Die EU-Kommission hat angepasste Corona-Impfstoffe zugelassen. Vor der erwarteten Herbstwelle geht es jetzt um Auffrischung und Erhöhung der Impfquoten. Deutschland hat weiter Aufholbedarf.
Lange angekündigt, jetzt zugelassen und seit wenigen Tagen ausgeliefert: Die an die Omikron-Variante angepassten Corona-Impfstoffe stehen nun doch etwas früher zur Verfügung als zuletzt vermutet und spekuliert wurde.
Der Expertenrat der Europäischen Arzneimittelagentur Ema hat die lange angekündigten und erwarteten modifizierten mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna empfohlen und die EU-Kommission daraufhin die formale Zulassung beschlossen. Kurz darauf wurde auch der Impfstoff von Valneva zugelassen, ein klassischer Totimpfstoff.
Die Entwicklungen waren mit Auftauchen der Omikron-Variante zu Beginn des Jahres angekündigt worden. Die Produktion war bereits in Erwartung einer Zulassung angelaufen, sodass eine Auslieferung unmittelbar nach der Zulassungsentscheidung beginnen konnte.
Zu Beginn des Jahres hatte Omikron zu einer weiteren schweren Welle der Pandemie geführt. Das Tückische an dieser Variante war die rasante Verbreitung mit entsprechend hohen Inzidenzzahlen. Wie durchaus nicht selten bei Virusvarianten war Omikron zwar deutlich ansteckender als die Vorgänger, allerdings waren die Verläufe in der Regel deutlich milder. Das dürfte allerdings auch damit zusammenhängen, dass inzwischen doch ein beträchtlicher Anteil von Menschen geimpft und teilweise auch geboostert ist.
Dass die Impfquote in Deutschland nicht gerade für einen Spitzenplatz im internationalen Vergleich reicht, ist längst bekannt. Daran habe auch die letzten Monate mit der ersten Corona-Sommerwelle nichts geändert. Zwar stieg die Zahl der Menschen mit Auffrischungs-, also Booster-Impfungen, ansonsten herrschte praktisch Stillstand.
Vermutet wurde, dass nicht wenige eben darauf warteten, bis die angekündigten angepassten Impfstoffe zur Verfügung stehen. Das ist nun seit Anfang September der Fall. Dass das einen neuen Impfboom ausgelöst hätte, war in den ersten Tagen nicht signifikant feststellbar.
Stattdessen beherrschte weiterhin das Ringen um ein neues Infektionsschutzgesetz die öffentliche Debatte. Die zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) ausgehandelte Vorlage beinhaltete zuletzt noch einmal einige Korrekturen am ursprünglichen Entwurf. Der hatte durch vorgesehene Ausnahmeregelungen für Schutzmaßnahmen für Verwirrung und Kritik gesorgt. Die endgültige Entscheidung sollte der Bundestag zu der Zeit treffen, in der diese Ausgabe von FORUM gerade gedruckt wird. Das ist dann sozusagen auf den letzten Drücker, denn das bisherige Infektionsschutzgesetz läuft in diesen Tagen aus.
Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten als Vorbereitung in Erwartung einer neuen Herbstwelle neue Impfkampagnen angekündigt. Deren Vorbereitung habe sich aber aus unterschiedlichen Gründen als schwierig erwiesen. Einer davon war, dass eben lange unklar war, ab wann die angekündigten modifizierten Impfstoffe zugelassen sein würden. Darüber besteht nun Klarheit. Zumindest was die aktuellen Zulassungen betrifft.
Die beziehen sich auf Impfstoffe, die auf der Basis der BA.1-Subvarianten von Omikron entwickelt wurden. Dabei hat es das Virus aber nicht belassen. Inzwischen hat sich die BA.5 genannte Subvariante durchgesetzt. Dass Viren diesbezüglich sehr aktiv sind, ist bekannt. Je verbreiteter ein Virus, umso schneller können sich auch neue Varianten und Subvarianten bilden und durchsetzen. Bei der Sommerwelle mit exorbitant hohen Infektionszahlen war die Entwicklung also zu erwarten.
Experten empfehlen Boostern ab 60
Die Sorge, dass damit die an BA.1 angepassten Impfstoffe überholt und nutzlos seien, ist allerdings nach bisherigem Stand unberechtigt. Bei Vergleichsstudien habe sich gezeigt, dass mit dem neuen Präparat deutlich mehr Antikörper gegen die Omikron-Variante gebildet wurden, wird der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, zitiert. Das gelte übrigens für Junge, Alte und Genesene. Zwar gilt auch bei der Weiterentwicklung, dass es keinen umfassenden Schutz gegen eine Ansteckung gibt, aber einen signifikanten Schutz vor Erkrankungen, insbesondere schweren Verläufen. Watzl meint daher: Wer über 60 sei und mit der Booster-Impfung noch gewartet hat, für den sei jetzt die richtige Zeit. Nach Empfehlung der Stiko sollte eine zweite Booster-Impfung frühestens sechs Monate nach dem ersten Boostern erfolgen.
Das zeigt eine weitere Schwierigkeit für eine neuerliche konzentrierte Impfkampagne. Bei den ersten Impfungen ging es vor allem darum, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu impfen. Einen vergleichbar festen Zeitpunkt gibt es nun nicht mehr, denn der hängt für Booster-Impfungen individuell davon ab, wann die letzte Impfung erfolgt ist.
Unabhängig davon ist der Anteil der Menschen, die sich noch gar nicht haben impfen lassen, nach wie vor vergleichsweise hoch. Zum Stichtag 1. September hatten 76,3 Prozent der Bevölkerung eine Grundimmunisierung, 62 Prozent mindestens eine Auffrischungsimpfung. Damit sind weiterhin 17,3 Prozent der Bevölkerung ohne Impfung (knapp fünf Prozent Kinder bis vier Jahre, für die kein Impfstoff zugelassen ist, nicht eingerechnet). In den letzten Monaten hat sich bei der Erst- und Zweitimpfung, also der Grundimmunisierung, kaum etwas bewegt.
Die EU-Kommission hat nach Zulassung der neuen Impfstoffe die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Impflücken zu schließen. Deutschland hätte da noch einiges nachzuarbeiten, denn mit 17,3 Prozent Ungeimpften liegt es deutlich über dem europaweiten Durchschnitt von 14,1 Prozent.
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides drängt auf eine Erhöhung der Impfquote, um einen Anstieg schwerer Covid-19-Fälle zu verhindern. Dazu komme, dass neben einer möglichen Corona-Herbstwelle auch mit einem Anstieg anderer Atemwegsinfektionen zu rechnen sei. Die Folge könnte erneut eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems sein.
Während der Sommerwelle war zu sehen, dass eine solche Überlastung weniger aus einer großen Zahl von Corona-Patienten zu befürchten war, sondern eher durch den Ausfall von Personal, das an dem Virus erkrankt war.
An einer ausreichenden Zahl von Impfdosen dürfte es diesmal jedenfalls nicht liegen. 14 Millionen Dosen des angepassten Impfstoffs sollten unmittelbar nach Zulassung ausgeliefert werden. Ärztepräsident Klaus Reinhrardt erklärte, die Praxen seien auf eine größere Nachfrage nach dem neuen Impfstoff vorbereitet. Er riet Menschen über 60 sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder Immunschwächen dazu, die Angebote wahrzunehmen.
Gleichzeitig ist die Forschung der Entwicklung des Virus weiter auf den Fersen. Anpassungen an die BA.5-Variante sind entwickelt und zur Zulassung eingereicht. Die könnte möglicherweise dann auch schon in wenigen Wochen erfolgen.
Es gibt also keinen Mangel mehr an Impfstoffen, dafür bleibt der Mangel an Impfbereiten. Zu erwarten ist, dass von den neuen Angeboten vor allem von denen Gebrauch gemacht wird, die bisher auch impfbereit waren, also bereits eine Grundimmunisierung oder erste Auffrischungsimpfung haben. Die noch Ungeimpften zu überzeugen bleibt eine Herausforderung. Zum Teil wird das durch gezielte mobile Aktionen in Quartieren gelingen können, die bereits vielerorts in Vorbereitung sind.