Fashion und Politik waren lange ein großer Kontrast. Doch die Zeiten ändern sich, und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges gehen auch an den Designern nicht spurlos vorbei.
Sie wollen ein Statement setzen. Nicht für eine Farbe oder ein Design, sondern ein Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden. Deshalb stand die diesjährige Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin unter einem unausgesprochenen Motto: „Stop the war, make peace!" Den Start in die Woche bildete die Show der finnischen Designerin Sofia Ilmonen, die mit einer Schweigeminute begann. Erst danach präsentierte sie nachhaltige Entwürfe, die auch modular ordentlich was hergaben. Die Stoffe, zart fließend, die Kombinationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt, verpackt in dezente Bonbonfarben waren die Modelle ein Hingucker. Plakativer setzte Kilian Kerner wenig später bei seiner Show ein Statement. Im Kraftwerk schickte er zuerst Models voraus, die in verführerischen BHs über den Catwalk wandeln. Warum nicht mal die schöne Wäsche groß ausführen und das Oberteil schlichtweg weglassen, befand der Modemacher und legte den Fokus stark auf die weiblichen Rundungen. Anschließend setzte er dann das Kontrastprogramm ein und zeigte deutlich, was er vom Krieg hält, nämlich nichts. In übergroße schwarze Hoodies gekleidet – mit einer weißen Schrift und der Aussage „Peace" vorn drauf – schickte er die Models zum Schluss über den Catwalk. Hier ging es nicht mehr um nackte Haut und außergewöhnlich sinnliche Entwürfe, es ging um die Message und die kam beim Publikum an. Nicht ganz so offensichtlich, aber ausgesprochen rührend verlief das Friedensstatement von Sustainable Fashion Matterz und Fashion Revolution. Beide Fashion-Netzwerke haben sich zusammengetan, um die Entwürfe des ukrainischen Designers Jean Gritsfeldt nachzunähen und dann auf einer Show zu präsentieren. Durch den Krieg war es ihm nicht möglich, selbst nach Berlin zu reisen. Auch die Fertigstellung seiner Kollektion klappte nicht wie erhofft, deshalb sprangen kurzerhand andere für ihn ein. Heraus kamen Entwürfe voller heller, fließender Stoffe. Viele der Stücke enthielten eine Friedensbotschaft und schafften es so direkt ins Herz der Zuschauer. Damit aber nicht nur das Herz erwärmt, sondern auch die Geldbeutel gelockert wurden, hielt Marc Cain kurzerhand eine Rede über Toleranz und Frieden. Am Ende forderte er alle Gäste dazu auf, an die Caritas zu spenden. Den gesammelten Betrag verdoppelte der Designer dann großzügig. In seiner Show standen knallbunte Entwürfe in Gelb, Pink und Lila im Mittelpunkt. Im Finale präsentierten alle Models (darunter auch Russinnen und Ukrainerinnen) ihre Handinnenflächen, auf denen das Peace-Zeichen deutlich zu erkennen war. Dazu lief der Song „Russians" von Sting.
Armani reagierte als einer der ersten
Einer der ersten Modemacher, der auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen reagierte, war Giorgio Armani. Er entschied sich bei der Fashion Week in Mailand am 27. Februar dieses Jahres, seine komplette Herbst/Winter-Kollektionen 2022/2023 ohne Musik zu präsentieren. Aus Respekt. Es scheint, als findet jedes Label für sich einen ganz eigenen Weg, Kreativität und Botschaft miteinander zu verbinden. Viele stoppten den kompletten Handel in Russland, darunter Hermès, Nike, H&M sowie deren Gruppen wie Weekday, Cos und Arket. Andere organisierte Spendenaktionen, wie zum Beispiel Burberry. Wieder andere spendeten ihre eigenen Verkaufserlöse von Wochenenden oder ganzen Wochen, um damit Organisationen zu unterstützen, die sich für die Versorgung der Menschen in der Ukraine während des Krieges einsetzten wie das Rote Kreuz, Voices of Children Ukraine oder Nothilfe Ukraine. Neben der Spende an sich sind auch immer wieder spezielle Entwürfe zu bewundern, die sich dem Thema Krieg sehr bewusst annehmen. So gibt es aktuell eine T-Shirt-Kollektion aus einer Kooperation des Streetwear-Blogs Highsnobiety und dem DJ-Kollektiv Keinemusik aus Berlin. Die Baumwollshirts und passende Hoodies für die kalten Tage sind mit einem Friedenszeichen versehen, welches die Farben der ukrainischen Flagge trägt. Den Verkaufserlös von rund 50 Euro pro Shirt und 100 Euro für den Hoodie spendet die Kooperation an das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (kurz UNHCR). Die gleiche Idee in anderer stylisher Umsetzung hatte auch der ukrainische Designer Anton Belinskiy. Er entwarf ein Shirt mit der Aufschrift „Free Ukraine" auf dem Rücken und einem ukrainischen Pass auf der Vorderseite. Vertrieben wurde das gute Stück vom Label 032c aus Berlin. Leider war es bereits nach der ersten Stunde komplett vergriffen. Deshalb sprang der Concept Store YME Universe aus Norwegen ein und produzierte weitere Statement-Shirts. Auch dieser Erlös in Höhe von 80 Euro pro Teil wurde zu 100 Prozent gespendet. Inzwischen sind weitere Label auf den Zug aufgesprungen und überall prangen „Friedens-Shirts" in den Stores. Wer jetzt im Sommer passend dazu noch eine Kopfbedeckung sucht, für den hat Ruslan Baginskiy genau das Richtige: ein schickes Cap in Gelb und Blau, den ukrainischen Nationalfarben. Das ukrainische Label hat ihre „Support Our Sky"-Kollektion speziell dazu entworfen, um zu Solidarität aufzurufen und Hoffnung zu verbreiten. 190 Dollar kostet ein Cap. Sämtliche Erlöse gehen an die gemeinnützige Organisation Serhiy Prytula Foundation. Diese unterstützt ukrainische Verteidigungskräfte. Einige Beispiele von Unzähligen, wie jeder mit dem Erwerb eines angesagten Fashion-Teils Unterstützung zeigen kann.
Farben der ukrainischen Flagge
Was viele Menschen hierzulande gar nicht wissen: Zwar ist die Modeindustrie in der Ukraine verhältnismäßig jung und doch inzwischen sehr groß, wie Modeexpertin Ana Varava in einem Interview mit „Style in Progress" erklärt. 1997 fand die erste Modewoche statt. Der Umsatz im Jahr 2021 betrug dann schon 825,7 Milliarden Dollar. Tendenz steigend. Wäre nicht der Krieg gekommen und mit ihm eine enorme Unsicherheit. Niemand wisse, wie es weitergeht. Viele Zulieferer- und Produktionsstätten sind nicht mehr existent. Designer und Label können dementsprechend nicht arbeiten. Umso wichtiger für viele ist jetzt die Unterstützung im Ausland. Wer nicht selbst flüchten kann, der verlegt den Vertrieb und die Anfertigungen so weit es geht in andere Länder.
In der Krise unterstützen
Wie Marianna Senchina, deren Kollektionen sich durch aufwendige Rüschen und verspielte Applikationen auszeichnen. Seit dem Krieg musste das Brand seine Produktion teilweise komplett einstellen. Mittlerweile ist man auf Iwano-Frankiwsk im Westen der Ukraine und Polen ausgewichen, um die Arbeiten fortsetzen zu können. Etwas weiter weg ging es für Tanja Fedoseeva, die Gründerin von „Aisenberg Denim". Sie flüchtete mit ihrer Familie nach Deutschland und steht seitdem mit ihrer Manufaktur in Odessa in Kontakt, um die Produktion ihrer Jeansmode nicht abreißen zu lassen. Es ist schwer geworden, aber gleichzeitig sehr eng zwischen den ukrainischen Modeschaffenden. Sie haben sich zusammengeschlossen, probieren den Verkauf über das Internet aufrechtzuerhalten, nicht zuletzt um die Mitarbeiter weiter bezahlen zu können. Hilfe erfahren sie dabei von allen Seiten, nicht nur von Kunden, sondern auch von Designern auf der ganzen Welt. Ein gutes Beispiel ist die Initiative „Bettter.Community". Gegründet von der ukrainischen ehemaligen Vogue-Modechefin und Stylistin Julie Pelipas versucht die Gemeinschaft, ukrainische Designer in der Krise zu unterstützen. So sollen die Kosten für Mitarbeiter und Materialien weiter gedeckt werden. Spenden machen dies möglich. Doch ganz gleich, für welchen Weg der Hilfe man sich auch entscheidet, ob durch den Kauf spezieller Entwürfe, eine Geld- oder Sachspende oder die Bestellung von Designs direkt aus der Ukraine, eines wird dadurch deutlich: Mode und Politik sind sich so nah wie noch nie und unabdingbar miteinander verbunden. Ein furchtbares Ereignis hat eine ganze Industrie zerrüttet, aber nicht die Hoffnung auf Frieden genommen. Damit das so bleibt, braucht es viele helfende Hände, positive Gedanken und Spenden.