Das neue Schuljahr markiert den Beginn einer neuen Zeit in der saarländischen Schullandschaft. Der Wiedereinstieg in G9 wird einiges bewegen. Auch ohne diese Veränderung stehen Schulen und Kitas vor beachtlichen Herausforderungen.
Kurz vor dem Start ins neue Schuljahr kam die erfreuliche Nachricht ganz passend. Das Saarland hat im sogenannten Bildungsmonitor den Platz im oberen Drittel aller Bundesländer verteidigt. Platz fünf im Ländervergleich kann sich auch insofern sehen lassen, als das Saarland sich diesen Platz erst im letzten Jahr mit einem kräftigen Sprung nach vorne erobert hatte. Damit hatte sich das Land im Vergleich zum Ausgangsjahr 2013 (Platz 15) am stärksten von allen Ländern verbessert. Dass der Platz nun gehalten werden konnte, spricht für eine gewisse Nachhaltigkeit dieser Entwicklung. Bildungsministerin Streichert-Clivot (SPD) kann das zu Recht als „Bestätigung unseres bildungspolitischen Kurses" einordnen.
Naturgemäß gibt es Kritik an Rankings im Bildungsbereich. So hatten Bildungsgewerkschaften den Monitor auch schon mal als „neoliberal" eingestuft, weil dieser vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt wird. Allerdings hat sich diese Untersuchung inzwischen zu einem weitgehend akzeptierten Gradmesser etabliert. Erhoben werden 98 Indikatoren wie etwa Ausgaben für Bildung, Abbrecherquoten oder Doktorandenzahlen. Nach eigenen Angaben der INSM geht es darum, herauszufinden, „inwieweit ein Land Bildungsarmut reduziert, zur Fachkräftesicherung beiträgt und Wachstum fördert". Dafür werden insgesamt 13 sogenannte „Handlungsfelder" untersucht, Stärken und Schwächen herausgearbeitet.
Saarland investiert viel pro Schüler
Stärken werden dem Saarland in etlichen Bereichen attestiert, beispielsweise Zeiteffizienz. Nur wenige Kinder wiederholen demnach eine Klasse. Möglicherweise überraschend sind aber auch die Ausgabenprioritäten. So liegen die Bildungsausgaben pro Grundschüler um rund 300 Euro über dem Bundesdurchschnitt. Bei den Ausgaben pro Bildungsteilnehmer (gemessen an den Landesausgaben pro Einwohner) belegt das Saarland einen bemerkenswerten dritten Platz im Ländervergleich (noch vor Bayern). Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse im Hochschulbereich: Gemessen an der Bevölkerung gibt es die meisten dualen Studierenden, es gibt einen hohen Anteil ausländischer Studierender und einen überdurchschnittlichen Beitrag zur Ausbildung von Informatikern. Potenziale sieht die Studie im Bereich Fremdsprache (Grund- und Berufsschule), wo das Saarland etwas unter dem Bundesdurchschnitt liegt, oder bei der Schulabbrecherquote.
Soweit die Bestandsaufnahme. Ab 5. September heißt es nun, diesen Platz im Ländervergleich zumindest weiter zu bestätigen. Und das ist „kein Selbstläufer", wie selbst Ministerpräsidentin Anke Rehlinger bei der Entgegennahme des Arbeitskammerberichts zum Schwerpunkt Bildung betonte.
Zum neuen Schuljahr stehen einige Änderungen bereits länger fest. Die markanteste ist der Abschied von G8 und der Einstieg in G9. Es gibt aber auch etliche andere Stellschrauben, an denen die neue Landesregierung seit Regierungsübernahme bereits einiges justiert hat, beziehungsweise im Rahmen der Haushaltsklausur Eckdaten dafür formuliert hat.
Für den Einstieg in G9 waren wichtige Rahmenbedingungen bereits vor Wochen geklärt. So sollen die bisherigen Jahreswochenstunden von 159 in G8 auf künftig 178 in G9 ansteigen. Zu wenig, kritisiert die CDU. Deren Bildungsexpertin Jutta Schmitt-Lang fordert mindestens 185, entsprechend dem Bundesdurchschnitt, und betont: „Alles unter der Zahl ist nur ein Sparmodell. Dann wird gespart an Ressourcen und Lehrkräften". Die regierende SPD will das nicht gelten lassen und entgegnet, dass mit dem Konzept die geforderte Entlastung der Schüler umgesetzt werde. Feststeht auch, dass es das neue Schulfach Informatik geben wird. Verschiedenen anderen Forderungen nach zusätzlichen Lehrfächern, die von unterschiedlichsten Seiten immer wieder vorgetragen werden, hat die Ministerin bislang eine Absage erteilt. Konkrete Umsetzungen werden erst zum Schuljahr 2023/24 realisiert, zuvor muss das Gesetzgebungsverfahren für G9 abgeschlossen werden. Konkret heißt das also, dass das Schuljahr jetzt noch sozusagen ganz normal beginnt, mit der Ausnahme, dass für die neuen Gymnasialschülerinnnen und -schüler der Weg zum Abi ein Jahr länger wird.
Die Arbeitskammer macht in ihrem aktuellen Jahresbricht an die Landesregierung für den Bildungsbereich „vielfältigen Handlungsbedarf" aus. Zentrale allgemeine Forderungen sind eine „ausreichende und nachhaltige Finanzierung" sowie „Chancengleichheit entlang der gesamten Bildungskette". Das beginnt aus Sicht der Kammer bereits in der Kita. Die beschlossene Beitragsfreiheit wird zwar begrüßt, allerdings müssten auch „quantitativer Ausbau" sowie „qualitative Weiterentwicklung" damit einhergehen. Kritisch sieht die Kammer dabei, dass sich „der Mangel an pädagogischen Fachkräften in Kitas und Schulen zuspitzt".
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Abschaffung der Gebühren für Kitas für wichtig, mahnt aber zugleich eine „Fachkräfteoffensive" an, damit Kitas ihren Herausforderungen gerecht werden können.
Mit der Einführung von G9 mahnt die Kammer, dass die dafür benötigten Ressourcen nicht zu Lasten der übrigen Schulformen gehen dürften. Die Sorge, dass G9 auf Kosten der Gemeinschaftsschulen gehen könnte, teilen auch andere. Ähnlich hatte sich beispielsweise der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) geäußert. Die GEW sieht immerhin mit dem in der Haushaltsklausur der Landesregierung in Aussicht gestellten Stellenaufwuchs unter besonderer Berücksichtigung der Gemeinschaftsschulen ihre „Forderung nach Stärkung der Gemeinschaftsschulen bestätigt". Die Festschreibung des Klassenteilers auf 25 an Grundschulen sieht die GEW als einen „ersten Schritt hin zu kleineren Klassen an allen Schulformen" und fordert folglich auch eine Absenkung des Klassenteilers in Gemeinschaftsschulen. Das wird auch von den saarländischen Kommunen inhaltlich unterstützt, allerdings weist der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) auf die Konsequenzen hin und fordert, „dass die Kosten der Kommunen für die Klassenmehrbildung eins zu eins vom Land übernommen werden".
Fachkräfteoffensive wird benötigt
Insgesamt hält es die Arbeitskammer für „dringend notwendig, die Planstellen an allen Schulformen aufzustocken, die Gemeinschaftsschulen durch kleine Klassen zu stärken, die Schulsozialarbeit auszubauen, multiprofessionelle Teams und die unbefristete Übernahme der Sprachförderlehrkräfte anzugehen", betont Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer.
Die Kommunen beschäftigt aber noch ein zusätzliches Problem. Bereits heute gebe es einen „erheblichen Investitionsbedarf an Grundschulen", so der SSGT. Nun komme der Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung hinzu, der ab 2026 realisiert werden soll. „Im Saarland werden mindestens 6.800 neue Plätze benötigt. Bisher konnte uns noch niemand sagen, wie wir als Schulträger diese zusätzlichen Bauinvestitionen stemmen sollen; die zugesagten Mittel des Bundes sind jedenfalls bei weitem nicht ausreichend", erklärten die Vertreter des SSGT. Womit nur einige der Diskussionen angerissen sind, die auf der Agenda stehen. Ganz abgesehen von dem leidigen Thema Corona angesichts der befürchteten kommenden Herbstwelle. Schon im Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes des Bundes wird als Ziel klar formuliert, dass Schulschließungen vermieden werden sollen. Darüber dürfte es weitgehende Einigkeit geben, über alles andere wird aber unvermindert gerungen, von Maskenpflicht über Testen bis hin zu allen anderen inzwischen hinlänglich bekannten Instrumenten. Gesundheitsminister Magnus Jung hat zumindest in einem Punkt bereits Klarheit geschaffen: Eine umfassende Testung zum Schulbeginn soll es nicht geben.