Der Sieg des Rechtsbündnisses in Italien nutzt vor allem Wladimir Putin
Der Ausgang der italienischen Parlamentswahl ist so etwas wie eine kleine Revolution in der Europäischen Union. Erstmals sitzt bei einem Gründungsmitglied der EU ein Rechtsbündnis in der Regierung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron konnte 2017 und 2022 den Angriff der Rechtsaußenkandidatin Marine Le Pen noch abwehren. Nun ist in Italien das passiert, was in Frankreich bisher nur befürchtet wurde: Eine Ultrarechtspopulistin, Giorgia Meloni, wird aller Wahrscheinlichkeit nach Ministerpräsidentin.
Das bedeutet nicht, dass ein „Italexit" – ein Austritt Italiens aus der Gemeinschaft – vor der Tür stünde. Dazu profitiert das Land zu sehr von der EU. So erhält Italien knapp 200 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Wiederaufbaufonds. Zudem hat in Rom jede politische Kraft von ganz links bis ganz rechts die Erwartung, dass die Europäische Zentralbank im Notfall das Land herauspauken wird. Bereits heute hält die EZB ein Viertel aller italienischen Staatsanleihen. Das drückt deren Zinsen und erleichtert dem Finanzministerium die Aufnahme neuer Schulden.
Dennoch wird das Verhältnis zwischen Rom und Brüssel sehr viel komplizierter. Meloni hat angekündigt, dass sie als Regierungschefin viel mehr auf die Interessen ihres Landes achten werde. So will sie über die Verteilung der Milliarden aus dem Corona-Fonds neu verhandeln. Die Gefahr besteht, dass das Geld dann nicht in den dringend benötigten Ausbau von Infrastruktur und erneuerbaren Energien fließt. Meloni strebt vor allem mehr Sozialprogramme an.
Ihre Partner im Rechtsbündnis wollen ebenfalls tief in die Staatsschatulle greifen. Matteo Salvini von der Lega und Silvio Berlusconi von der Forza Italia setzen auf großzügige Vorruhestandsregelungen, Steuersenkungen und einen schuldenfinanzierten Nachtragshaushalt.
Das schafft Raum für Konflikte in Europa. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der auf die Einhaltung der Schuldenbremse in Deutschland ab 2023 pocht, ist gegen eine exzessive Politik auf Pump. Rückendeckung erhält er durch Länder wie die Niederlande oder Österreich, die einen strikten Sparkurs in der EU favorisieren. Die Frage, die alle eint: „Warum sollen die Steuerzahler unserer Länder für kreditfinanzierte Sozialpakete in Rom herangezogen werden?"
Weiterer Reibungspunkt: Die neue Rechtskoalition in Italien ist mit Blick auf den Ukraine-Krieg ein Wackelkandidat. Meloni hat zwar den russischen Einmarsch in das Nachbarland kritisiert und steht hinter den westlichen Sanktionen gegen den Aggressor-Staat. Salvini will hingegen die Strafmaßnahmen aufheben. Und dann ist da noch der 86-jährige Berlusconi, der mit bizarren Sympathiebekundungen für Kremlchef Wladimir Putin für Wirbel gesorgt hat.
Vor allem in der Flüchtlingspolitik wird Meloni versuchen, eine harte EU-Linie durchzudrücken. Schon im Wahlkampf hat sie gefordert, Häfen in Nordafrika zu blockieren, um die Überfahrt von Migranten nach Europa zu verhindern. Derlei Töne kommen in Ländern mit rechtspopulistischer Führung wie Polen und Ungarn besonders gut an. Die Gemeinschaft hat es seit Ausbruch der Flüchtlingskrise 2015 nicht geschafft, sich auf eine einheitliche Linie zu einigen.
Zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat Meloni bereits ein enges Verhältnis. Die EU-Kommission liegt mit Warschau in Rechtsstaatsfragen und mit Budapest wegen des Vorwurfs mangelnder Korruptionsbekämpfung im Clinch. Die EU-kritische Haltung in Rom und die neue informelle Allianz zwischen Italien, Polen und Ungarn dürften für Brüssel bald zu einem zusätzlichen großen Problem werden.
Aber auch Schweden, lange Zeit eine Bastion für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, bekommt eine Schlagseite nach rechts. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten wurden bei der kürzlichen Parlamentswahl zur zweitstärksten Kraft. Für die Tolerierung einer Mitte-Rechts-Minderheitsregierung werden sie einen hohen Preis verlangen. Die Asyl- und Einwanderungspolitik dürfte künftig stark von Abschottung geprägt sein.
Der Rechtsruck in Italien verändert die Statik in der EU. Die Risse in der Gemeinschaft werden tiefer. Das Wahlergebnis hat deshalb einen großen Gewinner: den russischen Präsidenten Putin. Es ist eine wichtige Etappe in seinem Ziel, den Westen zu schwächen und zu spalten.