Arizona ist für den Grand Canyon bekannt. Das berühmte Naturdenkmal liegt im Norden des amerikanischen Bundesstaates. Sehenswert ist aber auch der Süden mit einsamen Wüstenlandschaften und historischen Western-Städten.
Saguaro-Kakteen sehen wie winkende Menschen aus. Sie sind das Markenzeichen von Arizona, man sieht sie auf jedem Autonummernschild des amerikanischen Bundesstaates. Die Kakteen sind echte Naturwunder: Sie recken sich bis zu 15 Meter in die Höhe und können 200 Jahre alt werden! Wenn ihnen der erste „Arm" wächst, haben sie bereits 50 Jahre auf dem Buckel.
Die Saguaros wachsen ausschließlich in der Sonora-Wüste, die sich vom südlichen Arizona bis nach Kalifornien und ins nördliche Mexiko erstreckt. Der Saguaro National Park rund um die Stadt Tucson verfügt über die größten und dichtesten Bestände. Hier vereinen sich die stachligen Pflanzen zu regelrechten Wäldern. Mittendrin befindet sich das Arizona-Sonora Desert Museum mit seinem großen botanischen Garten und einem Wüstentier-Zoo.
Botanischer Garten mit Wüstentieren
Leider sind die streng geschützten Saguaro-Kakteen in amerikanischen Vorgärten so beliebt, dass sich ein Schwarzmarkt entwickelt hat. Sie müssen von Rangern markiert und bewacht werden.
Die Kakteen lieben das trockene Wüstenklima und die extrem heißen Sommer im Südwesten der USA, an der Grenze zu Mexiko. Für menschliche Bewohner machen nur die geringe Luftfeuchtigkeit und die Erfindung von Klimaanlagen das ganzjährige Leben hier erträglich.
Wer aus Europa in diese Gegend kommt, landet meist am internationalen Flughafen in Phoenix. Beim Landeflug staunt man über das riesige, dicht besiedelte Valley of the Sun, das „Sonnental" der Sonora-Wüste. Bis an den Horizont erstrecken sich die gleichförmigen Wohnanlagen für die „Snow Birds", die Rentner aus dem kalten Norden, die hier ihren Lebensabend oder zumindest den Winter verbringen. Zwölf Orte sind zu einem wuchernden Ballungsraum verwachsen.
Das Wasser für all die unzähligen Swimming Pools und Golfplätze stammt aus Arizonas fünf Flüssen, an denen zahlreiche Dämme errichtet wurden, sodass über hundert Stauseen entstanden. Darunter der Canyon Lake, der den Großraum Phoenix mit Trinkwasser und Wasserkraft versorgt. Er gehört zu einer Kette von vier Seen, die sich 1925 beim Aufstauen des Salt Rivers bildeten.
Winziges Westerndorf
Die Anfahrt zum Canyon Lake erfolgt auf dem kurvigen „Apache Scenic Byway" durch die wilden Superstition Mountains, die östlich von Phoenix steil aus der platten Wüste ragen. Die Straße endet in Tortilla Flat, einem winzigen Western-Dorf, dessen Saloon für seine Sattel-Barhocker und die mit Dollarnoten tapezierten Wände bekannt ist. An den rötlich schimmernden Steilufern des Sees kann man angeln, schwimmen, ein Boot mieten oder den Ausflugsdampfer besteigen.
Von Phoenix verläuft eine viel befahrene Interstate nach Tucson, Richtung Süden. Wer aber ländliche Einsamkeit und schöne Aussichten bevorzugt, nimmt die historische Route, den parallel verlaufenden Pinal Pioneer Parkway.
Zunächst geht es 40 Meilen durch die Wüste mit ihrer erstaunlichen Vielfalt an Büschen, Sträuchern und Kakteen. Im Frühjahr säumen vielfarbige Blüten den Straßenrand.
Die Strecke führt vorbei an den Casa-Grande-Ruinen: Überreste mehrstöckiger Gebäude, die von der technologisch hoch entwickelten Hohokam-Kultur vor Jahrhunderten aus einer Art Beton errichtet wurden. Die einzige nennenswerte Ortschaft weit und breit ist Florence mit ihrem historischen Gerichtsgebäude – einem Lehmbau, der heute als Touristeninfo dient.
Denkmal für Westernheld
Weiter südlich passiert man ein Denkmal, wo Tom Mix, Hollywoods erster Western-Superstar, 1940 bei einem Autounfall sein Leben verlor. Schließlich geht es schnurgerade durch eine Hochebene in Richtung Tucson – immer den majestätischen, 2.790 Meter hohen Mount Lemmon im Blick, der sogar ein Skigebiet hat.
Tucson, aufgrund indigener Ursprünge „tu-sahn" ausgesprochen, bietet 350 jährliche Sonnenscheintage und eine Kulisse atemberaubender Bergketten. Archäologen haben festgestellt, dass es sich um die älteste, kontinuierlich bewohnte Siedlung Nordamerikas handelt. Bereits vor 4.000 Jahren wurde hier Ackerbau betrieben. Davon zeugt Tucsons Mission Garden mit seinen Orangen- und Granatapfel-Bäumchen, alten Getreidesorten und Weinstöcken.
Hier am Fuß von Tucsons Hausberg, dem Sentinel Peak, befand sich einst ein spanisches Kloster. Das heutige Areal ist eine archäologische Rekonstruktion des einstigen Klostergartens – vier Hektar, umgeben von Mauern aus den ortstypischen Adobe-Lehmziegeln.
Der gemeinnützige Verein, der den öffentlichen Garten betreibt, will das reiche landwirtschaftliche Erbe der Region bewahren und weitergeben – als Beitrag zu Tucsons Status als erster Unesco-„Creative City of Gastronomy" der Vereinigten Staaten.
Ein Bewässerungskanal zeigt, wie die Ureinwohner einst ihre Feldfrüchte versorgten. Daneben wachsen Pflanzen der ersten chinesischen Einwanderer, die hier einst Bahnschienen verlegten.
Auch in Sachen Wein hat sich Arizona einen Namen gemacht. Die Weinstöcke gedeihen hier auf mindestens 1.300 Metern Höhe. Reichhaltige Vulkanböden, sommerliche Niederschläge sowie die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht verleihen den Trauben ihr Aroma.
Ein Großteil von Arizonas Traubenernte stammt aus dem Anbaugebiet rund um Willcox, etwa 90 Meilen östlich von Tucson, einem verschlafenen Western-Örtchen. Einst war Willcox die „Rinder-Hauptstadt" der Nation. Heute finden sich hier Vogelkundler, Naturfreunde und Anhänger des aus der Gegend stammenden, „singenden Cowboys" Rex Allen ein. Und eben die Liebhaber guter Weine, die hier Winzer und ihre Kellereien besuchen.
Wer John Wayne liebt, sollte sich auf den Weg nach Tombstone machen. Hier kann man mit der Postkutsche über ungepflasterte Straßen rumpeln und hinter den Schwingtüren altmodischer Saloons versacken. Beliebt ist auch eine Show, in der mit Platzpatronen jene historische Schießerei nachgespielt wird, bei der 1881 an einer hiesigen Straßenecke drei Cowboys ihr Leben ließen.
Tombstone, das schon etlichen Western-Filmen als Kulisse diente, wurde in den Zeiten des Gold- und Silberrausches aus dem Boden gestampft. Damals lebten hier 20.000 Menschen. Die Minen brachten Reichtum. In den Saloons blühte das Geschäft mit Alkohol, Prostitution und Glücksspiel. Nachdem die letzte Ader geschürft war, folgte die große Abwanderung. Heute hat Tombstone nur noch 1.600 Einwohner, die das Erbe des Wilden Westens liebevoll pflegen.
Malerisches Bergstädtchen
Auch Bisbee, 20 Kilometer vor der mexikanischen Grenze, entstand des Bergbau-Booms. Die schroffen Schluchten der Mule Mountains verbargen eine der reichsten Kupferlagerstätten der Welt. Doch die letzte Mine wurde 1975 geschlossen. Heute kann ein Teil des alten Bergwerks bei Führungen besichtigt werden. Ausgestattet mit Schutzhelm, Grubenlampe und gelbem Arbeitsanzug steigt der Besucher 500 Meter in die Tiefe.
Bisbee ist ein malerisches Bergstädtchen, dessen viktorianische Häuser sich an die Hänge eines Canyons schmiegen. Touristen kommen gern in den Sommermonaten, sind doch die Temperaturen in den Bergen angenehm frisch.
Bevor die „Weißen" das südliche Arizona eroberten, lebten hier verschiedene Stämme indigener Menschen. Darunter die Chiricahua-Apachen, die eine fruchtbare Berglandschaft zwischen zwei Wüstentälern besiedelten. Markenzeichen dieser einzigartigen Gegend sind riesige steinerne „Wachtürme" und „kopfstehende" Felsen, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen – Resultat eines Vulkanausbruchs vor 27 Millionen Jahren. Winde und Niederschläge wuschen das weichere Gestein aus, bis nur noch die markanten Formationen übrig blieben.
Durch das Chiricahua National Monument, wie das vor 100 Jahren eingerichtete Naturschutzgebiet heißt, schlängelt sich eine 13 Kilometer lange Panorama-Straße hinauf zum Massai Point, der auf 2.094 Metern eine herrliche Rundumsicht ermöglicht. Wanderwege gibt es ebenfalls.
Die Chiricahua-Apachen wurden in Reservate umgesiedelt. Heute sind Vertreter des Stammes jedoch an der Verwaltung des Naturparks beteiligt. Derzeit arbeitet das amerikanische Innenministerium daran, das Chiricahua National Monument zum Nationalpark aufzuwerten.
Doch das südliche Arizona bietet mehr als Western-Historie und atemberaubende Natur. Wenn tagsüber die Sonne knallt, stellt der Besuch der klimatisierten Museen eine erfrischende Abwechslung dar.
Architektonisches Weltkulturerbe
Sehenswert ist das Musikinstrumente-Museum in Phoenix, weltweit das größte seiner Art. Es beherbergt zigtausende Instrumente aus allen denkbaren Regionen und Epochen. Der Clou ist ein Audioguide, der selbstständig den passenden Sound zum jeweils betrachteten Exponat einstellt. Ob Alpen-Schuhplattler, mexikanische Mariachi-Bands oder barocke Gamben – man kann die Instrumente jederzeit in ihrem ursprünglichen Umfeld erleben. So zeigt die Hip-Hop-Ecke eine Wand voller Graffiti sowie eine Puppe mit Sneakers, Basecap und schwerer Goldkette. Ein Hingucker ist auch das klingende 3D-Modell eines Sinfonieorchesters.
Bemerkenswert ist aber auch der Museumsbau an sich: aus hellem Sandstein, mit vielen Fensterfronten, die Ausblicke in die Wüste erlauben. Ein Café-Besuch im Kakteengarten rundet den Aufenthalt ab.
Für Architektur-Fans wird Taliesin West in Scottsdale, dem reichen und mondänen Vorort von Phoenix, zur Pilgerstätte. Der visionäre Architekt Frank Lloyd Wright und seine Schüler schufen sich hier ein Winterquartier zum Leben und Arbeiten. Das Areal gehört zum Weltkulturerbe und ist heute als Museum zu besichtigen. Die Mitglieder dieser Architekten-Kommune legten beim Bauen selbst Hand an. Sie errichteten Gebäude aus lokalem Wüstengestein, die sich harmonisch in die karge Landschaft einfügen. Wright entwarf sämtliche Möbel selbst. Im Atelier dienen lichtdurchlässige Segeltücher als Dach. An diesem Ort schuf Wright berühmte Entwürfe, so zum Beispiel den vom Guggenheim Museum in New York.
Als neue Strommasten den Blick über die karge Landschaft zerschnitten, vermauerte der eigenwillige Architekt die Fenster ins Tal, um fortan nur noch in die Berge zu schauen. Heute ist die Umgebung des einst einsamen Grundstücks dicht besiedelt. Den Reiz von Arizonas Süden erkennen eben immer mehr Menschen.