Für Marko Grgic schließt sich ein Kreis: In diesem Sommer wechselte das 18-jährige Handballtalent von Drittligist HG Saarlouis zum Zweitliga-Spitzenteam seiner Geburtsstadt. Der Abschied aus dem Saarland hat nicht nur bei ihm Spuren hinterlassen.
Viele langjährige Fans des Handball-Drittligisten kennen die Szene: Das Schlusssignal ertönt, die Spieler – je nach Ergebnis und Teamzugehörigkeit – tanzen fröhlich oder schleichen betrübt vom Feld, welches sogleich von den Jugendspielern in Beschlag genommen wird. Immer mittendrin: Marko Grgic. Inzwischen hat er sich dieses Verhalten abgewöhnt, der Sohn der HG-Legende Danijel Grgic ist 18 Jahre alt und stand in der vergangenen Saison selbst für die Erste Mannschaft der Saarlouiser auf dem Feld. Damit ging für ihn ein großer Traum in Erfüllung. Der zweite große Traum des Toptalentes verwirklichte sich vor wenigen Wochen: Der Wechsel in die 2. Bundesliga – noch dazu in seine Geburtsstadt, zum ThSV Eisenach. Beim Aufstiegsaspiranten und Vorjahres-Dritten trifft er auf den früheren Saarlouiser Kapitän Peter Walz. „Ich glaube, ich stolperte schon im Alter von ein, zwei Jahren mit dem Ball in der Hand durch die Eisenacher Halle", erinnert sich Grgic. Damals spielte sein Vater für den ThSV (2003 bis 2005), erst nach einem einjährigen Gastspiel in Kroatien folgten 2006 sein Wechsel zur HG Saarlouis (bis 2014) und die Sesshaftigkeit der Grgics im Saarland. „Wenn Papa, Mama und auch der große Bruder Handball spielen und man das von klein auf mitbekommt, dann stellt sich die Frage nicht, ob Handball das Richtige ist oder nicht", sagt Grgic Junior, der in Eisenach einen Dreijahres-Vertrag unterschrieben hat.
Verband stellte Rechtmäßigkeit fest
Das „Richtige" war bis zu diesem Sommer die handballerische Ausbildung bei der HG Saarlouis. Die Trennung verlief allerdings weniger harmonisch. Bei der HG stand Grgic eigentlich noch bis 2023 unter Vertrag. Der Verein pochte trotz des erklärten Wechselwunsches auf die Erfüllung und forderte eine Ablösesumme, die wiederum Eisenach nicht zahlen wollte. Beide Seiten kommunizierten nur noch über ihre Anwälte, das Verbandssportgericht des Handballverbands Saar musste entscheiden und stellte die Rechtmäßigkeit des Vereinswechsels fest. Weil es sich um einen Amateur- und nicht um einen Profivertrag handelte, durfte Grgic ablösefrei wechseln und war bei seinem neuen Verein von Beginn an spielberechtigt. „Natürlich schmerzt es, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Aber mein Herz wird immer grün bleiben. Ich habe meine ganze Jugend in Saarlouis verbracht, in der A-Jugend-Bundesliga gespielt und habe jahrelang auf der Tribüne gesessen und geträumt, einmal in der Ersten Mannschaft zu spielen", sagt Grgic und ergänzt: „Dann ist es letztes Jahr dazu gekommen. Jetzt ist das Kapitel für mich abgeschlossen, und ich wünsche der Mannschaft alles Gute." Zu dieser Mannschaft gehört auch sein neun Jahre älterer Stiefbruder Tom Paetow.
Seit dem Vorbereitungsbeginn Mitte Juli wohnt Marko Grgic in Eisenach. Zunächst in einem Hotel, seit Ende Juli in seiner ersten eigenen Wohnung. Heimweh spielt derzeit noch keine Rolle: „Ich hatte seither eigentlich gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir trainieren täglich morgens und abends, tagsüber setze ich meine Ausbildung zum Bankkaufmann fort – ich bin den ganzen Tag unterwegs und wenn ich nach Hause komme, will ich einfach nur schlafen", berichtet der junge Mann und weiß: „Die nächsten zwei Jahre werden schon hart. Wenn es ein sportliches oder berufliches Tief gibt und keiner da ist, wenn man nach Hause kommt, wird das nicht einfach. Aber ich versuche, diese Situation so weit hinauszuzögern, wie es möglich ist."
Häufigkeit und Intensität des Trainings machen Grgic schon jetzt zu schaffen. Zwischen den Einheiten bei Drittligist Saarlouis und denen bei Zweitligist Eisenach „liegen Welten", findet er: „Das Tempo, die Qualität, einfach das ganze Niveau ist viel höher. Und hier gibt es viele Spieler, die alles geben, um in die 1. Bundesliga zu kommen. Unser Trainer Michael Kaufmann fördert, aber fordert auch viel. Das gefällt mir sehr gut." Im Unterhaus der stärksten Handball-Liga der Welt werden Fehler konsequenter bestraft als in der 3. Liga, weiß er. In den Testspielen, teilweise gegen Erstligisten, will sich der Jüngste im Team für Einsatzzeiten empfehlen. Schon jetzt deutet sich an, dass dies ein realistisches Ziel ist. Vor allem wegen seiner Zweikampfstärke, der an seinen Vater erinnernden Spielintelligenz mit blitzschnellen Aktionen und einer großen Wurfvariabilität steht er gleich vor einer herausfordernden Aufgabe: In der für Eisenach typischen 5-1-Abwehrformation wird er sich mit Fynn Hangstein, dem Torschützenkönig der vergangenen Saison, die Position an der Spitze teilen. „Damit schenkt mir der Trainer Vertrauen und Verantwortung, was ich bestmöglich zurückzahlen möchte. Ich weiß aber auch, dass ich noch viel harte Arbeit vor mir habe", sagt der 18-Jährige, der durch seine reflektierte Art reifer wirkt, als es sein Alter vermuten lässt: „Ich denke, dass ich das System bis zum Saisonstart verstanden habe, aber auch noch einige Fehler in der Abwehr abstellen muss."
„Noch viel harte Arbeit vor mir"
Dabei helfen könnte guter Rat. Der ist bekanntermaßen nicht teuer. Schon gar nicht, wenn er vom eigenen Vater kommt. „Jeder weiß, dass er viel erlebt hat, viel weiß und viel kann. Wenn ich zurückblicke, muss ich feststellen, dass ich das leider fast nie ausgenutzt habe", gibt Marko Grgic zu. Vater Danijel, der ein Jahr lang sein Trainer in der A-Jugend-Bundesliga war und mit dem er im Sommer oft Tennisspielen war, sieht das entspannt: „Ich habe mich bei beiden nicht oft eingemischt. Und wenn ich es gemacht habe, wurde es eher als Kritik aufgefasst statt als Ratschlag", erinnert er sich.
Viele Vereine wollten den 18-Jährigen verpflichten, letztlich hat er hat sich selbst für Eisenach entschieden. „Die Stadt, in der er geboren ist – das ist schon eine coole Geschichte. Trotzdem muss er seine Hausaufgaben machen, um die Chance zu nutzen und seinen Weg zu gehen", weiß „Dado". Dem Altmeister machen die Veränderungen der letzten Zeit zu schaffen. Innerhalb eines halben Jahres sind beide Söhne von zu Hause ausgezogen – einer sogar in ein anderes Bundesland. Beide stehen auf eigenen Beinen. „Eigentlich ist das ja super für sie. Aber zu wissen, dass sie nur wieder zurückkommen, wenn etwas schiefgelaufen ist, fällt mir unfassbar schwer", sagt der sonst so hartschalige Ex-Profi und gibt angesichts des nie geahnten Gefühlschaos zwischen Stolz und Abschiedsschmerz zu: „Ich habe wochenlang geheult wie ein Baby. Wir sind ein Leben lang zu viert, die Omas und Opas sind weit weg. Alles, was ich mache, mache ich nur für unsere Kinder. Jetzt ist der Job plötzlich erledigt, und ich soll in Eltern-Rente. Das ist wirklich unfassbar." Bleibt zu hoffen, dass keiner der beiden je wieder zu Hause einziehen muss.