Sommer, Sonne satt in diesem Jahr – eine Katastrophe für viele Landwirte. Die Grünen plädieren deshalb für einen grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft. Und der muss auf vielen Ebenen stattfinden. Daran forschen auch Wissenschaftler.
Die „Bild" feiert den diesjährigen Rekordsommer bereits mit lachenden Menschen am Strand als Aufmacherfoto. Zu lachen ist vielen Landwirtinnen und Landwirten jedoch keineswegs zumute.
Laut dem diesjährigen Erntebericht des Deutschen Bauernverbandes kam Deutschland bei zahlreichen Sorten wie Wintergerste noch einmal mit einem „blauen Auge" davon. Auch die Erträge von Raps seien zufriedenstellend. Der Weizen aber ist das Sorgenkind. Hier blieben sowohl Ertrag als auch Qualität in diesem Jahr weit hinter den Erwartungen zurück, Ähnliches deutet sich bei Mais an, der gerade geerntet wird.
Angesichts zunehmend trockener Sommer plädieren die Grünen nun für eine Umstellung von Forst- und Landwirtschaft. Wenn Wasser im Überfluss vorhanden sei, müsse es länger in der Landschaft bewahrt werden und die Bildung von Grundwasser gefördert werden, steht in einem Konzept, das der Grünen-Bundesvorstand bei seiner Klausur in Laatzen bei Hannover beschlossen hat. In Niedersachsen wird am 9. Oktober ein neuer Landtag gewählt.
Sorge um Weizen und Mais
Hintergrund für das Papier ist die aktuelle Dürre. Die Temperatur in Deutschland ist laut Deutschem Wetterdienst seit dem Beginn umfassender Aufzeichnungen 1881 um 1,6 Grad im Jahresmittel gestiegen. Hitzeperioden und Trockenphasen wie im aktuellen Sommer haben zugenommen. Und es gab starke regionale Unterschiede: Während das Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen laut DWD eine „historische Sommerdürre" meldeten, fielen an den Alpen mehr als 500 Liter pro Quadratmeter.
„Mit Blick auf die künftig begrenzten Wasserressourcen und Nutzungskonkurrenzen kann die Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen keine Alternative zum Anbau standortangepasster Nutzpflanzenarten und -sorten sein", heißt es nun in dem Grünen-Papier. Wo Bewässerung im Einzelfall erforderlich sei, brauche es effiziente Technik. Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Anpassung der Pflanzenproduktion an die Folgen des Klimawandels wollen die Grünen laut Entwurf fördern.
Für bahnbrechende Innovationen ist die Landwirtschaft auf den ersten Blick nicht bekannt, und doch wird sie sich in den kommenden Jahrzehnten darauf einstellen müssen: Start-ups arbeiten bereits heute daran, die Landwirtschaft von morgen zu beeinflussen. Nicht nur durch eine voranschreitende Digitalisierung: Auch Biotechnologie soll ihren Beitrag dazu leisten, Pflanzen resistenter gegen Schäden und widerstandsfähiger gegen Dürren zu machen. Andere Bewässerungsmethoden, andere Anbautechniken wie die Fruchtfolgen oder resistentere Pflanzen könnten in den kommenden Jahrzehnten dazu beitragen, diese Ausfälle abzumildern. Biotechnologische Start-ups weltweit und in Deutschland arbeiten daran, dass Pflanzen zum Beispiel längere Wurzeln ausbilden, um an tieferliegendes Wasser zu gelangen, an Enzymen, die gegen Wassermangel schützen, an natürlichen Herbiziden, damit der Einsatz der chemischen Keule auf den Feldern verringert wird.
Neue Züchtungen aber benötigen Zeit, die Wissenschaft spricht von etwa acht bis zehn Jahren, die Pflanzen von der ersten Züchtung bis hin zum erlaubten Einsatz auf dem Acker brauchen. Gentechnik sei da auch kein Beschleuniger, da der Ertrag einer Pflanze von einer Vielzahl von Faktoren, zahlreichen Chromosomen, aber auch nicht beeinflussbaren Umwelteinflüssen wie Niederschlägen abhänge, sagt Andreas Stahl, Leiter des Instituts für Resistenzforschung und Stresstoleranz am Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Quedlinburg. Trockenstress ist ein komplexes Phänomen, denn die Pflanze muss nicht nur mit unterschiedlich langen Trockenperioden, sondern unter Umständen auch mit Starkregenereignissen zurechtkommen.
Hilft da mehr Wasser? In Deutschland wird nur ein geringer Teil der Anbaufläche gewässert, sprich, bislang verließ sich die Landwirtschaft auf genügend Regenwasser. Katrin Drastig, Leiterin der Arbeitsgruppe Wasserproduktivität in der Landwirtschaft am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam, plädiert dafür, mit der gleichen Menge mehr Ertrag zu generieren. Dafür müsse jedoch die Bewässerung in Deutschland optimiert werden: hinsichtlich der eingesetzten Systeme, der dafür verwendeten Energie und der Arbeitskraft, die benötigt wird, um die Bewässerungssysteme zu steuern. Es gehe, so die Wissenschaftlerin, um die Wasserproduktivität, also darum, dass möglichst viel Ertrag pro eingesetztem Liter Wasser erwirtschaftet werde.
Entscheidend sei aber, nicht nur auf ein einziges Risiko hinzuarbeiten. „Wir müssen auch über so was wie Agroforst nachdenken oder die Erhöhung von Bodenkohlenstoff, einfach um eine gewisse Pufferwirkung zu haben, nämlich gerade dann, wenn wir nicht genau wissen: Wird es trockener oder wird es nasser?", sagt Professor Christoph Gornott, Leiter der Arbeitsgruppe Anpassung in Agrarsystemen, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Agroforst, der Bewuchs der Felder auch mit Bäumen, ist jedoch in seiner Wirkung umstritten. Als Vorteile gelten eine geringere Wasserverdunstung, geringere Bodenerosion und besserer Grundwasser- und Klimaschutz. Ob die Verdunstung jedoch tatsächlich geringer ist, bleibt bislang noch unklar. Versuche von deutschen Landwirtinnen und Landwirten laufen bereits.
Biotechnologie und Bewässerungen
Kaum umstritten ist jedoch die Bedeutung der Fruchtfolge: Damit der Boden nicht ausgelaugt wird, sollte die gleiche Fläche nicht jede Saison mit den gleichen Getreidearten bebaut werden, sondern auch mit anderen Feldfrüchten. In diesem Zusammenhang taucht in der Diskussion auch immer die Hirse als Alternative auf – eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, die auch mit nährstoffarmen und trockenen Böden zurechtkommt. Erhält sie kein Wasser, stellt sie einfach das Wachstum ein, um erst weiterzuwachsen, wenn wieder Wasser vorhanden ist.
Wer künftig klimaresilient anbauen wolle, der müsse auf zahlreiche Faktoren achten, so Andreas Stahl. „Die zeitnahen Anpassungen liegen natürlich mehr im Bereich des Pflanzenbaus, in der Fruchtfolgegestaltung und dem pflanzenbaulichen Management." Darüber hinaus aber gebe es politische Schwierigkeiten für die Landwirte: „Das Glyphosatverbot ist in Hinblick auf reduzierte Bodenbearbeitung eben wirklich ein Problem", sagt Professor Henning Kage, Leiter der Arbeitsgruppe Acker- und Pflanzenbau und Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Wir brauchen aber auf der anderen Seite eben tatsächlich diese Systeme, um in einigen Regionen unsere Anbausysteme trockenstressresilienter zu machen. Und da ist eben die Verminderung der unproduktiven Bodenverdunstung durch pfluglose Bodenbearbeitung schon auch ein wichtiges Instrument." Die Anpassung an die klimatischen Veränderungen jedoch habe Grenzen, so Professor Gornott. Wo sie nicht greife, seien Risikotransfers wie Agrarversicherungen angebracht.
Die Landwirtschaft wird sich künftig auch in Deutschland auf längere Trockenperioden und intensive Regengüsse einstellen müssen – per „Smart Farming" einerseits, aber auch im Umgang mit den Pflanzen und dem Boden. Da sind sich alle Experten einig.