Die Musikerin Elzbieta Steinmetz alias Ela, die Wahlberlinerin aus dem Saarland, erzählt mit markanter Stimme zu zeitgenössischen Pop-Beats Geschichten aus dem Leben. Demnächst gastiert die „ela. – Zusammen-Tour 2022" in Neunkirchen.
Ela, Sie sind in Kiew geboren und als achtjähriges Mädchen über Polen nach Deutschland gekommen. Wie wurden Sie aufgenommen?
Aller Anfang ist schwer. Wir sind damals ins Saarland auf ein Dorf (Hüttigweiler, Anm. d. Red.) gezogen und ich kam auf eine Grundschule. Es gab da schon feste Cliquen, und weil meine Sprachkenntnisse zu dem Zeitpunkt noch nicht soweit waren, habe ich mich als Außenseiterin gefühlt. Ich bin in einer Musikerfamilie groß geworden, für mich waren Plüschjacken und knallpinke Rucksäcke super normal, und so bin ich auch in die Schule gegangen. Für die anderen war es das nicht, und so ist dann auch mein Ranzen im Mülleimer gelandet. Es war keine einfache Situation, denn ich kam ja aus der Ukraine und mein leiblicher Papa war gerade verstorben.
Änderte sich Ihre Situation mit der Zeit?
Meine Lehrerin hat sich sehr für mich eingesetzt, und ich habe wirklich innerhalb von einem halben Jahr Deutsch gelernt, weil ich den anderen von meinem Leben erzählen wollte. Als ich schließlich in den Schulchor aufgenommen wurde, öffneten sich für mich Türen. Nun war ich nicht mehr die schrille Ausländerin, sondern die, die singen kann. Später ging ich auf ein Musikgymnasium in Neunkirchen. Musik hat mir schon immer geholfen.
Heute sind Sie eine engagierte Sänger- und Songschreiberin. In Ihrem Musikvideo „Wenn ich NEIN sag, dann mein ich NEIN", erfährt man, dass der Frauenanteil bei Musikproduktionen bei unter drei Prozent liegt. Wie kommt das?
Erstens ist es unfassbar dramatisch, dass es wirklich nur zwei bis drei Prozent sind. Zweitens hat die Affinität zu Technik, die bei uns Frauen immer infrage gestellt wird, historische Gründe. Drittens gab es nie Vorbilder für weibliche Produzenten. Das Standardbild ist ein Mann vor einem Mischpult. Es mangelt einfach an Sichtbarkeit, denn es gibt tolle Produzentinnen. Bei Columbia Sony Music wurde jetzt erstmals der Female Producer Prize vergeben, wo es auch darum ging, Frauen im Musikgeschäft wertzuschätzen.
Wer sind diese Produzentinnen?
Im Hip-Hop sind es zum Beispiel Suena und Lia 74, im Pop Jenny Gerdts oder Jovanka von Wilsdorf, im Indiebereich Novaa, mit der ich fleißig an meinem Soloalbum gearbeitet habe. Es gibt nicht nur in der Musikindustrie viel zu wenig Frauen in Führungspositionen, sondern überall. Als Frau braucht man viel Selbstbewusstsein, wenn man als Produzentin tätig sein will. Das muss man sich erst einmal erarbeiten. Wir wurden dazu erzogen, dass weniger mehr ist. Männer verhandeln zum Beispiel ganz anders als Frauen. Dieses Selbstbewusstsein müssen wir uns zurückholen. Aber wir werden immer besser und immer mehr.
Die Charts werden von Männern dominiert, in den Vorstandsetagen der größten Plattenfirmen sitzen ausschließlich Männer. Fördern Männer lieber Männer?
Ich glaube, die würden total gerne Frauen fördern, aber es gibt zu wenig, die einfach so einen langen Atem haben, um sich bis an die Spitze durchzuboxen. Es bestehen einfach zu viele Vorurteile. Wie absurd ist es, dass eine Frau, die vielleicht Mitte 30 ist, nicht eingestellt wird, weil sie schwanger werden könnte. Wenn ein Mann sehr bestimmt auftritt und klare Visionen hat, besitzt er angeblich super Führungsqualitäten. Über eine Frau, die das gleiche tut, sagt man: „Oh, da muss man vielleicht ein bisschen aufpassen!" Wir machen gesellschaftlich wirklich Fortschritte, aber bis zur Gleichberechtigung wird es noch ein bisschen dauern.
Wie haben Sie es geschafft, sich in diesem Geschäft durchsetzen?
Es war ein langer Weg, denn ich mache das jetzt schon seit 14 Jahren. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Produzent vor dir als Newcomerin sitzt und dir sagt, dass du unbedingt abnehmen musst, um deine Karriere zu fördern. Ich weiß, wie es ist, wenn man als Frau Mikrofone anfragt, um damit ein Klavier aufzunehmen und einem Männer mit dem Frauen-und-Technik-Gesichtsausdruck dann sagen: „Wir machen das schon!" Die können ganz schwer nachvollziehen, dass ich meine Mikros so aufstellen möchte, wie ich es will, weil ich es gelernt habe und kann. Ich hatte schon immer den Wunsch, das zu tun, was ich liebe und was mir der liebe Gott gegeben hat. Meine Mutter sagt: Musiker sind Sonnenkinder! Das habe ich als Mantra mitgenommen. In der Industrie gibt es mehr Männer als Frauen, die sich einem hier und da in den Weg stellen. Am Ende ist es immer eine Frage der Kommunikation, des Kompromisses und des Vertrauens.
In Ihrem Video sprechen Sie auch das Thema „sexuelle Belästigung in der Musikbranche" an. Würden Sie sagen, dass dieser Berufszweig zum Teil frauenfeindlich ist?
Frauenfeindlich ist mir zu radikal. In meinem Umkreis gibt es auch ganz tolle Menschen, die sich sehr für Frauenrechte in der Industrie einsetzen. Aber Frauen werden in dieser Branche aufgrund ihres Aussehens viel mehr zu einem Produkt degradiert und sexualisiert. Natürlich ist mir klar, dass für ein Wirtschaftsunternehmen, das mit Musik handelt, die mit der Musik verbundene Künstlerin dann einen abstrakten Warencharakter annimmt. Aber selbst in dieser Hinsicht merke ich, dass die Strukturen aufbrechen, sich verändern. Künstlerinnen wie Adele oder Lizzo hauen auf den Tisch und sagen: „So nicht! Ich liebe meinen Körper so, wie er ist. Und das ist auch gut so". Es ist aber traurig, dass noch ein bisschen Zeit vergehen muss, bis es irgendwann ausgeglichen ist.
Brauchen Frauen im Musikgeschäft sehr viel mehr Selbstbewusstsein als Männer?
Ja, und auch ein dickeres Fell. Ich will halt nicht, dass eine junge Frau, die gerade in die Musikwelt reinkommt, sich anhören muss, wie sie auszusehen oder zu klingen hat. Ich möchte mich mit diesen Themen auch für die Generationen vor und nach mir einsetzen. Es ist ja nicht so, dass man da gegen eine Wand redet, sondern man bekommt ganz viel Feedback. Auch Männer setzen sich für diese Bewegung ein, was ich toll finde.
Das Stück „So viel erlebt" haben Sie als 24-Jährige für den damals 72-jährigen Rock-Senior Dieter „Maschine" Birr (Ex-Puhdys) geschrieben. Wie haben Sie Zugang zu dem älteren Kollegen gefunden?
Das war so ein wunderschöner Moment! Ich war gerade im Studio und Maschine war zufällig auch dort. Er fragte, ob ich vielleicht eine Idee für ihn hätte. Als ich dann einen Song für ihn geschrieben hatte, sagte er: „Den singst du mit mir!" Ich war dann sogar mit ihm auf Tour.
Mit der bekannten ukrainischen Rapperin und Aktivistin Alyona Alyona und der ukrainischen Sängerin Jerry Heil haben Sie jetzt den Antikriegssong „Kupala" veröffentlicht.
Es hat sich zwischen uns eine Freundschaft entwickelt. Im Studio durften wir magische Momente erleben, was aufregend war. Es ging uns nicht darum, einen Radiohit zu schreiben, sondern wir wollten uns darüber austauschen, wie es gerade um die Welt steht. Es war wirklich schön, wieder Folklore zu singen, ich bin ja damit aufgewachsen. Die anderen Mädels meinten, durch diesen Krieg wüssten sie jetzt, was Wurzeln wirklich bedeuten. Deswegen haben wir diesen folkloristischen Song mit poppigen Elementen aus unterschiedlichen Welten kombiniert. Zu dritt haben wir auch ganz coole TikTok-Videos gemacht.
In welcher Verfassung ist die ukrainische Pop- und Rockszene in diesem Krieg?
Es gibt auch im Krieg Wege und Möglichkeiten zu arbeiten. Heutzutage ist man ja nicht mehr an ein Studio gebunden, sondern man braucht eigentlich nur ein Mikrofon, einen Laptop und ein Interface zum Austausch. Viele ukrainische Künstler und Künstlerinnen sind mittlerweile wieder zurückgegangen oder pendeln zwischen Polen und der Heimat. Alyona erzählte mir, dass früher ukrainische Künstlerinnen versucht hätten, auch russische Musik zu machen, um den Markt zu erobern. Es gab immer eine transparente musikalische Grenze, aber durch den Krieg haben sich die Türen so sehr geöffnet, dass die Ukrainer jetzt endlich auch in Europa Musik machen können. Der Markt ist für sie aufgegangen, und es haben sich neue Netzwerke gebildet.
Mittlerweile kommt „Kupala" alleine auf Youtube auf 5,6 Millionen Aufrufe. Was hat diese Antikriegshymne bewirkt?
Keine von uns hätte das gedacht. Es ist verrückt, dass dieser zerstörerische Krieg Menschen auch verbindet. Plötzlich hatte ich eine Live-Schalte mit dem größten ukrainischen Fernsehsender, den ich noch aus meiner Kindheit kenne. Und jetzt bin ich ein Teil davon! Die Mädels sind überzeugt, dass die Ukraine den Krieg gewinnt. Und dann spielen wir zusammen ein Konzert!
Haben Sie das Gefühl, dass Sie der Welt gerade jetzt etwas zu sagen haben?
Ich versuche, so oft es geht, meine Stimme zu erheben, um mich für wichtige Themen einzusetzen. Es ist natürlich nicht so einfach, weil wir gerade schwierigen Zeiten „ausgeliefert" sind: Klimawandel, Pandemie, Krieg. Das spürt man in der Kulturbranche sehr.
Sie schreiben nicht nur Lieder für sich, sondern auch für Helene Fischer, Adel Tawil, Michael Patrick Kelly oder Sarah Lombardi. Könnten Sie Ihre engagierten Themen auch bei denen unterbringen?
Es hängt immer von den Künstlern und Künstlerinnen ab, weil es am Ende ja eher um ihre Geschichten geht. Ich stehe in der Regel daneben und versuche, ihre Geschichten in die richtige Bahn zu lenken. Durch die Konzerte mit Elaiza in Südafrika konnte ich ganz viel mitnehmen, und so kam ich auf das Thema „Fake Messiah", das ich in einem Song für Michael Patrick Kelly verarbeitet habe. Es ist immer situationsabhängig.
Wie kommt man an Superstars wie Helene Fischer heran?
Indem man sich Netzwerke in der Musikszene aufbaut. Ein Netzwerk ist das Atmen der Industrie. Bei mir waren es immer Begegnungen, die sich wie Zufälle anfühlten. Es spricht sich immer weiter herum.
Ist das Netzwerken auch der Grund, weshalb Sie nach Berlin gegangen sind?
Ja. Ich kenne aber auch Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Studios weiter rausgezogen sind. Das funktioniert auch. Aber wenn du dir einen Namen erarbeiten willst, hast du in Berlin alle Plattenfirmen, alle Verlage und massenhaft Studios. Überall ist Kreativität.
Welche Beziehung haben Sie heute zum Saarland?
Ich bin da immer noch einmal im Monat, weil meine Eltern und viele Freunde im Saarland leben und ich mit dieser Kultur aufgewachsen bin. Für mich ist das immer wie ein Miniurlaub, weil es bei meinen Eltern sehr grün und sehr ruhig ist. Sobald ich dort bin, switche ich direkt ins Saarländische. Ich bin dann halt dahemm. Aber Berlin ist auch mein Zuhause.
Was haben Sie sich für Ihre Clubtour vorgenommen?
Ganz viel. Ich habe sie umbenannt in „Zusammen"-Tour, weil es in diesen schwierigen Zeiten schön ist, für ein paar Stunden in einem magischen Raum zusammenzukommen und das Leben zu feiern. Ein Live-Konzert mit Publikum ersetzt keinen Stream! Aber man merkt, dass die Leute noch verunsichert sind. Selbst ganz große Namen kriegen gerade die Hallen nicht voll. Ich finde es schade, dass alle immer nur über die Erfolge reden und nicht darüber, dass so viele Festivals abgesagt werden mussten. Wegen Fachpersonalmangel, geringer Ticketverkäufe und Corona. Umso mehr freue ich mich, dass meine Konzertreise zum ersten Album jetzt endlich stattfindet.