lasershow, was in der DDR-Rockszene einmalig blieb. „Wir sahen so eine Anlage bei Sängerin Alla Pugatschowa in der Sowjetunion. Dort waren wir selbst oft, spielten einmal 65 Konzerte in sechs Wochen, teils mit zwei Auftritten am Tag und vor jeweils 12.000 Leuten. Bei besagter Lasershow war ich hin und weg", erinnert sich Matkowitz, der sich schon als Kind für Pyrotechnik und Chemie begeisterte und in der Leipziger Schul-AG „Raketen" mitmachte. „Ich war ein echter Chemie-Fan und kann noch heute die Formeln herbeten", lacht der Berliner.
„Ich war ein echter Chemie-Fan"
Nach dem Pugatschowa-Auftritt erklärte deren Bandmusiker Kolja, dass die Laser aus sowjetischer Produktion stammten und fürs Militär bestimmt waren. Dort setzte man sie unter anderem zur Orientierung für Flugzeuge auf Landebahnen ein. „An das Zeug ranzukommen, war eigentlich unmöglich, ging aber schließlich doch: weil wir fast 40.000 Ostmark auf den Tisch legten", so der Berliner, der rund 100 Gitarren sein Eigen nennt.
Seit über 40 Jahren ist er Köpenicker. Abgesehen von seinen Laser- und Pyroshows in ganz Europa, bleibt er Wilhelmshagen treu. Verlangen nach Urlaub verspüre er selten „Wozu denn das? Hier hab’ ich doch alles – mein Tonstudio, Freunde und eine tolle Gegend. Wir machen höchstens mal eine Woche Ferien, dann geht’s zurück", lächelt das Unikum. Von Mallorca kam er mal nach einem Tag zurück, wie er sagt.
Wenn keine Veranstaltungen anstehen, sei ihm das Wilhelmshagener Wochenende allerdings heilig: Das verbringe er gemeinsam mit Frau und Hund Franzel. Start sei mit einem ausgiebigen Frühstück: „Dann kommen ein frisch gepresster Orangensaft, Kaffee und gekochte Eier auf den Tisch. Alles schön von meiner Frau zurechtgemacht." Sportler sei er nicht unbedingt, sagt Jürgen Matkowitz auf Nachfrage. Tennis, Golf, Fußball oder Segeln? „Bloß nicht. Ich hätte auch gar keine Zeit, weil immer etwas zu tun ist", so der agile Musiker, der täglich auf seinen Gitarren übt oder im eigenen Tonstudio Pyroshows vor bis zu einer Million Menschen bis aufs I-Tüpfelchen vorbereitet. Ob Fußball-WM-Fanmeile in Berlin oder großes Festival in Belgien und der Schweiz: Der Reiz sei immer, Laser, Feuerwerk, Flammenwerfer und Musik genau zu synchronisieren und so quasi Farben in den Himmel zu malen. „Das ist die Kunst, sonst wäre es ja nur wie Silvester", so Matkowitz, der bei vielen Events zum Halbplayback selbst auf der E-Gitarre spielt: Keine alten Prinzip-Songs, sondern Klassiker wie Tschaikowskys „Nussknacker", die „Zauberflöte oder Carmina Burana, wie der Barde schmunzelnd erklärt.
Über die Musik kommt das Gespräch auf den Topstar des Ostpops der 80er-Jahre Ralf Bursy. Von Anfang an habe es zwischen Bandchef Jürgen Matkowitz und dem charismatischen Sänger mit dem außergewöhnlichen Timbre geknirscht: „Wir waren einfach nicht auf einer Linie", räumt Jürgen Matkowitz im Rückblick ein. Bursy wollte poppiger werden, Prinzip aber eine Hardrockband bleiben. Den eher schlagerhaften Prinzip-Hit „Mama" komponierte Matkowitz jedoch selbst. „Das war in einem Hotel in Bukarest und ging relativ schnell."
Nach seinem Ausstieg bei Prinzip 1986 komponierte „Bummi" selbst und landete etliche Hits. Viele hätten ihm das damals nicht zugetraut. Von Prinzip war fortan kaum noch die Rede. Wenn es in der DDR der späten 80er-Jahre einen Popstar gab, dann war es Bursy, der zu der Zeit auch im West-Radio gespielt wurde. Jürgen Matkowitz verstand den Bruch dennoch nicht, denn auch zu DDR-Zeiten verdienten Musiker ihr Geld vor allem mit Konzerten. Ralf Bursy sei zwar in TV und Radio rauf- und runtergespielt worden, hatte aber als Solo-Künstler kaum Live-Auftritte. Dafür sahen ihn Fans bei unzähligen Playbackshows.
Stürzte vom Boxenturm
Nach der Wende richtete sich Ralf Bursy in Berlin-Kaulsdorf sein „Rainbow"-Tonstudio ein. Doch die Comeback-CD „Schick mich auf die Reise" floppte. Etliche hitverdächtige Songs wurden weder in Radio noch TV gespielt. Im Westen hatte man offenbar nicht auf Zuwachs im Pop-Geschäft gewartet. Als Nena und andere Künstler, mit denen er Songs aufnahm und produzierte, später absprangen, eröffnete Bursy mit Ehefrau Regina mehrere Bekleidungsgeschäfte, die auch gut liefen. Aus dem Musikgeschäft zog sich der Mann mit dem Händchen für Hits komplett zurück. Von der einst großen Kollegenschar waren bei der Beerdigung auf dem Friedhof im Berliner Stadtteil Biesdorf nur zwei Handvoll zu sehen.
Auch für Jürgen Matkowitz, der vor Prinzip bei der später in der DDR verbotenen Gruppe Renft und der Uve-Schikora-Combo spielte, brach nach der Wende das Musikgeschäft zusammen. Ostdeutsche wollten zu dieser Zeit lieber Westernhagen, Lindenberg und Co. statt Puhdys und Karat sehen. Für den Wilhelmshagener war es der Start zur zweiten Karriere als Feuerwerker. „Mit Prinzip war 1990 sofort Schluss. Ich knüpfte aber an unsere Lasershows bei den Konzerten an und baute das immer mehr aus", so der Mann, der zehnmal an den „Pyro-Games" teilnahm und sie oft gewann. Eigentlich wollte er mal Pilot werden und lernte bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) im sächsischen Schkeuditz Segelflug. Doch als er das erste Mal eine Gitarre in der Hand hielt, war es um ihn geschehen, erinnert sich der 71-Jährige, der in den 1960er-Jahren unter anderem auf Beatles und Rolling Stones stand.
Passiert sei in 17 Prinzip-Jahren eine Menge: Einmal brach Matkowitz – Spitzname „Matko" – durch eine morsche Holzbühne ein, ein anderes Mal stürzte er vom Boxen-Turm sechs Meter in die Tiefe. „Ich blieb Gott sei Dank mit meiner dicken Lederjacke irgendwo hängen, was den Aufprall abmilderte." Einmal brannte das Triebwerk eines Aeroflot-Fliegers, in den 80er-Jahren saß er in Moskau mal in der falschen Maschine: „Die flog nach Paris, statt nach Berlin-Schönefeld. Andere DDR-Bürger wären vielleicht still sitzen geblieben. Aber wir wollten nach wochenlanger Tournee schnell zurück nach Berlin."
Jürgen Matkowitz fügt an, dass die Band schon früh in den Westen reiste. Nicht nur zu Konzerten, um für die chronisch klamme DDR Devisen einzuspielen, sondern auch privat. Mal schnell ins „Café Kranzler" nach Westberlin einen Kaffee trinken, neue Instrumente, Jeans oder Joghurt kaufen, sei für ihn überhaupt kein Problem gewesen. An die große Glocke hing er dies jedoch nie, betont er. „Einmal hab’ ich sogar ’nen Döner mitgebracht und den per Auto-Heizung warmgehalten. Die Grenzer wunderten sich über den Duft, den sie nicht kannten."