Dominik Wlazny ist Arzt. Als Marco Pogo ist er Frontmann der Punkband Turbobier, Kabarettist und Vorsitzender der Bierpartei. Im Herbst will der 35-Jährige österreichischer Bundespräsident werden. Der wird in der Alpenrepublik anders als in Deutschland vom Volk direkt gewählt.
Die erste Runde geht an Dominik Wlazny. Als erster Kandidat hat er die 6.000 Unterschriften zusammen, die jeder Bewerber braucht, um am 9. Oktober in Österreich zur Wahl des Bundespräsidenten anzutreten. Das ist durchaus eine Leistung, denn Dominik Wlazny und sein Team haben lediglich zehn Tage gebraucht, um die mit Gemeindeamtsstempel beglaubigten Unterstützungserklärungen zu sammeln – seine Mitbewerber haben nun noch weitere 20 Tage Zeit, das Ziel ebenfalls zu erreichen. Anders als in Deutschland wird der Bundepräsident in Österreich nicht zwischen den Parteien in Hinterzimmern ausgehandelt, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt. Dass auch die nächste Runde, also die Wahl im Oktober, an Wlazny geht, glaubt in Österreich eigentlich niemand wirklich.
Das liegt unter anderem daran, dass der Kandidat zwar recht bekannt ist in der Alpenrepublik, aber eben nicht unter seinem Namen Dominik Wlazny. Unter seinem Künstlernamen Marco Pogo feiert der 35-Jährige Erfolge: Er ist Frontmann der zweimal mit dem wichtigsten österreichischen Musikpreis ausgezeichneten Punkband Turbobier, Kabarettist und Vorsitzender der Bierpartei. Für seine Karriere als Musiker hat er seinen Beruf als Arzt aufgegeben. Dass er nun in die Wiener Hofburg, den Sitz des Präsidenten will, liege daran, dass in Österreich mal richtig durchgelüftet werden müsse, sagt Marco Pogo. Außerdem sei es ja gut, wenn man bei so einer Wahl auch wirklich eine Wahl habe.
Die erste Hürde ist schon geschafft
Generell habe er ja „großen Respekt vor dem Amtsinhaber", sagt der Bierpartei-Chef. Aber der amtierende Präsident Alexander Van der Bellen, ein Grüner, zu dessen Gunsten Sozialdemokraten, Volkspartei und Liberale nun auf eigene Kandidaten verzichtet haben, hat seiner Meinung in einer entscheidenden Situation versagt. Er hätte auf den Tisch hauen müssen, der Herr Bundespräsident. Und er hätte es deutlich aussprechen sollen: „Jungs, die Party ist vorbei!" Dass er das nicht getan hat, als die sogenannte Ibiza-Affäre die rechtspopulistische FPÖ demaskiert und die Inseraten-Affäre die konservative Volkspartei in ein neues Licht gerückt hat, macht Marco Pogo dem 78-Jährigen zum Vorwurf.
In Umfragen liegt der Amtsinhaber recht stabil über 50 Prozent, Marco Pogo bei etwa zehn Prozent. Da sei für ihn noch Luft nach oben, findet der Bierpartei-Kandidat. Dass er aber jetzt schon ganz gut im Rennen ist, liege nicht daran, dass es in Österreich besonders viele Punkrock-Fans gebe, sondern daran, dass viele Menschen „die Nase voll haben vom Typus Politiker, wie wir ihn in Österreich sehen". 2019 hat der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache in einem heimlich auf Ibiza gefilmten Video unter anderem darüber schwadroniert, wie Gesetze zur Parteienfinanzierung umgangen und Medien übernommen werden können. Er musste nach Veröffentlichung des Videos als Vizekanzler zurücktreten. Die Koalition seiner Partei mit der konservativen ÖVP platzte. Die ÖVP regiert seit den Neuwahlen mit den Grünen.
Im vergangenen Jahr kam dann heraus, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft unter anderem gegen den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und einige seiner Vertrauten ermittelt. Der Vorwurf lautet: Das ÖVP-geführte Finanzministerium hat durch das Schalten von Inseraten Einfluss auf die Berichterstattung eines Medienkonzerns genommen. Der Deal sei gewesen: Geld aus der Staatskasse gegen die Veröffentlichung von Umfragen, die Sebastian Kurz in ein positives Licht rücken. Alles falsch, beteuerte der Kanzler, trat aber, wie auch sein Finanzminister, zurück.
Van der Bellen versuchte staatsmännisch zu verhindern, dass solche Vorkommnisse das Vertrauen in die Politik generell erschüttern. „Manchmal kommen sie von ihrem Weg ab, überschreiten Grenzen, verletzen Menschen, zerstören Vertrauen", sagte der Präsident zum Beispiel nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Mit „sie" meinte er Politiker.
„Österreich ist so viel mehr als Ibiza und Inserate", findet auch Marco Pogo. Aber: „Dieses Land ist erschöpft und ausgelaugt von den politischen Geschehnissen der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre." Es sei Zeit für einen Bruch. Das sehen die Parlamentsparteien anders. Sie unterstützen Van der Bellen. Bis auf die extrem rechte FPÖ. Sie hat den Volksanwalt Walter Rosenkranz nominiert, der lange für die Partei im Nationalrat saß.
Social Media statt teure Wahlwerbung
Die aus drei Personen bestehende Volksanwaltschaft ist ein Gremium, an das sich Bürger wenden können, wenn sie Probleme mit Verwaltungsstellen haben. Auch der Rechtspopulist Gerald Grosz und Michael Brunner, der Vorsitzende der Impfgegner-Partei „Menschen Freiheit Grundrechte", die im vergangenen Jahr den Einzug in den oberösterreichischen Landtag geschafft hat, treten an. Chancen auf den Wahlzettel zu kommen haben außerdem der Rechtsanwalt und Kolumnist der mächtigen „Kronen Zeitung", Tassilo Wallentin, und Heinrich Staudinger, der Gründer einer Ladenkette für ökologische Kleidung und Möbel.
Marco Pogo ist das Gegenteil eines Politikers, der wie einige seiner Gegenkandidaten am rechten Rand und bei Impfgegnern Stimmen fischen will. Vor einem seiner Konzerte hat der Arzt schon mal selbst Fans geimpft. Und mit ausländerfeindlichen Sprüchen kann er überhaupt nichts anfangen. „In meinem Österreich ist immer noch Platz auf der Bierbank", versichert er. Die Bierpartei sei die „progressive Kraft" in Österreich, denn: „Die Mitte ist auch an der Bar der Platz, an dem man am nächsten am Zapfhahn ist."
Auch wenn das, was er sagt, humorvoll formuliert ist, als Spaßpartei sieht Marco Pogo seine 2015 gegründete Bierpartei längst nicht mehr. Bei der letzten Kommunalwahl hat die Partei Mandate in elf der 23 Wiener Bezirksversammlungen errungen. Die Forderung nach Bierbrunnen in der Stadt mag da geholfen haben. In den Bezirken merken die Leute aber, dass die Bierpartei „auch vernünftige Sachen macht". Da geht es dann zum Beispiel darum, freie Gewerberäume Musikern und anderen Künstlern zur Verfügung zu stellen, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen, öffentliche Bücherschränke einzurichten, die Stadt für Fußgänger und Radfahrer sicherer zu machen.
Auch Menschen, die seine Musik sicher nicht mögen, kommen auf ihn zu und sagen: „Ich finde gut, was du da machst." Das liege vielleicht auch daran, „dass es authentischer ist, sich mit einer Lederjacke in eine Talkshow zu setzen als mit einem Slim-Fit-Anzug", vermutet Marco Pogo. Und in Talkshows sitzt der Vorsitzende der Bierpartei verhältnismäßig oft. Aber reicht das, um Bundespräsident zu werden? Sieht er überhaupt den Hauch einer Chance?
„Ich war nie Präsident, aber wenn man mit Herz, Verstand und Anstand da reingeht und sich mit guten Leuten umgibt, dann geht das", sagt der Kandidat. Geld für den Wahlkampf hat er keins. Bei der Wien-Wahl habe es gerade gereicht, die städtischen Gebühren für das Aufstellen von 13 Wahlständen zu bezahlen. Aber die Partei habe rund 1.000 Mitglieder und viele Sympathisanten. Mit ihnen will er vor allem einen Wahlkampf im Internet führen. „Social Media und Videos drehen, das ist das, was ich kann", erklärt er. Dass jeder, auch der amtierende Präsident, im ersten Schritt 6.000 Unterschriften sammeln muss, findet er gut, „denn sonst könnte ja jeder hergelaufene Punk kandidieren".