Beim Ski-Weltverband FIS haben sich durch die Wahl von Johan Eliasch zum Präsidenten die Umgangsformen extrem verändert. Der Unternehmer mit schwedischem und britischem Pass gilt seinen Anhängern als ideenreicher Modernisierer. Seine Gegner hingegen halten ihn für einen skrupel- und rücksichtslosen Machtmenschen.
Der Skisport hat in der Ära des Klimawandels allerhand buchstäblich natürliche Probleme. Doch statt mit der Sicherung von Wettkampfschauplätzen und umweltschonenden Durchführungsbestimmungen beschäftigt sich der Weltverband FIS zu Beginn einer zukunftsweisenden Saison schon seit Monaten hauptsächlich mit sich selbst.
Auslöser der mitunter verbissenen Nabelschau sind der umstrittene FIS-Präsident Johan Eliasch und seine durchaus fragwürdigen Führungsmethoden. Kern der Auseinandersetzungen ist wieder einmal die Verteilung von Macht und Geld. Kritiker vergleichen den milliardenschweren Verbandsboss vor diesen Hintergründen passend zum Branchenjargon gerne auch schon einmal mit einer Pistenraupe oder Lawine.
Zu Eliaschs erklärten Widersachern gehört auch der Deutsche Ski-Verband (DSV). Weil die Wiederwahl des FIS-Bosses im vergangenen Mai offenkundig demokratischen Ansprüchen nicht einmal im Ansatz genügt hatte, klagte der DSV zusammen mit den beiden Alpen-Großmächten Österreich und Schweiz sowie Kroatien gegen das Ergebnis der wahrhaftigen „Geister-Abstimmung" beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS). „Eine Wahl", begründete DSV-Vorstandsmitglied Stefan Schwarzbach die Vorwürfe, „bei der die Stimmen der Delegierten nur dann als gültig gewertet werden, wenn mit ‚Ja‘ gestimmt wurde und kein ‚Nein‘ als Alternative möglich war, deckt sich nicht mit unserem Rechtsverständnis und ist schlichtweg eine Farce."
Undemokratische Wahl
Das juristische Nachspiel hatte sich bereits auf dem FIS-Kongress in Mailand abgezeichnet. Nachdem Eliasch Pläne für eine Vermarktungs-Revolution zu Lasten der nationalen Verbände erst gezielt nach Ablauf der Meldefrist für Präsidentschafts-Kandidaten offengelegt hatte, forderten seine Gegner für die Wahl wenigstens die zählbare Möglichkeit für die Ablehnung einer Wiederwahl des zunehmend autokratisch agierenden FIS-Chefs. Doch Eliasch ließ die Attacke von seiner Rechtsabteilung abbügeln, woraufhin die oppositionellen Verbände mit ihren 44 Prozent der stimmberechtigten Delegierten noch vor der Abstimmung geschlossen den Saal verließen. Weil die verbliebenen Kongressteilnehmer Eliaschs vorherigen Versprechungen von angehobenen Zuschüssen nur allzu gerne glauben wollten, steht in der FIS-Chronik eine Bestätigung im Amt durch 100 Prozent der gültigen Stimmen.
Keine Frage: Durch den dynamischen Nachfolger des kurz nach seiner 23-jährigen Amtszeit verstorbenen Dauer-Präsidenten Gian Franco Kasper (Schweiz) sind bei der FIS neue Zeiten angebrochen. Der Eigentümer und Chef des bekannten Sportartikelherstellers Head schickte sich gleich nach seinem Einzug ins Präsidenten-Büro an, eingefahrene Abläufe und althergebrachte Entscheidungsprozesse zu verschlanken und verkrustet erscheinende Strukturen aufzubrechen. Das Problem: Die meisten Ideen für eine moderne Aufstellung des Verbandes brütet Eliasch im stillen Kämmerlein weitgehend sogar ohne Einbeziehung seiner Präsidiums- und Vorstandskollegen aus. Sein introvertierter Führungsstil ist denn auch ein wichtiger Ansatzpunkt für seine Kritiker. „Es gibt", sagte etwa auch Vizepräsident Stefan Krauß vom langjährigen FIS-Vermarktungspartner Infront schon vor der Wahl-Farce in Mailand, „es gibt keinen direkten Kontakt. Alle Versuche, ein Meeting zu organisieren, waren erfolglos."
Womöglich aber steckt hinter dieser Vorgehensweise auch in Verbindung zu Krauß und seinem Unternehmen eiskaltes Kalkül zur Anbahnung einer Auflösung der bisherigen Geschäftsbeziehungen. Denn der elementare Kern von Eliaschs Visionen zur von durchaus vielen erhofften Grunderneuerung des mächtigen Wintersport-Verbandes ist die Einführung einer Zentralvermarktung aller FIS-Events durch Verbandsangehörige anstelle der momentanen Einzelvermarktung meistens mithilfe von Vermarktungsagenturen. Allen Unkenrufen nicht zuletzt von Menschenrechtsorganisationen zum Trotz, will Eliasch außerdem Märkte in Asien erschließen und nach China oder auch Dubai expandieren.
Drängen auf zeitnahe Umsetzung
In den geradezu zwangsläufigen Auseinandersetzungen spielt allerdings nicht nur Besitzstandswahrung eine Rolle. Eliaschs Gegner vor allem in den Verbänden mit etablierten Wettbewerben, wie auch in Deutschland, fürchten nicht nur eine Kürzung ihrer Einnahmen, sondern durch die absehbare Fokussierung auf gewinnträchtige Veranstaltungen auf Kosten der Nischendisziplinen unter dem FIS-Dach auch mehr Probleme bei der Finanzierung etwa von lokalen Fördermaßnahmen für den Nachwuchs sowie Trainer und deren Fortbildung. „Für die kleineren Sportarten", meint auch der langjährige FIS-TV-Beauftragte Richard Bunn, „kann das gefährlich werden."
Doch Eliasch drängt auf zeitnahe Umsetzungen seiner neuen Konzepte – und stiftet sogar zu Vertragsbrüchen an. So sollen beispielsweise der DSV oder auch der österreichische Verband ihre noch bis 2026 gültigen Vermarktungsvereinbarungen als wichtigste Einnahmequelle möglichst sofort aufkündigen und das lukrative Geschäft umgehend Eliaschs Gefolgsleuten bei der FIS übergeben. Durch ihre Entscheidungsgewalt über die jährliche Vergabe von Wettbewerben hat die FIS ungeachtet aller bestehender Verträge gegenüber widerspenstigen Verbänden auch einen bedeutenden Machthebel in der Hand.
Allerdings sollen verärgerte Nationalverbände bereits an einem Konter arbeiten. In der Szene kursieren jedenfalls Spekulationen, dass sich große Nationen aus Europa unter dem Dach ihres von der FIS unabhängigen Kontinentalverbandes sammeln könnten. Durch die Hoheit über ihre Skigebiete und die fraglos große Mehrheit von Weltklasse-Aktiven hätten die europäischen Verbände zumindest die Möglichkeit, eigenständige Wettbewerbsserien aufzuziehen und Eliaschs FIS ins Abseits zu manövrieren.