Boomer und Memes: Zwei Welten prallen aufeinander
Neulich war ich bei Freunden eingeladen, und als die Konversation ein wenig stockte, vertrieb sich die 16-jährige Tochter des Hauses die Zeit damit, auf ihrem Smartphone Memes anzusehen. Offensichtlich hatte sie Spaß dabei, lachte, und weil sie vermutlich kurz vergaß, wie alt ich bin (der Älteste in der Runde) oder weil sie mir etwas Gutes tun wollte, hielt sie mir ihr Smartphone unter die Nase: „Guck mal, was für ein witziges Meme!"
Ich hatte vorher in meinem Leben schon Memes gesehen. Etwa drei bis fünf, schätze ich. Zum Glück fragte jemand anderes – zwei Jahre jünger als ich – aus der Runde: „Was sind denn eigentlich diese Memes?" Ich machte den Fehler, sofort das Wort zu ergreifen: „Also ich kann über Memes nicht lachen." Daraufhin die 16-Jährige: „Ok, Boomer, das sollst du ja auch nicht."
Ich glaube, sie mag mich eigentlich, bemitleidet mich aber auch, weil ich so ein ignoranter Baby-Boomer bin und gern darüber rede, wie es in den späten 70ern so war. Aber nie zuvor hatte sie mich „Boomer" genannt. Instinktiv merkte ich, dass das nicht als Kompliment gemeint war.
Die 16-Jährige ist fair, sehr fair, und außerdem klug, deshalb erklärte sie mir, dass das Grundprinzip bei den Memes gerade darin besteht, exklusiv zu sein: Ich lache über was, worüber du nicht lachst … nicht lachen kannst, weil du die dahinterstehenden Codes und Subtexte nicht kennst. Aha, da hat wohl – unbemerkt von mir und meinesgleichen – eine Humorwende stattgefunden.
Was sind denn nun Memes? Kurz und „boomig" ausgedrückt: Witze, die aus Bild-Wort-Kombinationen bestehen, aber trotzdem keine Cartoons oder Karikaturen sind. Vielmehr werden weltweit bekannte Fotos oder Filmszenen immer wieder kopiert, wie etwa das Bild mit dem Typen, der händchenhaltend mit seiner Freundin rumläuft und dabei einem anderen Mädchen hinterherguckt. Das wird dann Hunderte Male mit verschiedenen Großbuchstaben-Textfeldern variiert und millionenfach geteilt.
Kapiert, was Memes sind? Nein? Dann befürchte ich, Sie sind schon mindestens so alt wie ich.
Apropos so alt wie ich: Damals bei uns auf dem Schulhof konnte niemand überzeugender unseren Erdkundelehrer imitieren (70er-Sprech: „nachäffen") wie ich. Von schulinternen Skandälchen bis zum Versuch von Franz-Josef Strauß, sich 1980 zum Bundeskanzler wählen zu lassen, kommentierte ich alles Mögliche mit Stimme und Gestus von besagtem Erdkundelehrer.
Das verschaffte mir Kultstatus, allerdings nur auf unseren Schulhof begrenzt. Hätte es damals schon Internet gegeben, wäre ich nicht einfach nur Erdkundelehrer-Imitator geworden, sondern Meme-Gifer, und meine Fangruppe wäre viel größer gewesen. Meine Schwierigkeiten mit der Schulleitung allerdings auch.
Manchmal gingen Schulhof-Lehrer-Imitationen auch daneben, was meistens nicht am Imitat, sondern am mangelnden Wortwitz lag, auf den es vor allem ankam. Dann rollte meine Peergroup (das hieß früher „Mitschüler") mit den Augen, verzieh mir, und tags darauf kam mein nächstes nicht-digitales Erdkundepauker-Meme vielleicht besser an. Heute landest du mit ein paar down-gevoteten Memes für immer in der digitalen Hölle. Weltweit! Schlechte Memes kriegst du nicht mehr weg. Manchmal werden die dann sogar selbst Grundlage für neue Memes.