Kochtutorials im Internet gibt es viele, aber nur wenige haben einen solchen Charme wie der Youtube-Kanal „Pasta Grannies". Die liebevoll gemachten Kurzvideos über echte italienische Nonnas und deren traditionelle Lieblingsrezepte haben einen regelrechten Suchtfaktor.
in den 1980er- und 90er-Jahren stand im heimischen TV „Mamma Miracoli" Patin für den Werbesport des gleichnamigen Produkts. Nun hat ein Fertigessen nicht wirklich etwas mit gutem und gesundem Essen zu tun. Aber mal ehrlich: Wer an leckeres italienisches Essen in Bella Italia denkt, hat doch unweigerlich wie im Werbespot das Bild der Großmutter vor Augen, die vor einem riesigen Topf mit Nudeln steht und nebenbei die leicht vor sich hin blubbernde Sauce im Topf daneben umrührt, die sie für die ganze Familie kocht. Natürlich nach uraltem Rezept, das schon seit Generationen von der Mutter an die Tochter weitergegeben wird.
Die Rezepte werden ganz nebenbei geliefert
Zugegeben, es ist ein Bild, das eigentlich nicht mehr in unsere Zeit passt, denn es transportiert stereotype Vorstellungen von der Mamma am Herd, die längst an der Lebenswirklichkeit unserer Zeit vorbeigehen. Und doch war es über viele Generationen genau so, und der Wissens- und Erfahrungsschatz wurde tatsächlich von Generation zu Generation weitergegeben. Durch den Zeitenwandel droht dieses Wissen um althergebrachte, traditionelle Gerichte nun nach und verloren zu gehen.
Damit dies nicht geschieht, widmet sich Vicky Bennison seit 2014 einem ganz besonderen Projekt. Die Britin, die mit ihrem Mann Billy wechselweise in London und in Italien lebt, porträtiert seit acht Jahren in ihrem Youtube-Kanal „Pasta Grannies" typische italienische Nonnas. Großmütter, die meisten weit über 80 Jahre, viele über 90 und manch eine sogar bereits mehr als 100 Jahre alt. In kurzen Videos in englischer Sprache, die meisten fünf bis zehn Minuten lang, lässt Bennison die älteren Damen ihre Lieblingsrezepte kochen, schaut ihnen dabei auf die Finger und animiert die Betrachter so, die uralten Familienrezepte selbst einmal nachzukochen.
Der Kanal „Pasta Grannies", der mittlerweile 885.000 feste Abonnenten hat, die regelmäßig der nächsten Folge entgegenfiebern, ist eine echte Perle unter den zahlreichen Koch-Tutorials, die man so im Netz findet. Da ist beispielsweise die 101 Jahre alte Rosina, die eine schier unglaubliche Energie ausstrahlt und mindestens 30 Jahre jünger wirkt, wenn sie die Zutaten für ihre Pasta-Suppe im eigenen Garten erntet. Es ist dieser schelmische Humor, der einen sofort in seinen Bann zieht, wenn Nonna Rosina Bennisons Fragen beantwortet, während sie – ganz nach Gefühl und ohne jede Waage – die Zutaten für ihren Nudelteig zusammenmengt. Auf die Frage, wie alt sie sei, antwortet sie mit einem kokettierenden Blick: „Sagen wir mal 18, denn ich bin ja bereits erwachsen, und mit 18 ist man doch erwachsen, oder?"
Und dann erzählt sie, dass sie das Rezept so bereits seit fast 90 Jahren mache, dass sie es erstmals mit zwölf Jahren gemacht habe, als ihre Mutter ins Krankenhaus kam und sie in der Küche einspringen musste. Klar, dass man mit 90 Jahren Erfahrung keinerlei Messbecher oder Waage mehr benötigt. Während ein Teil der frisch gemachten Nudeln bereits in der Suppe zieht, brät sie die restlichen mit reichlich Speck in der Pfanne an, um das Ganze anschließend ebenfalls in die Suppe zu geben. Und dann erklärt sie in ihrer schelmischen Art, warum sie das Gericht „Taccu con lo zí" nennt, denn das „zí" stehe für das zischende Geräusch, dass die Nudeln und der Speck machen, wenn sie in die Suppe kommen.
Es ist die lockere Art und Weise, die die Faszination der stets mit Musik unterlegten Videos ausmachen. Auch wenn es eigentlich um die traditionellen alten Rezepte geht, stellt Vicky Bennison stets die älteren Damen in den Mittelpunkt und vermittelt die Rezepte für die gezeigten Gerichte ganz nebenher. So erfahren wir von der 87 Jahre alten Ottavia Congiu, die im Südwesten Sardiniens lebt, nicht nur, wie sie Culurgiones – eine Art sardische Ravioli-ähnliche gefüllte Nudel – mit Kartoffel-Käse-Füllung macht. Wir dürfen ihr auch zuschauen, wie sie auf einem alten Webstuhl ihrem Hobby nachgeht und traditionelle sardische Stoffe webt, erfahren etwas über ihre Familiengeschichte und ihr ganz spezielles Teigrollmesser, das schon ihre Großmutter benutzte. Es sind diese kleinen aber feinen, liebevoll erzählten Nebensächlichkeiten, die die Geschichten so interessant und rund machen.
Bislang 441 Videos und auch ein Kochbuch
„Ich habe es immer auf meine Weise gemacht", erzählt Ottavia Congiu, „und habe mich nie danach gerichtet, was andere gesagt haben." Sie habe alle Dinge in ihrem Leben stets auf ihre Weise gemacht, fügt sie stolz hinzu. So schwöre sie etwa nur auf Ziegenmilch, die sie gern trinke und entsprechend auch den Käse als Zutat für ihre Füllung daraus mache. Wie die oben erwähnte Rosina hat auch Ottavia ihr Rezept von ihrer Mutter überliefert bekommen. Ganz so, wie es schon immer Tradition war.
Die kleinen Videos machen unglaublich viel Spaß, und kaum ist das eine zu Ende, will man das nächste schauen. Und noch eines. Und noch eines. Also Vorsicht: Das Ganze hat Suchtcharakter, und bislang bietet der Kanal bereits satte 441 Videos – also jede Menge leckere italienische Rezepte für die nächsten Jahre zum Nachkochen. Seit zwei Jahren gibt es viele der Rezepte auch als 256 Seiten starkes Buch von Vicky Bennison zum Nachlesen und Nachkochen, erschienen unter dem Titel „Pasta Tradizionale –
Die Originalrezepte aus ganz Italien: Das geheime Wissen der Pasta Grannies", im EMF Verlag.
Die Idee zu diesem Text ist übrigens unserem Berliner Fotografen Emmanuele Contini zu verdanken, der unsere Gastro-Expertin Ute Schirmack regelmäßig auf ihren Terminen für unsere Berliner Ausgabe begleitet und Woche für Woche atemberaubend tolle Bilder zu den nicht weniger genialen Texten unserer Autorin liefert. Als gebürtiger Italiener weiß er natürlich am besten, dass es nirgendwo so gut schmeckt wie bei Nonna, der klassischen italienischen Oma. Für eine gute Pasta braucht man eben neben besten Zutaten auch viel Erfahrung und vor allem jede Menge Liebe. Also genau das, was die „Pasta Grannies" ausmacht.