Tobias Schwede ist neu beim 1. FC Saarbrücken und gleich als Linksverteidiger gesetzt. Nach einer langen Leidenszeit tritt er bei den Blau-Schwarzen die Nachfolge von Mario Müller an, der den Verein verlassen hat. Seine interessanteste Gabe hat jedoch nichts mit Fußball zu tun.
Bei den Trainingseinheiten der Profis des 1. FC Saarbrücken kommt es in dieser Saison oft vor, dass sich Menschen am Rand des Trainingsplatzes in Gebärdensprache unterhalten. Auf dem Platz spielt nämlich ein Profi, mit dem sie sich verbunden fühlen und mit dem sie sich unterhalten können.
Tobias Schwede, seit diesem Jahr im Blau-Schwarzen-Dress ist der Gebärdensprache mächtig und nimmt sich auch gern Zeit für eine Unterhaltung. „Da kenne ich jetzt natürlich nicht jeden persönlich, es ist eher so, dass sie es über Medien aufgeschnappt haben und dann vorbeikommen. Ich bin dafür immer offen, unterhalte mich auch gern mit ihnen und wenn ich mal etwas abgeben kann wie ein Trikot oder ein Shirt, dann gebe ich auch gern was ab. Die Freude darüber, dass sie sich mit einem Fußballer unterhalten können, ist dann immer groß. „Es freut mich, dass ich so etwas auslösen kann", so der Neuzugang. Die Gabe in Gebärdensprache zu kommunizieren, liegt in seiner familiären Situation begründet: „Meine Eltern sind beide gehörlos, von klein auf war es etwas Normales für mich und meine Schwester. Bei uns zu Hause wird eben mit Gebärdensprache kommuniziert. Seit ich denken kann, gehört das eben dazu." Als eine Einschränkung nimmt es der Linksverteidiger definitiv nicht wahr, dass seine Eltern gehörlos sind. „Da gibt es schon so eine Community, meine Eltern haben auch größtenteils gehörlose Freunde und dementsprechend ist es für mich so normal wie für alle anderen das Sprechen und Zuhören. Ich habe als kleines Kind dann schon in beiden Welten verkehrt und es war für mich auch immer ein schöner Ausgleich. Nachteile gibt es eigentlich kaum. Das Einzige was früher vielleicht ein Nachteil war, meine Eltern konnten im Fernsehen nicht jeden Film schauen, den sie wollten. Aber in der heutigen Zeit ist das mit den Untertiteln ja auch kein Problem mehr. Ansonsten erkenne ich da persönlich keine Probleme."
Seine Eltern sind beide gehörlos
Schwede kommt aus Norddeutschland, ist in Bremen aufgewachsen und wurde in der Jugend von Werder Bremen ausgebildet. Ähnlichkeiten sieht er zwischen Bremen und Saarbrücken durchaus. Im neuen Bundesland anzukommen war kein Problem für den Neuzugang: „Die Temperaturen hat man in Bremen jetzt nicht so oft, aber ansonsten gibt es da viele Parallelen. In Bremen hast du die Weser, hier ist es die Saar. Bremen ist ein Ticken größer, aber es gibt auch viel Grün. Den St. Johanner Markt habe ich schon gesehen, den Staden, die Innenstadt. Ich habe jetzt auch eine Wohnung gefunden und muss sagen ich fühle mich hier definitiv wohl. Ich habe schon sehr sympathische Leute hier im Umfeld kennengelernt und finde, dass es sich hier sehr gut leben lässt."
Über Werder Bremen ging es dann nach Magdeburg in die 3. Liga. Bei der nächsten Station in Paderborn gelang dann unter dem jetzigen Köln-Trainer Steffen Baumgart der Aufstieg in die Bundesliga. Es folgte der Wechsel nach Wiesbaden und dann nach Rostock. Schlussendlich machte ihm in Rostock eine Verletzung einen Strich durch die Rechnung. „In Rostock hatte ich eine hartnäckige Verletzung, die dann länger dauerte als gedacht. Das hat mich weit zurückgeworfen und den Großteil der Saison geraubt." Auch deshalb war es wichtig, vor allem früh bei seinem neuen Verein aufzuschlagen, um wieder die nötige Fitness zu erlangen. Das Gefühl bei der ersten Kontaktaufnahme des Vereins war durchweg positiv: „Direkt gut. Ich finde, der Verein hat Riesenpotenzial. In den beiden vergangenen Jahren hat der Verein auch eine sehr gute Rolle in der 3. Liga gespielt. Alle mit denen ich darüber gesprochen habe, haben nur Positives berichtet, und ich habe mich dann riesig gefreut als alles früh in trockenen Tüchern war, um früh bei der Mannschaft zu sein." Beim Vergleich mit seinen bisherigen Vereinen muss sich der FCS nicht verstecken: „Strukturelle Veränderungen gibt es natürlich von Verein zu Verein. Verglichen mit Paderborn ist es natürlich etwas völlig anderes. Durch die Bundesliga haben die natürlich andere Bedingungen, die waren da schon sehr weit. In der Jugend bei Werder sicher auch. Aber wenn ich es jetzt mit Wiesbaden vergleiche, wo wir auch Zweite Liga gespielt haben, dann ist das sicherlich ähnlich. Vorrangig geht es aber darum, wie die Mannschaft das annimmt. Wenn du nur verwöhnte hochnäsige Spieler hast, die nur einen 1A-Service wollen, dann wird es bei den meisten Vereinen schwer. Aber in Saarbrücken müssen wir uns definitiv nicht verstecken."
„Wir müssen uns nicht verstecken"
Nach seiner langwierigen Verletzung im vergangenen Jahr ist das persönliche Ziel für diese Saison schnell formuliert: „Ich will an mein Leistungsniveau herankommen und das Ganze dann in Scorerpunkte ummünzen, um der Mannschaft zu helfen und Erfolg zu haben. Jede Minute wird mir helfen, an meine 100 Prozent heranzukommen. Wann genau das der Fall sein wird, ist immer schwer zu sagen. Aber in den kommenden Wochen kommen einige Spiele auf uns zu, ich bin guter Dinge, dass ich dann auch einen großen Schritt machen werde." Innerhalb der Mannschaft soll Schwede vor allem den Abgang von Mario Müller abfangen, der für sieben Jahre das Blau-Schwarze Trikot trug und einen gewissen Kultstatus innehatte. Ein klassischer Linksverteidiger ist Schwede dabei aber nicht. „Wenn ich meine Positionslaufbahn betrachte, habe ich früher bei Werder im offensiven Mittelfeld gespielt, dann wurde ich aufgrund meiner Schnelligkeit auf die Außenbahn gestellt. Dann fing das zu Magdeburger Zeiten an ein wenig defensiver zu werden, und mittlerweile fühle ich mich außen auf der Schiene sehr wohl. Hauptsache ich steh’ auf dem Platz und kann die Linie besser beackern. Ich habe die Position verinnerlicht und fühle mich da auch wohl."
Bei den Fans ist der Aufstieg ein deutlich kommunizierter Wunsch, innerhalb der Mannschaft jedoch kein sonderlich großes Thema. „Wo man am Ende steht, darüber wird überhaupt nicht gesprochen. Man merkt aber, dass das Team schon verstanden hat, wie viel Qualität in der Mannschaft schlummert und was damit möglich ist. Deswegen ist es natürlich der Anreiz, jedes Spiel zu gewinnen. Ich bin jetzt schon das ein oder andere Mal aufgestiegen, da war es immer so, dass man nicht auf das Ende schaut, sondern von Spiel zu Spiel denkt und immer gewinnen will. Wenn du dann auf der Zielgeraden bist, kannst du dein Ziel auch feststecken und es angehen."
Erfahrungen wie es mit Aufstiegen klappt, bringt Schwede aus seiner Vergangenheit zur Genüge mit. „Ausschlaggebend für die Aufstiege war sicherlich die Qualität der Mannschaft. Der Zusammenhalt war auch immer ein entscheidender Faktor. Ist der nicht da, wirst du nichts erreichen können."