Der Wunsch, unabhängig vom Gas zu werden, macht Familien erfinderisch
Gefühlt redet alle Welt in letzter Zeit nur noch von Krisen, Inflation und Krieg. Mich als Eigenheimbesitzer treibt die Energie-Krise besonders um. Während die Ampelkoalition, genauer gesagt der grüne Klimaschutzminister Robert Habeck, seit Wochen alles daransetzt, Deutschland unabhängig vom russischen Gas zu machen und die Erdgasspeicher aufzufüllen, versuchen meine Frau und ich das Gleiche – nur halt im Kleinen. Wer will sich schon im eigenen Haus morgens in eine Wolldecke hüllen?
Ich verspüre nicht die geringste Lust, wegen der umstrittenen Gasumlage Hunderte Euro pro Monat mehr zu zahlen – und in die Privatinsolvenz hineinzuschlittern. Nebenbei bemerkt halte ich nicht viel von strombetriebenen Heizstrahlern aus dem Baumarkt. Das erinnert mich an einen Campingurlaub, als wir uns im Hochsommer einen elektrischen Heizlüfter kaufen mussten, weil es morgens im Zelt – pardon für diesen Kraftausdruck – arschkalt war.
Die Deutschen – und ich nehme mich nicht aus – sollten sich schleunigst von der Selbstverständlichkeit des Heizens mit Gas verabschieden. Immerhin heizt die Hälfte der Haushalte mit Erdgas – im Keller unseres Hauses steht so ein Gasbrennwertkessel, von dem ich bis zu unserem Einzug nicht einmal wusste, dass er so heißt. Ich kann meiner Frau auf die Schulter klopfen, weil ihr die glorreiche Lösung einfiel, wie wir den drohenden Energie-Engpass überbrücken können. Unser kleiner Kaminofen, der unser Wohnzimmer aufwertet, soll’s richten. Sollte der kommende Winter besonders hart werden, müssen wir notfalls alle auf der mittleren Etage schlafen.
Doch bis uns die erste Holzlieferung erreichte, mussten einige Hürden überwunden werden. Warum? Zum einen sollte uns der Brennholzhändler zum bezahlbaren Preis mit Scheitholz beliefern können und für die Anlieferung nicht einen Extra-Preis draufschlagen. Und ganz wichtig: Das Format des Holzes musste in den heimischen Kamin reinpassen. Schließlich kann niemand aus meiner Familie, ohne sich selbst und andere zu gefährden, eine Motorsäge bedienen.
Tatsächlich fanden wir so einen Holzverkäufer – hohe Kundenansprüche sind eben doch nicht immer völlig überzogen. Als die vier Schüttmeter Holz über unserer Einfahrt verstreut herumlagen und Wochen später noch einmal fünf Kubikmeter Kaminholz hinterm Haus lagerten, warf das neuerliche Fragen auf. Wohin mit dem Ganzen? Wo am besten lagern? Sollten wir das Holz vor der Witterung schützen?
Inspiriert von dem EU-Slogan „Save gas for a safe winter" horten wir also so viel Holz wie möglich für den kommenden Winter. Die erste Fuhre Holz verteilten wir an drei Plätzen auf der Terrasse. Schön und akkurat sieht zwar anders aus, aber ich habe nie behauptet, dass ich das Holz so fein säuberlich übereinanderstapeln kann wie mancher Schweizer Eidgenosse. Hatte ich erwähnt, dass meine Ehefrau zur Vorratshaltung und zur Etwas-könnte-nicht-reichen-Furcht neigt? Nicht? Um nicht mehr vom örtlichen Gasversorger und den durch die Decke schießenden Energiepreisen abhängig zu sein, will meine Liebste ab Herbst nur noch ausschließlich den Kamin mit Holz befeuern.
Während so manchem schon vor der nächsten Gasabrechnung graut, male ich mir aus, wie wir uns langsam aber sicher in Holzsammler verwandeln – und womöglich in harten Zeiten des Nachts die umliegenden Wälder nach Holz durchstreifen. Unserer aufmerksamen Nachbarschaft ist dieser Sammeltrieb natürlich nicht entgangen. Von mindestens zwei Anwohnern kamen interessierte Nachfragen, wo wir denn das Kaminholz geordert hätten.
Was wäre, wenn im Winter einige Nachbarn im Ort wegen Energiearmut wirklich im Kalten sitzen müssen? Um den Zusammenhalt in den Dörfern zu stärken, könnten doch diejenigen mit dem aktuell größten Holzvorrat eine Pop-up-Wärmestube eröffnen. Die temporären Wärmestubenbetreiber sollten nicht nur Tee und Glühwein an die Gäste verteilen, sondern für jeden Besucher sollte auch ein Teller Suppe und eine To-go-Tüte drin sein.
Das Mitgebsel könnte vielleicht so aussehen: für die Kaminheizer ein paar Holzscheite und für alle Öl- und Gasheizer ein Gutschein für die nächste Heizöl- beziehungsweise Gaslieferung.