In Kürze startet die sechste Ausgabe der Saarbrücker Seniorentage. Nach der Corona-Pause finden sie wieder in Präsenz statt. Die Mit-Organisatoren Lothar Arnold und Bertold Bahner vom Seniorenbeirat haben die Digitalisierung in den Fokus gestellt.
Nein, verteufeln wollen sie das Internet und neue oder soziale Medien auf gar keinen Fall. Sowohl Lothar Arnold als auch Bertold Bahner schätzen sich als recht technikaffin ein und hatten bereits in ihrer beruflichen Laufbahn mit elektronischer Datenverarbeitung und Digitalisierung zu tun. Heute ist Lothar Arnold 78 Jahre alt und der Vorsitzende des Seniorenbeirates Saarbrücken. Bertold Bahner ist 86 und sein Stellvertreter. Gemeinsam sind sie maßgeblich an der Organisation der „6. Saarbrücker Seniorentage" beteiligt, die am Mittwoch und Donnerstag, 17. und 18. August, über die Bühne gehen.
Auch an der Gründung des Seniorenbeirates selbst waren sie maßgeblich beteiligt. Beide kennen sich von der Arbeit im Stadtrat der Landeshauptstadt her, beide schätzen sich, wie man im FORUM-Gespräch deutlich erkennt. Habe man sich im Stadtrat als Mitglied der CDU- (Arnold) beziehungsweise FDP-Fraktion (Bahner) die eine oder andere Diskussion geliefert, sagen beide dennoch unisono: „In Seniorenfragen waren wir uns fast immer einig." Das Gremium nun wurde 2009 aus der Taufe gehoben und berät Stadtverwaltung, Stadtrat und Ausschüsse in seniorenspezifischen Fragen. Dabei stehe für sie Sachpolitik definitiv über Parteipolitik: „Wir sind uns auch mit den Kolleginnen und Kollegen von SPD, den Grünen und den Linken im Seniorenbeirat meistens einig."
„Wir wollen die Menschen erreichen"
Der demografische Wandel sei eine der größten Herausforderungen, gerade im Saarland, schließlich lebten allein in Saarbrücken mehr als 45.000 Bürgerinnen und Bürger, die älter als 60 Jahre sind. Da viele davon bei Weitem nicht so technikerfahren wie sie selbst seien, habe man die sechste Ausgabe der Seniorentage unter den Fokus „Digitalisierung" gestellt, außerdem bekommen die Blöcke „Wohnen" und „Pflege" größere Aufmerksamkeit. Schließlich sei der Umgang mit Internet, Tablet und Smartphone „ein besonders heißes Thema", wie Bertold Bahner findet. Vor allem deswegen, weil erstens das teils geringe Interesse der Senioren selbst und zweitens der laxe Umgang seitens der Verwaltung damit die Gefahr mit sich brächten, die Älteren regelrecht abzuhängen.
Und so ist in die Seniorentage beispielsweise am Mittwoch, 15 Uhr, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Gesellschaftliche Teilhabe und Engagement Älterer in einer digitalisierten Welt" integriert. An „Thementischen" kommen am Donnerstag Problematiken wie der Umgang mit Tablet und Handy oder auch das lebenslange Lernen mit eben diesen Geräten zur Sprache. Nachdem die letzte Ausgabe wegen Corona ausgefallen war, ist man nun ins Schloss in die Landeshauptstadt umgezogen. Dabei stellt Lothar Arnold jedoch klar: „Es ist zwar eine Saarbrücker Veranstaltung, aber es betrifft das ganze Saarland." Genauer gesagt betrifft es wohl die gesamte Republik. Denn bei der Digitalisierung würden Seniorinnen und Senioren oftmals schlicht vergessen, wie sie bemängeln. „Unsere Veranstaltung soll Politik und Wirtschaft wachrütteln", sagt Bertold Bahner kämpferisch. Lothar Arnold fügt hinzu: „Wir wollen die Menschen erreichen, die es wirklich betrifft." Schließlich werde man teilweise regelrecht zur Digitalisierung gezwungen, wie er sagt.
Als Beispiel nennt er die immer weiter um sich greifende Schließung von Bankfilialen und den damit verbundenen Übergang zum Online-Banking. Er selbst, wohnhaft in der Nähe des Winterbergs, musste zum Geld-Abheben vor wenigen Tagen entweder in die Mainzer Straße fahren, mitten in die Stadt also, was bei dem Verkehr allgemein und den Baustellen zurzeit kein Vergnügen ist. Oder aber er müsste nach Burbach, also einige Kilometer weit fahren. Bei der Sparkasse könne man zudem Geld quasi gar nicht mehr persönlich abheben, sondern nur noch in der Hauptfiliale am Neumarkt. „Die stellen radikal um", stellt er allgemein zu Banken fest.
Bertold Bahner sieht außerdem noch ein weiteres Problem: „Die Altersbilder müssen sich ändern." Denn das Alter bringe nach seiner Auffassung bereits einige Diskriminierungen mit sich. Etwa dann, wenn Betriebe Leute gesetzterer Reife nicht mehr einstellten. Er nennt auch das tatsächlich seltsame Beispiel, dass man zwar mit 80 noch Bundeskanzler oder -kanzlerin werden dürfe – aber als Oberbürgermeister dann schon längst das Handtuch hätte werfen müssen, wie im Saarland das Beispiel Klaus Bouillon in St. Wendel zeigt. Der CDU-Politiker galt als äußerst beliebt und wäre wohl wieder im Amt bestätigt worden, hätte er es nicht mit Ende 60 abgeben müssen.
Hier wären wir wieder beim Stichwort „lebenslanges Lernen". Damit sich das Altersbild ändert, müsste man immer wieder und immer weiter lernen, beispielsweise auch, was die Digitalisierung angehe. Und hier zeige sich das Vakuum, das seitens der Verwaltungen herrsche. Zwar gebe es einige Initiativen und Projekte, um Seniorinnen und Senioren an PCs und Co. heranzuführen – stellvertretend genannt werden etwa die Caritas, die Awo oder die Diakonie. Doch von kommunaler beziehungsweise staatlicher Seite aus passiere schlicht zu wenig. Begrüßenswert seien da das Projekt „Onlinerland Saar" mit den virtuellen Mehrgenerationenhäusern oder auch Kurse im Angebot der Volkshochschulen. Sie stellen also fest: „Es ist schon besser geworden."
Beide arbeiten ehrenamtlich
Doch das sind ja zum großen Teil Veranstaltungen mit mehreren Teilnehmern. Lothar Arnold wirft ein: „Wir haben festgestellt, dass eine Eins-zu-Eins-Schulung wichtig ist." Hier zeigt sich ein weiteres Wirken des Seniorenbeirates. Das Gremium initiierte eine Erhebung zur Bestandsaufnahme von Projekten und Akteuren im Saarland. Dabei zeigte sich, dass beispielsweise der Regionalverband mit Saarbrücken als Vorreiter okay aufgestellt ist, sprich viele Angebote hat, um Senioren und Digitalisierung in Einklang zu bringen. Doch auf der anderen Seite gibt es auch regelrechte weiße Flecken auf der Landkarte, etwa Weiskirchen oder Mandelbachtal, wo es weder kommunale noch private Angebote gibt.
Weiter macht der Seniorenbeirat bekannt, dass zwar gut die Hälfte der 60- bis 85-Jährigen im Saarland täglich im Internet unterwegs ist – 26 Prozent jedoch überhaupt nicht. Das seien rund 83.500 Menschen und somit mehr, als Homburg und Saarlouis gemeinsam Einwohner hätten. Das bedeutet, dass diese Gruppe auch die vielen Vorteile des Surfens gar nicht kennt. Daher setzt sich der Seniorenbeirat auch dafür ein, das Thema noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen und auch in die Kommunal- und Landespolitik.
Über die Dachorganisation Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso), wo sich die beiden ebenfalls einbringen, soll die Thematik eben auch bundesweit eine größere Rolle spielen. Der Empfehlung dieser Kommission könne man sich nur anschließen: flächendeckender Internetzugang, freies W-Lan an öffentlichen Plätzen und in stationären Pflegeeinrichtungen, intuitiv bedienbare internetfähige Geräte und bei Bedarf eine dauerhafte und kompetente Begleitung in und durch die Welt der Digitalisierung.
Es gehe eben um das alltägliche digitale Leben, das in der Gesellschaft ohnehin eine große Rolle spielt – gerade auch im Saarland. Hier entstehe Großes wie am Cispa oder am DFKI. Auch die Verwaltung werde immer digitaler. Man muss also wohl bei sich selbst anfangen. Lothar Arnold zum Beispiel beschäftigte sich mit Videokonferenzen notgedrungen wegen Corona, wie er schmunzelnd erzählt. Doch Bertold Bahner wirft direkt ein: „Was ist besser als Facebook? Face to Face!" Über Präsenz geht eben nichts, da sind sich auch beide einig. Wobei Präsenz nicht immer bedeute, auch präsent zu sein. Wenn man jüngere Menschen beobachte, beschleiche einen mitunter das Gefühl: „Die sind alle nicht da."
Ständig werde auf das Smartphone oder ein Tablet geschaut. Verlerne man so nicht vielleicht, sich ohne Hilfsmittel im Verkehr zurechtzufinden? Verliere man so nicht vielleicht die Bindung zum Hier und Jetzt? Wer immer nur aufs Navi schaue, lande manchmal im Nirgendwo. „So ist jemand vor nicht allzu langer Zeit in den Rhein gefahren, weil er sich nur noch aufs Navi konzentriert und nicht mehr aus dem Fenster geschaut hatte", bringt Bahner seine Kritik auf den Punkt. Dennoch halten sowohl er als auch Lothar Arnold fest, dass die digitale Welt „insgesamt schon ein Vorteil" sei. Beide bekleiden ihre Ämter natürlich ehrenamtlich und appellieren an andere, sich ebenfalls in Vereinen oder Verbänden zu engagieren. Denn auch das ist Digitalisierung – immer weniger Menschen, die sich für andere engagieren.