Der „Neukahlenberger Hof" und der angeschlossene Dorfladen produzieren seit dreieinhalb Jahrzehnten Produkte nach strengsten Bio-Richtlinien, dem Demeter-Standard. Zudem bieten sie Menschen mit Assistenzbedarf eine Lebensgrundlage.
Der „Neukahlenberger Hof" betreibt seit 1985 seine Demeter-Landwirtschaft. Das bedeutet, dass hier Jahrzehnte nach den strengsten Bio-Richtlinien, den Richtlinien von Demeter, produziert wird. Hier haben auch Menschen mit Assistenzbedarf Arbeitsplätze gefunden. Bei meinem Besuch werde ich von Geschäftsführer Volker Liedtke-Bösl und Werkstattleiter Andreas Ludes begleitet. In der Käserei lerne ich Soledad Lagos und Bäckermeister Christian Jenewein kennen, die mir die unterschiedlichen Aktivitäten des Hofes vorstellen.
Andreas Ludes ist seit ein paar Wochen der neue Werkstattleiter und für vieles zuständig: „Ich habe die Verantwortung für alle Werkstätten des Hauses Sonne", erzählt er. „Das sind Bäckerei, Montagewerkstatt, Schreinerei, Holzwerkstatt, Wäscherei sowie die Außenstelle Neukahlenberger Hof mit der Käserei."
Diese Außenstelle liegt in der wunderschönen Landschaft der Biosphärenregion Bliesgau, südlich von Blieskastel. Leben und arbeiten bedeutet hier die Pflege und das Umsorgen der Tiere, das Bestellen der Felder und das Gestalten der Landschaft. Die Beschäftigen in den Werkstätten teilen sich Arbeiten im Stall, in der Käserei, bei Erntearbeiten, in der Bäckerei und im Dorfladen. Sie versorgen die Kühe und die Bäckerei mit ihren eigenen Erzeugnissen. Dazu gehören auch Kartoffel- und Obsternte.
Die eigenen Produkte werden auf Märkten und in Biogeschäften verkauft. Zwei Landwirte und Menschen mit Assistenzbedarf versorgen hier auch 30 Kühe, vier Mutterschafe und zwei Pferde. Auf 102 Hektar Land – 70 Hektar Grünland und 32 Hektar Acker – wachsen nach den biologisch-dynamischen Richtlinien Weizen, Roggen, Hafer, Kartoffeln, Kleegras und Luzerne. Mehr als 100 Obstbäume und Beerensträucher sind zu pflegen, die etwa Äpfel für Saft und Marmeladen liefern oder deren Früchte auch als Obst im Dorfladen verkauft werden. Ebenso Kirschen, Mirabellen und auch Zwetschgen.
Jährlich 150.000 Liter Milch
Auch die Pflege der Naturlandschaft steht auf dem Programm: Mehr als vier Kilometer Wind- und Vogelschutzhecken, die Wohn- und Aufenthaltsort für Singvögel, Igel, Wiesel und andere Bewohner sind. Oft arbeiten in der Landwirtschaft auch Praktikanten. Der „Neukahlenberger Hof" sucht auch die Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen, Waldorfschulen, Universitäten und anderen Bildungsträgern.
Zuerst besuche ich die Käserei. Während zwei Kollegen gerade Quark abfüllen, erklärt mir Soledad Lagos ihre Arbeit. Neben Quark wird hier auch Naturjoghurt gemacht und alles von Hand abgefüllt. Am nächsten Tag schon soll alles auf Märkten und an Bioläden verkauft werden. Auch Rohmilchkäse machen sie hier, ebenso Käse aus pasteurisierter Milch.
Bereits vor Jahrzehnten erfuhr ich vom Käse des „Neukahlenberger Hof". Dies war im Restaurant von Cliff Hämmerle, der einige seiner Rohmilchkäse von hier bezieht. Die Käserei verarbeitet jährlich 150.000 Liter Milch, und zwar ausschließlich selbst erzeugte. Ist sie aufgebraucht, gibt es eben keinen neuen Käse. Fremde Milch zu kaufen gehört hier nicht zum Programm. Entsprechend ist auch Butter ein heikles Thema, denn dafür braucht es viel Milch und Rahm. Wenn diese bereits für den Käse verbraucht wurde, gibt es eben in dieser Zeit auch keine Butter – auch wenn diese bei den Kunden sehr beliebt ist. Hier ist eben noch alles Handarbeit, und da gelten andere Regeln als in einem industriellen Milchbetrieb.
Das Angebot umfasst etwa 25 Sorten Käse. „Einer unsere Käse ist der ,Weiße Höfling‘, eine Art Camembert mit Weißschimmel", erklärt Soledad Lagos. „Er wird nur hier in diesem Raum gemacht. Ein anderer Käse kommt hier nicht rein." Dann zeigt sie mir „unsere Schatzkammer", wie sie es nennt. „Vom Salzbad kommt der Käse direkt hier in unsere Keller und wird jeden Tag ,geschmiert‘, also mit Wasser und Salz eingerieben. Wir benutzen nichts anderes!" Ich erfahre, dass ihr „Gollensteiner" eine Art Münster-Käse ist. Stolz erzählt sie, dass bedeutende Restaurants wie „Hämmerle’s" in Blieskastel oder das „Restaurant Bellevue" in Biesingen diesen Käse immer wieder bestellen.
Je nach Bestellungen arbeiten sie das ganze Jahr mit ihrem Käse. Im Hofladen in Walsheim steht immer eine Palette von Käsesorten, die man dort kaufen kann. Die Produktpalette reicht von unterschiedlichen Bergkäse-Sorten bis zur sehr beliebten Hofbutter vom Rahm der eigenen Kühe. Sie beliefern mit ihrem Käse gern die Gastronomie und versenden ihn auch weiter weg. Qualität setzt sich eben durch! Als lizenzierte Demeter-Käserei garantieren sie für ihre Produkte Gentechnikfreiheit, schonenden Umgang mit dem Rohstoff Milch, handwerkliche Herstellung ohne produktfremde Zusätze. Dafür sind alle Käse mit Liebe hergestellt.
Arbeiten und leben auf dem Hof
Ich möchte von Geschäftsführer Volker Liedtke-Bösl erfahren, wie das „Haus Sonne" und der „Neukahlenberger Hof" zusammenhängen. „Das ist eins", betont er. „Wir haben im Werkstattbetrieb 100 Menschen mit Behinderung, die hier eine sinnvolle Tätigkeit verrichten. Das kann in der Schreinerei sein, in der Kerzenzieherei, in der Montage. Das ist sehr unterschiedlich. Und dazu gehört auch der ,Neukahlenberger Hof‘. Dort arbeiten 16 Menschen mit Assistenzbedarf. Sie leben, wohnen und arbeiten hier. Einige schon seit 20, 30 Jahren."
Anschließend machen wir uns auf den Weg nach Walsheim in den Dorfladen. Dort gibt es Fleisch, Wurst, Brot, Gemüse und Obst vom „Neukahlenberger Hof". Und noch vieles mehr. Dort stelle ich schnell fest: Viel mehr braucht der Mensch nicht zum täglichen Einkauf. Hier gibt es Backwaren aus eigener Herstellung, Obst und Gemüse aus eigenem Anbau, Käse aus eigener Milch und Herstellung, Säfte und Fruchtaufstriche, Wurst und Fleisch von eigenen Tieren und Produkte für den täglichen Bedarf in Bioqualität. Und zwar richtiges Biozertifikat nach Demeter-Standard und nicht Bio der europäischen Technokraten. Deren Bio-Siegel dienen eher dazu, das Gewissen der Kundschaft im Discounter zu beruhigen.
Ich komme ins Gespräch mit Bäckermeister Christian Jenewein. Er erklärt: „Wir verarbeiten das, was die Landwirtschaft mir anbietet. Bleiben wir mal bei der Käserei. Der Neukahlenberger Hof hat ja gerade Quark produziert. Also haben wir heute Käsekuchen gebacken. Diese Nachhaltigkeit unserer Philosophie kommt unserem Backprozess entgegen. Gerade für die Menschen mit Assistenzbedarf. Qualität heißt nämlich lange Stehzeiten bei Sauerteigen. Lange Vorteige, lange Teigführung. Das kommt uns entgegen. Bei traditioneller Produktion, wo alles über Zeit definiert wird, wäre es für unsere Menschen hier schwierig. Wir können uns aber Zeit nehmen, um Qualitätsprodukte herzustellen. Zeit ist bei uns eine Zutat! Jeden Tag gibt es fast alles. Und einmal die Woche gibt es Kartoffel-Bier-Brot, und freitags gibt es Quark-Dinkel-Brot."
Keine Frage, dass ich am Ende meines Besuchs kräftig für die nächsten Tage einkaufe – bei so viel Gutem an einer Stelle.