Heather Nova gilt als Vorreiterin einer ganzen Singer-Songwriter-Generation. Auf ihrer ersten Coverplatte „Other Shores" versteht sie zu überraschen, indem sie den Kern der Songs freilegt. Mit der Sängerin und Gitarristin sprachen wir über ihre Kindheit auf einem Segelboot, ihre erste Solo-Tournee und das Leben in einem verlorenen Paradies.
Mrs. Nova, Ihre Heimat Bermuda ist weg vom Krieg in Europa. Haben Sie manchmal das Gefühl, in einem Inselparadies zu leben?
Ich denke, dieser Krieg betrifft die ganze Welt, mehr noch als Covid-19. Covid war für mich persönlich eine Zeit der Isolation, und damit konnte ich leben. Es war in gewisser Weise hart, dass ich nicht auf Tournee gehen konnte, aber ich war in der Lage zu überleben. Ich hatte das Gefühl, dass wir das abwarten müssen. Aber dieser Krieg hat mich in eine tiefe Traurigkeit versetzt. Wie sind wir nur so weit gekommen? Und auch wegen des Klimawandels bin ich ziemlich entmutigt.
Fällt es Ihnen in diesen Zeiten schwer, optimistisch zu sein?
Ja, manchmal. Aber alles, was wir als Menschen im Kleinen tun können, ist, den Menschen um uns herum die beste Energie, Positivität und Liebe zu geben. Und natürlich können wir in einem größeren Rahmen humanitär tätig sein oder Geld spenden. Vor allem, wenn man ein Kind hat, darf man die Hoffnung auf die Zukunft nicht aufgeben. Aber es ist momentan schon eine Herausforderung für uns alle.
Sind die Sommer bei Ihnen eigentlich sehr heiß?
Ja, große Hitze ist normal für Bermuda. Nun ist es aber so, dass der Klimawandel zur Folge hat, dass es bei uns in Zukunft kälter werden wird. Das liegt am schwächelnden Golfstrom, der das geschmolzene Eis der Polkappen zu uns bringt.
Ist der Klimawandel ein großes Thema bei Ihnen?
Ich habe das Gefühl, im Alltag der Menschen ist er es nicht, weil man die Auswirkungen noch nicht genug zu spüren bekommt. Nichtsdestotrotz stellt er ja ein globales Problem dar. Dann, wenn der Klimawandel sich bei jedem von uns bemerkbar macht, wird es definitiv zu spät sein. Leider.
Auf „Other Shores" interpretieren Sie Songs von John Lennon, Rod Stewart, Rick Astley, den Pixies, den Bee Gees oder Foreigner. Wie viel Aufwand stecken Sie in ein Coveralbum?
Das Ganze begann als Spaß, den ich mir während der Pandemie nebenbei erlaubte. Ich habe einfach so ein paar Cover aufgenommen und eines davon an eine Freundin geschickt. Sie war so begeistert davon, dass ich beschloss, ein paar von diesen Nummern zusammenzustellen. Es war kein großes Konzept, es hat sich einfach so ergeben.
Wird das Plattenmachen mit der Zeit leichter?
In gewisser Weise ja, denn ich denke, dass ich mehr Kontrolle habe als zu Beginn meiner Karriere. Ich hatte anfangs das Gefühl, dass alle um mich herum besser wussten als ich, was auf meinen Platten passieren sollte. Jetzt bin ich eher selbst eine Produzentin. Ich weiß, was ich hören will, und habe das Selbstvertrauen, es auch umzusetzen. Es wird einfacher, aber es gibt beim Plattenmachen immer diese unerreichbare Perfektion, die bei einem eine niedriggradige Unzufriedenheit auslöst. Vielleicht würdest du ja mit dem Musikmachen aufhören, wenn dir das perfekte Album gelingen würde.
Sind das eigentlich alles Lieder, die Sie als Künstlerin geprägt haben?
Nein, es ist nur eine zufällige Auswahl. Jeder dieser Songs hat eine Bedeutung in meinem Leben, aber keinen Einfluss auf meine Arbeit. „Dont Stop Believing" von der Band Journey hat mir persönlich nie gefallen. Es kam zu dem Cover, als eine Freundin mich bat, es an ihrem Hochzeitstag zu singen. Ich dachte mir: „Oh wirklich?" Ich konnte mir nicht vorstellen, diese Achtziger-Jahre-Hymne zu singen, aber dann saß ich einfach mit meiner Akustikgitarre da. Der ganze Prozess bei diesen Liedern bestand darin, alles wegzunehmen, damit man die Emotionen in den Texten besser versteht. Die Produktion kann die Zerbrechlichkeit der Worte verdecken.
Ein Beispiel bitte!
Wenn man sich „Staying Alive" genau anhört, ist der Text irgendwie eindringlich. In der Version der Bee Gees auf der Tanzfläche hört man das aber nicht. Dasselbe gilt für „Dont Stop Believing", das etwas Einsames und Klagendes an sich hat. Ich betrachte diese Songs aus einem anderen Blickwinkel. Der einzige, den ich nicht wirklich verwandelt habe, war „Fire Proof" von The National. Er fühlte sich an wie ein Song, den ich selber geschrieben haben könnte. Und John Lennons „Jealous Guy", das bei mir „Jealous Girl" heißt, gehört ebenfalls zu meinen Favoriten. Ich mag es einfach, wenn ein Mann verletzlich ist, beichtet und sich entschuldigt: „Es tut mir leid, ich habe es versaut!" Ich fand es interessant, diesen Song einmal aus der Sicht einer Frau zu singen, denn wir alle kennen das Problem, eifersüchtig zu sein.
Wenn Sie zum Beispiel Foreigners Powerballade „Waiting for a Girl Like You" interpretieren, decken Sie dann nicht erkanntes Potenzial auf?
Dieses Stück hat auf meiner Gitarre nicht funktioniert, weshalb ich mich ans Piano gesetzt habe, ich bin aber keine echte Pianistin. Das Lied klang auf diese Weise wunderschön. Normalerweise wechsle ich das Geschlecht, sodass es eigentlich „Waiting for a Boy Like You" heißen müsste, aber ich fand es hier interessanter, von einer Frau zur anderen zu singen. Das hat dem Lied noch mehr Sensibilität verliehen. Ich bin stolz auf mein Klavierspiel bei diesem Stück, weil es für mich sehr ungewöhnlich ist.
So wie Sie die Punkband Buzzcocks interpretieren, hat man es noch nicht gehört. Waren Sie ein rebellischer Teenager?
Ich erinnere mich natürlich noch an diese Platten aus meiner Teenagerzeit. Jeder junge Mensch ist in gewisser Weise rebellisch, aber das Problem ist, dass ich so coole Eltern hatte, dass es schwer war, gegen sie zu rebellieren. Meine Eltern kifften und feierten tolle Partys. Die Buzzcocks wurden mir erst viel später von einem Freund empfohlen.
Sind Sie mit der Plattensammlung Ihrer Eltern aufgewachsen?
Ja. Meine Mutter besaß unheimlich viele Langspielplatten. Als wir eines Tages von unserem Haus auf ein Segelboot umzogen, nahm sie ihre ganze Sammlung auf Kassette auf, was ziemlich lustig war. Sie ließ einfach eine Schallplatte laufen, bis das Band voll war, sodass es manchmal in der Mitte eines Liedes stehen blieb (lacht). Von manchen Liedern kannte ich deshalb nie das Ende. Ich glaube, das ist der Grund, warum ich Singer-Songwriterin geworden bin, denn auf unserem Boot lief den ganzen Tag lang großartige Musik aus den 1960ern und 1970ern: Neil Young, Joni Mitchell, Cat Stevens, The Rolling Stones, The Beatles, Simon & Garfunkel. Es war wie eine Infusion in meine Adern. Sie drang in mein Wesen ein. Ich hatte bereits die musikalischen Informationen, als ich mich für diesen Beruf entschloss.
Sie sagen, es fasziniere Sie, wie sich von Männern geschriebene Songs ganz anders anfühlen, wenn sie von einer Frau gesungen werden. Wie fühlt es sich denn an, Neil Youngs Rockklassiker „Like A Hurricane" zu singen?
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich in diese Fußstapfen treten könnte. Das war einer der ersten Songs, die ich am Anfang meiner Karriere gecovert habe. Ich habe ihn für diese Platte aufgenommen, weil meine Fans es liebten, wenn ich „Like A Hurricane" zu einem Cello sang. Ich habe meine Live-Version einfach reproduziert. Ich bin ein großer Fan von Neil Young. Es ist mir eine Ehre, das Lied zu singen.
Sie sind bereits mit Neil Young aufgetreten. Wie war das?
Ich habe viele Male sein Vorprogramm bestritten, zum Beispiel 1995 in Berlin oder auf einigen Festivals, bin ihm jedoch nie persönlich begegnet. Neil Young gehört zu den Superstars, die nicht einmal Backstage gehen. Er lässt sich mit seiner Limo direkt zur Bühne fahren, steigt aus und spielt seine Show. Anschließend steigt er wieder in die Limo und fährt davon. Man trifft ihn nie. Wahrscheinlich wäre ich sowieso zu aufgeregt. Ich wüsste gar nicht, was ich sagen sollte. Neil Young ist eine Inspiration, seit ich ein Kind war.
Waren Ihre Eltern Hippies à la Neil Young?
Dieses Wort ist schwer zu definieren. Ich betrachte meine Eltern als unabhängige und kreative Denker. Mein Vater ist ein Architekt. Er hat eher einen Entwurf für das Leben gemacht als für ein Haus. Ich liebe ihren freien Geist. Meine Eltern sind ihren Träumen gefolgt. Sie bauten ein Boot und segelten um die Welt. Mir ist jetzt klar, dass es viel Mut erforderte, das zu tun. Ich habe jetzt selbst einen Sohn, und ich hätte diesen Mut nicht.
Haben Sie Ihren Sohn selbst unterrichtet, so wie Ihre Eltern es mit Ihnen getan haben?
Nur in den ersten Jahren, aber danach ging er zur Schule. Er hat kein Interesse an Musik gezeigt, weil ich und sein Vater Musiker sind, denke ich. Vielleicht fühlt er eine Art Druck, er will halt lieber sein eigenes Ding machen.
Haben Sie von Ihren Hippie-Eltern gelernt, Ihren eigenen Träumen zu folgen?
Genau, dafür bin ich ihnen auch sehr dankbar. Die Erfahrung mit dem Boot war perfekt, um später Künstler zu sein. Und mein Bruder Mishka ist auch einer geworden. Künstler ist kein Beruf, den man erwählt, um Geld zu verdienen. Es ist ein Beruf, den man aus Leidenschaft ausübt. Du hast keine andere Wahl, als ihr zu folgen. Ich habe etwas in mir, das mich antreibt, dies zu tun. Und ich liebe es. Es ist nicht einfach, man braucht dafür Überzeugung und Selbstvertrauen. Man steht dabei immer ein wenig außerhalb der Gesellschaft. Aber das ist auch in Ordnung.
Fühlen Sie sich ein bisschen wie eine Aussteigerin?
Nein, ich fühle mich nicht wie eine Aussteigerin, ich lebe definitiv mein Leben. Ich fühle mich wie eine freie, unabhängige Frau, die sich ihrem Handwerk und Talent widmet. Ich fühle mich gut dabei.
Warum ist die Stimmung auf Ihrem Album so traurig-melancholisch?
Melancholie ist für mich eine tiefe Quelle und Inspiration. Es ist ein Ort, an den ich gehen kann, wenn ich Lieder schreibe. Melancholie ist nicht negativ, sie ist keine Depression. Sie ist ein verletzlicher Ort, an dem wir unseren Gefühlen gegenüber aufgeschlossener sind und tief fühlen können. Ein Ort der Offenheit. Melancholie ist immer in meiner Musik zu hören, aber ich glaube, dass ich eigentlich ein sehr hoffnungsvoller Mensch bin. Das kann man auch in meiner Musik hören.
Ich habe diese Lieder auf das empfindlichste Herz des Textes heruntergebrochen, auf ihren emotionalsten Teil. Und darin steckt oft eine gewisse Melancholie. Denn wenn man „Never Gonna Give You Up" ohne diese poppigen Streicher und Synthesizer hört, dann ist der Text melancholisch.
War das Coveralbum eine gute Vorbereitung auf Ihre nächste Platte mit eigenen Songs?
Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass es mich direkt vorbereitet hat. Aber ich habe schon eine ganze Reihe von Songs für die nächsten Platten geschrieben. Ich will sie ziemlich bald nach der sehr langen Tour aufnehmen. 41 Shows in 48 Tagen! Ich habe mich körperlich und emotional wirklich darauf vorbereitet. Es ist das erste Mal, dass ich eine Show alleine auf der Bühne spiele. Das ist eine Herausforderung, die ich mir selbst stellen wollte, weil sie mich in Bezug auf meine Performance wirklich antreibt.
Was fasziniert Sie am Live-Spielen?
Früher wollte ich das nie tun, weil ich sehr schüchtern war. Ich wollte eigentlich nur meine Musik aufnehmen, ich fühlte mich nicht wie ein Künstler, ich wollte nicht berühmt werden. Als ich dann mein erstes Album aufnahm, war es ziemlich schockierend, wie viel Aufmerksamkeit es bekam. Ich kam mir vor wie ein Hochstapler, als all diese Leute mich interviewen wollten. Ich war verwirrt. Warum sollten sie irgendetwas über mich wissen, sie könnten sich doch einfach die Musik anhören. Das war also schwer für mich.
Die Konzerte auch?
Ich war in der ersten Zeit sehr nervös und habe nie mit dem Publikum gesprochen, weil ich dachte, nichts zu sagen zu haben. Ich wollte einfach nur meine Lieder singen. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, mich zu entspannen und die Erfahrung eines Auftritts zu genießen, die für mich wirklich zu einem gemeinschaftlichen Ereignis geworden ist. Vor allem nach Covid ist es so, dass wir Live-Musik nie mehr für selbstverständlich halten werden. Es ist ein großes Privileg, mit anderen Leuten in einem Raum zu sein und Musik zu teilen. Ich sehe mich selbst nicht als Künstler, sondern nur als den Kanal, durch den die Musik kommt. Die Energie tauscht sich dabei aus. Vielleicht klinge ich da wie ein Hippie, aber es ist tatsächlich eine sehr reale Erfahrung.