Mehrfacher Deutscher Meister und nun sogar Europameister am Boden: Der Saarländer Daniel Mousichidis ist das Toptalent im deutschen Turnsport. Auch mathematisch und sprachlich ist der Sohn russisch-kasachischer Eltern mit griechischem Einschlag talentiert.
Daniel Mousichidis ist ein Multitalent. Nicht nur im Turnen, seiner großen Leidenschaft. Das Talent von Bundesligist TG Saar sicherte sich bei den Deutschen Jugendmeisterschaften Anfang Juli in Goslar unter anderem den begehrten Meistertitel im Mehrkampf der 17- und 18-Jährigen. Vor seinen Mannschaftskollegen Gabriel Eichhorn (zweiter Platz) und Maxim Kovalenko (dritter Platz). Und dies nur eine Woche nach seinem 17. Geburtstag.
Darüber hinaus holte Mousichidis in den Einzelwertungen weitere fünf (!) Goldmedaillen und avancierte zum herausragenden Akteur der Meisterschaften. Wenige Tage später wurde Mousichidis in München sogar Jugend-Europameister am Boden und holte sich am Reck die Bronzemedaille. Mit der deutschen Nationalmannschaft landete er in der Mannschaftswertung auf dem fünften Platz. Schon beim European Youth Olympic Festival, das Ende Juli in Banská Bystrica (Slowakei) stattfand, belegte Mousichidis an der Seite von Kovalenko und dem Frankfurter Jukka Nissinen den fünften Platz.
Die Mutter gab den Ausschlag
„Meine Mama wollte, dass ich mich mit irgendwas beschäftige und nicht nur zu Hause rumsitze", erinnert sich Daniel Mousichidis, der in seinem Heimatort beim TV Schwalbach im Kinderturnen angefangen hatte: „Mein Grundschul-Freund Moritz Steinmetz hat mir dann vorgeschlagen, Turnen an der Sportschule auszuprobieren." Schon im ersten Probetraining erkannten die Verantwortlichen das Potenzial des Schwalbachers, und seither trainiert er nicht mehr im Verein, sondern nur noch unter Landestrainer Waldemar Eichorn an der Landessportschule. Es folgte der Wechsel zur TG Saar, zunächst ins Nachwuchs-Bundesligateam und vergangenes Jahr in die Bundesliga-Mannschaft der Herren. Nun ist er Jugend-Europameister.
Das sportliche Talent hat Daniel Mousichidis von seinen Eltern gelernt. Seine Mutter Valentina war Eiskunstläuferin, Vater Vladimir Ringer. Eiskunstlauf hatte er zum Spaß im Rahmen eines Trainings seiner Mutter mal ausprobiert, Ringen war „nie so meins", gibt Daniel zu. Seine Faszination galt und gilt dem Turnen. „Mir gefällt vor allem die Vielfältigkeit. Es gibt so viel zu machen: So viele Geräte und Elemente an allen Geräten – das macht mir einfach Spaß", beschreibt er seine Leidenschaft und gibt zu: „Ich mag auch das Gefühl, bei Übungen am Boden oder auf dem Trampolin durch die Luft zu fliegen und trotzdem die Kontrolle zu behalten." Auch Daniels Brüder Konstantinos, der in Goslar Deutscher Jugendmeister am Pauschenpferd und 14. im Mehrkampf in der Altersklasse 13/14 Jahre wurde, und Alexios (Altersklasse 11/12) turnen an der Landesportschule. Dass er an Pferd, Boden und Reck seine Stärken hat und an den Ringen und beim Sprung noch Luft nach oben, weiß Daniel Mousichidis. Er weiß aber auch: „Ich brauche recht lange, um neue Sachen zu lernen. Aber zu meinen Stärken gehört, dass ich dranbleibe und ohne Probleme länger trainieren kann, um diese neuen Dinge länger zu üben – bis alles zusammenpasst."
Reflektiert, geduldig und fokussiert geht der junge Mann seine nächsten Ziele an. Zunächst einmal möchte er seine zweite Saison in der Herren-Bundesligamannschaft der TG Saar dazu nutzen, um neue Elemente in die Übungen einzubauen und die starken Elemente zu stabilisieren. „Weil wir schon zweimal verloren haben, wird es dieses Jahr schwierig, doch noch ins Finale einzuziehen. Von daher freue ich mich schon umso mehr auf die nächste Saison, wenn es wieder bei null losgeht", sagt der 17-Jährige, der auf einen möglichst reibungslosen Übergang in die nächsthöhere Altersklasse im Juniorenbereich und auf die Qualifikation für die Junioren-WM hofft. Diese könnte der erste Schritt in Richtung Paris sein, wo 2024 die Olympischen Spiele ausgetragen werden. „Da müssen wir aber noch schauen, ob das klappen kann oder ob es noch zu schwer ist", betont Mousichidis. Mit „wir" meint er neben sich selbst und seinem Trainer auch seinen gleichalten Trainings- und Mannschaftskamerad Maxim Kovalenko. Einerseits sind die beiden Teenager Freunde, andererseits aber auch Konkurrenten. Diese Ausgangslage nutzen sie, um sich gegenseitig zu motivieren. „Wir unterstützen uns gegenseitig und fordern uns heraus. Wenn der andere etwas schafft, will man es auch unbedingt schaffen. Zusammen macht es auch einfach mehr Spaß", findet Mousichidis, der seinen Europameister-Titel übrigens einem Patzer Kovalenkos zu verdanken hat. Im Boden-Finale stürzte dieser nämlich – und zwar nicht bei einem anspruchsvollen Element, sondern beim „in die Ecke gehen" zwischen zwei Elementen. Kovalenko, der sich mit der höchsten Vornote als Bester für das Finale qualifizierte, lag bis dahin auf Goldkurs. Statt eines saarländischen Doppelerfolgs wurde er letztlich Achter und bescherte Mousichidis statt der silbernen die goldene Medaille.
Kombiniert Schulbesuch mit Leistungssport
Für immer neue Anreize sorgt seit vielen Jahren Landestrainer Waldemar Eichorn, mit dem er schon lange zusammenarbeitet: „Mit der Zeit lernt man sich immer besser kennen und weiß, wie man mit dem jeweils anderen umgehen muss", sagt Mousichidis und findet es „wirklich wichtig, dass wir uns gegenseitig vertrauen und offen sagen können, was wir denken. Als ehemaliger Topturner weiß er immer, von was er spricht. Wir passen einfach gut zusammen."
Ebenfalls gut zusammen passt bei Daniel Mousichidis auch die Kombination aus Leistungssport und Schule. Als Schüler des Sportgymnasiums am Rotenbühl in Saarbrücken ist beides ideal aufeinander abgestimmt, auch die Noten stimmen zu Beginn seines letzten Schuljahres. Vor allem in seinem Lieblingsfach Mathematik, das er nach dem Abi studieren möchte. Der deutsche Jugend-Meister im Mehrkampf und Jugend-Europameister am Boden ist allerdings auch außerhalb der Turnhalle gleich mehrfach veranlagt. Das liegt auch an seinen Wurzeln: Seine Mutter wurde in Kasachstan geboren, der Vater in Russland. Beide lernten sich in Russland kennen und zogen zuerst nach Griechenland und dann nach Deutschland, wo ihr Sohn Daniel 2005 geboren wurde. „Beide haben jeweils einen griechischen und einen russischen Elternteil", erklärt Mousichidis junior: „Deshalb bin ich zu einem Teil Grieche, Russe und Deutscher." Was dem einen oder anderen Probleme bereitet, nimmt er interessiert gelassen und mit Humor: „Ich finde es spannend und bin immer wieder amüsiert, wenn andere Leute erstaunt sind, dass ich ihre Sprache sprechen kann", sagt er und lacht. Zu Hause lernte er neben Deutsch auch Russisch und Griechisch. In der Schule kamen Englisch- und Französischkenntnisse hinzu. Nur in der saarländischen Mundart gibt es noch Defizite. Trotzdem: Ruft man sich das große sportliche und das mathematische Talent in Erinnerung, wird klar: Daniel Mousichidis ist ein echtes Multitalent.