Zwei Autos, zwei Strecken, zwei Teams: Beim Roadtrip nach Kroatien zeigt sich, was die Elektromobilität heute schon kann – und was nicht.
Mit dem Elektroauto in den Urlaub: Dass dies mit ein wenig Planung möglich ist, dürfte eingefleischte „Stromer" wenig überraschen. Doch welches E-Auto eignet sich für die Langstrecke am besten? Wo macht die Fahrt richtig Spaß und wo staut sich Frust an? Wir lassen zwei aktuelle Elektro-SUVs im Duell gegeneinander antreten. Das Ziel: Kroatien, genauer gesagt, die Urlaubs-Insel Krk. Damit es nicht nur ums Auto geht, sondern auch ums Urlaubsfeeling, wählen beide Teams unterschiedliche Strecken. Team VW fährt über Wien, Team Tesla schlägt den Weg über Prag und Budapest ein. Ob Navi, Reichweite, Assistenzsysteme oder Lade-Infrastruktur: Beide Teams dokumentieren ehrlich und gewissenhaft, wie es ihnen bei ihrer Reise ergeht. Möge der Wettstreit beginnen!
Das Auto
Team VW: Wir starten im ID.5 GTX von Volkswagen. Optisch ist der 4,60 Meter lange Stromer wegen seiner Coupé-Form ein Zwitter: halb SUV, halb Limousine. Und trotzdem ein Klotz. Auch der Innenraum fühlt sich riesig an. 549 Liter passen in den Kofferraum, ausreichend für unser gesamtes Gepäck. Wir sind zu zweit und haben viel dabei. Die Rallye-mäßigen Sportsitze könnten jedoch bequemer ausfallen: Nach acht Stunden Autobahn fühlt man sich wie auf einem Fahrradsattel.
Team Tesla: Das Tesla Model Y ist eine Mischung aus SUV und Familien-Van mit riesigem Wendekreis (12,1 Meter) und stattlicher Länge (4,75 Meter), also auch nichts für enge Straßen. Die „veganen" Kunstledersitze in Weiß sind bequem wie Fernsehsessel, bieten aber zu wenig Seitenhalt. Komischerweise lassen sich nur die Kopfstützen hinten verstellen, die vorne nicht! Die Bedienung des Autos erfolgt fast ausschließlich über den 15-Zoll-Touchscreen in der Mitte. Das klappt gut. Aber für Scheibenwischer und Handschuhfach hätte es auch ein Schalter getan.
Das Navi
Team VW: Ganz vorurteilsfrei sind wir nicht. Beim letzten VW-Elektroauto-Test spielte die Software verrückt – so sehr, dass der ID.3 am Ende sogar abgeschleppt werden musste. Auch im ID.5 verheißt der klobige Bildschirm zunächst keine Freude, genauso wenig wie die glatten „Tasten" am Lenkrad. Doch dann: ein Wunder! Den Sprachbefehl „Navigiere nach Nürnberg" versteht das Navi nicht nur, sondern schlägt auch gleich eine passende Route samt Ladestopps vor. Einziges Manko: Das Navi präsentiert ausschließlich Ionity-Ladestationen, an denen der Strom 79 Cent pro Kilowattstunde kostet. Das lässt sich aber manuell ändern, genau wie viele andere Variablen.
Team Tesla: Tesla ist und bleibt Benchmark, wenn es um Routenplanung geht. Ziel eingeben, kurz (sehr kurz!) rechnen lassen, und das Navi präsentiert die komplette Route mit allen Ladestopps. Der Akku wird vor jedem Stopp „vorkonditioniert", also auf optimale Temperatur gebracht, um die maximal mögliche Ladeleistung abrufen zu können. Die Route plant Tesla anhand der firmeneigenen Ladeinfrastruktur, der „Supercharger". Die sind in ganz Europa dicht ausgebaut (alle 50 bis 150 Kilometer); eine Karte oder App braucht man nicht. Einziger Haken: Tesla ist nicht der günstigste Anbieter: Lag im Juni noch der Preis bei 58 Cent pro Kilowattstunde an deutschen Superchargern, wurde er im September auf bis zu 71 Cent erhöht.
Reichweite und Akku
Team VW: Bis zu 491 Kilometer weit soll der ID.5 GTX mit einer Akku-Füllung kommen. Am ersten Tag können wir diesen Claim noch nicht überprüfen, da wir schon nach einer Stunde Hunger haben und den Fastned-Ladepark Limburg-Süd ansteuern. Im Laufe des Urlaubs zeigt sich, dass der ID.5 maximal 350 bis 400 Kilometer schafft, wenn man es nicht übertreibt.
Team Tesla: Laut Normwert sollen mit dem Model Y Long Range AWD bis zu 533 Kilometer Reichweite drin sein. Wie bei allen Fahrzeugen, egal welcher Antriebsart, sieht die Realität bescheidener aus. Aber mit 350 bis 450 Kilometer sollte man rechnen können, zumal das große, schwere Auto überraschenderweise sehr sparsam fährt.
Die deutsche Autobahn
Team VW: Im Gepäck haben wir Ladekarten von EnBW, EWEgo und Shell Recharge. Weil es im Hotel keine Wallbox gibt, legen wir kurz vor Nürnberg einen Ladestopp ein. Während wir uns in der Drogerie mit Mückenspray für Kroatien eindecken, lädt der ID.5 in einer halben Stunde knapp 300 Kilometer nach – das stimmt in etwa mit der versprochenen Ladeleistung überein und reicht für unsere Zwecke völlig aus. Wobei es natürlich auch schneller geht. Stimmt’s, Team Tesla?!
Team Tesla: Das Tesla Model Y kann bis zu 240 kW schnell laden. Dazu muss der Akkustand aber tatsächlich auch sehr niedrig sein und an den zehn Prozent oder drunter kratzen. Die Geschwindigkeit reicht allemal, um Pausen nicht länger als 15 bis 25 Minuten dauern zu lassen. Da wir ein Guthaben über 1.500 Gratiskilometer an den Tesla Superchargern hatten, haben wir unterwegs ausschließlich dort geladen.
Zwischenstopps: Wien, Prag, Budapest
Team VW: Wien! Eine absolute Traumstadt. Kaffee, Kuchen, Kutschen – und Ladestationen! Schon zwei Straßen neben unserem Hotel glänzen die Edelstahl-Stelen in der Sonne. Die EnBW-Karte funktioniert, ohne zu murren. „Mobilitätswende statt Autos ohne Ende" steht auf einem Graffito. Wir nehmen es uns zu Herzen und steigen auf die Öffis um: acht Euro am Tag, viel günstiger als Auto-Strom und Parkgebühren. Wien, ick liebe dir!
Team Tesla: Wie im Internet versprochen, halten unsere Hotels in Prag und Budapest jeweils eine Ladestation bereit! Den Strom gibt es kostenlos, für den Hotelparkplatz werden 18 beziehungsweise 15 Euro pro Nacht fällig. In den Städten bleibt das Auto am Hotel – an einem Tag zeigt der Schrittzähler 26 Kilometer Fußmarsch an! Auf der Rücktour erleben wir eine Überraschung in Ljubljana – keine Ladestation im Hotelparkhaus! Da wir uns aber in der „grünen Hauptstadt Europas" befinden, können wir aus sechs Ladestationen innerhalb eines einzigen Häuserblocks frei wählen!
Lade-Infrastruktur in Kroatien
Team VW: Toll, wenn man direkt am Ferienhaus laden kann – wir gehören leider nicht dazu. „Das Haus ist über 100 Jahre alt", erklärt der Vermieter. „Und die Stromleitungen wurden noch nie erneuert." Laut „Air Electric"-App befinden sich aber rund um unseren Ferienort zahlreiche Ladestationen. „Elen" heißt der kroatische Anbieter, wobei „Elend" passender wäre. Die erste Station ist blockiert, die zweite außer Betrieb, bei der dritten funktionieren die Ladekarten nicht: „Elen" akzeptiert nur die eigene App. Immerhin, die geht. Meistens jedenfalls.
Team Tesla: Auch wir können unser Auto nicht an der Ferienwohnung laden. Dank Team VW wussten wir schon, dass die Ladestationen auf Krk etwas kniffliger zu bedienen sind als gewohnt. Die Ladestationen vor Ort betreibt ein E-Bike-Vermieter. Wir müssen den Barcode einscannen, uns auf der Webseite registrieren und per Kreditkarte ein Guthaben hochladen – wie früher beim Prepaid-Handy. Da dauert das erste Freischalten gut 15 Minuten, bis wir etwas verwirrt endlich das Auto stehen lassen und uns dem Meer widmen können.
Das größte Rätsel
Team VW: Der Anbieter Ionity verfügt über schnelle Ladestationen auf unserer Route, kostet aber viel. Deshalb wollen wir in Slowenien unsere EWE-go-Ladekarte nutzen (58 Cent pro Kilowattstunde). Doch die Säulen starten nicht. Und jeder erzählt etwas anderes. An der Hotline heißt es, nicht alle Ionity-Stationen seien im Ausland inbegriffen. Der Pressesprecher sagt erst, es müsste gehen, dann korrigiert er sich: Doch nicht. Am Ende steht nur eine Gewissheit: Bei langen Fahrten sollte man immer mehrere Ladekarten mitnehmen.
Team Tesla: Rätsel? Wozu gibt es Supercharger!? Teslas Lade-Infrastruktur ist so gut ausgebaut, dass man nie lange suchen muss. Aber wie steuert man ein 4,75 Meter langes, 1,91 Meter breites und fast zwei Tonnen schweres Auto in diese alten, engen Hotelgaragen? Zentimeterarbeit!
Das größte Ärgernis
Team VW: Beim Ausparken passiert es, ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Der ID.5 fährt rückwärts statt vorwärts – eine absolute Horrorvorstellung! Wir tippen wild durch die Menüs, können aber das Problem erst nicht finden. Offenbar ist die automatische Ausparkhilfe aktiviert, die ein gespeichertes Parkmanöver ausführt. Selbst ein Neustart des Autos bringt nichts. Es vergehen fünf Minuten, bis es endlich klappt. Danach ist der Stresspegel so groß, dass wir erst mal Urlaub bräuchten – ach nee, den haben wir ja schon.
Team Tesla: In Ljubljana befindet sich eine der zahlreichen Ladestationen des lokalen Anbieters direkt vor dem Hotel. Das ist praktisch, zumal es gerade regnet. Doch zu früh gefreut: Mit den gängigen Apps und Karten von EnBW, Plugsurfing und so weiter sind viele der Stationen nicht freischaltbar. Also im Regen wieder alles abstöpseln, nach einer Station um die Ecke suchen, die sich mit der ADAC-Karte freischalten lässt, und dort hinfahren. Zum Glück nur zwei Straßen weiter – also ein Ärgernis, aber kein Problem.
Das tollste Erlebnis
Team VW: Strom tanken während des Einkaufs – in Deutschland ist das längst noch nicht überall möglich. In Rijeka geht es hingegen erstaunlich oft, meist sogar mit der EnBW-Ladekarte, die in Kroatien eigentlich gar nicht funktionieren dürfte. Im Parkhaus des „Interspar"-Supermarkts gibt’s gleich vier Wallboxen, an einem „Konzum"-Markt sogar eine Schnellladesäule. Den absoluten Turbo legen wir vor einem Autohaus ein: Dort steht eine 150-kW-Säule, schnell wie ein Porsche, den man nebenan erwerben kann.
Team Tesla: Auf dem Weg von Prag nach Budapest staunten wir am Supercharger Sormas (Ungarn) nicht schlecht: Zur Ladeweile – Zeitvertreib während des Ladens – gibt es am Landgasthof ein Ziegengehege und man kann die „Bewohner" streicheln und füttern! So etwas Lustiges hatten wir an keinem anderen Ladestopp.
Das Beste und Nervigste am Auto
Team VW: Die „Leucht-Leiste" unter der Windschutzscheibe macht richtig Spaß. Dieses kleine Lichtspiel, bestehend aus 54 LEDs, ist ans Navi gekoppelt. Sobald man nach links oder rechts abbiegen soll, pulsieren die Lämpchen in die entsprechende Richtung – toll! Was nervt: Am Hafen von Ičići legt der ID.5 beim Rangieren plötzlich eine Vollbremsung hin. Mehrfach weigert er sich weiterzufahren, weil er die gelben Parkplatz-Linien als Hindernis erkennt. Zehn Minuten später ist der Übeltäter identifiziert: die „Rangierbremsfunktion". Die bleibt für den Rest der Reise deaktiviert.
Team Tesla: Der „Autopilot" ist Gewinn und Ärgernis zugleich. Der Fahrer muss weiterhin jederzeit aufmerksam sein und darf die Hände maximal 15 Sekunden vom Lenkrad lassen. Dank der Tempolimits in Tschechien, Ungarn, Kroatien oder Slowenien lässt es sich per Autopilot gut im Verkehr mitschwimmen. Allerdings hat das System seine Tücken. Zweimal bremst das Fahrzeug im Autopilot-Modus plötzlich einfach ab. Zum Glück auf leerer Autobahn und nicht zu stark – aber bei mehr Verkehr oder heftigerer Bremsung lebensgefährlich!
Verbrauch und Kosten
Team VW: Stolze 4.064 Kilometer waren wir insgesamt unterwegs. Das liegt daran, dass wir von unserem Ferienort Poljane mehrfach auf die Insel Krk gefahren sind, um mit Team Tesla in der Adria zu planschen. Der durchschnittliche Verbrauch lag laut Bordcomputer bei 18,4 Kilowattstunden – gar nicht schlecht für einen solchen Koloss. Zusammengerechnet haben wir 346,97 Euro an Ladestrom bezahlt. Macht 11,7 Cent pro Kilometer.
Team Tesla: Unser Roadtrip umfasste 3.176 Kilometer. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 17,6 kWh waren wir sparsamer als Team VW! Gezahlt haben wir gerade einmal 26,26 Euro für den Ladestrom auf Krk und in Ljubljana. Das Laden an den Superchargern war dank der Gutschrift umsonst! Auch die Hotels haben uns den Strom kostenlos abgegeben. Macht also nicht einmal einen Cent pro Kilometer! Zugegeben, da war ein Trick dabei! Rechnen wir pauschal mit 50 Cent pro Kilowattstunde (Durchschnittspreis EnBW), ergäbe das 279,49 Euro für die gesamte Tour – theoretisch!
Fazit
Team VW: Nach drei Wochen Urlaub hat der ID.5 keinen Kratzer. Die Assistenzsysteme, vor allem der Spurhalte-Assistent, haben gute Dienste verrichtet. Die Kinderkrankheiten der früheren ID-Modelle hat dieser Stromer gut überwunden. Souveränes Navi, viel Platz, ruhiges Fahrgefühl. Ein paar Kleinigkeiten störten trotzdem: der klobige Plastik-Bildschirm, die übergeschnappte Einparkhilfe und die eher mittelmäßige Auflösung der Rückfahrkamera. Unser Sieger, auch wenn’s an der Ehre kratzt: Tesla.
Team Tesla: Zwei Wochen Roadtrip haben unsere Überzeugung bestätigt: Langstrecke ist heute auch im E-Auto kein Problem mehr. Ein wenig Planung gehört nach wie vor dazu, aber es ist längst nicht mehr so abenteuerlich wie noch vor wenigen Jahren. Das Model Y war ein guter Reisebegleiter. Die Schildererkennung, die hysterische Spurhalte-Warnung und die „Phantombremsungen" sollte Tesla aber verbessern. Unser Sieger: Tesla! Das Model Y ist sparsamer, lädt schneller, hat mehr Leistung, ist größer und kostet sogar weniger.