Ziele formulieren ist das eine, die Umsetzung in die Praxis das andere. Erst recht, wenn man einen großen Tanker auf neuen Kurs bringen will. Die Fachtagung „Lernen für die Zukunft" hat gezeigt, dass vieles trotzdem geht.
Es war eine gesprächsintensive Mittagspause. Der Impuls von Margret Rasfeld hatte offenkundig viel Stoff für weiteren Austausch geliefert. „Wie muss sich Schule verändern, dass sie zukunftsfähig ist und dass sie Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich zu entwickeln?", steht als große Überschrift nicht erst seit diesen Tagen im Raum, erläutert Anna Haßdenteufel vom Fachbereich Grundsatzthemen in Schulen beim Landesinstitut für Pädagogik und Medien. Ein Fachbereich, der sich mit Themen wie Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Prävention, Friedenserziehung, Chancengleichheit, Demokratiebildung und weiteren Feldern beschäftigt.
Dass sich in Schulen nichts bewegen würde, wäre sicherlich keine zutreffende Beschreibung. „Es gibt immer wieder Bereiche, in denen etwas geschieht: Es sind kleine Reförmchen, und jedes Mal wird dann so getan, als wäre es der riesengroße Wurf. Letztendlich ändert sich aber an den grundsätzlichen Strukturen nichts." Haßdenteufel teilt in einigen Kernpunkten die Kritik von Margret Rasfeld: „Wir haben Benotungen, wir haben einen Fächerkanon, wir haben Curricula, die viel zu voll sind. Die Kinder und Jugendlichen lernen im Rhythmus von einer Doppelstunde zur nächsten Doppelstunde und dann noch zwei Einzelstunden, was eigentlich gar nicht geht."
Nun sind das alles keine sonderlich neuen Erkenntnisse und Kritikpunkte. Schule verändern ist offensichtlich ein besonders mühsames Geschäft. „Wenn man sich Schule als Riesentanker vorstellt: Der ist auf Kurs gebracht und der fährt. Wir kriegen es offensichtlich auch in diesen föderalen Strukturen nur ganz schwer hin, dass wir Schule neu denken", unterstreicht Haßdenteufel.
Mit ihren „Schülerstreiks" haben Fridays for Future das offensichtlich selbst in die Hand genommen und dabei einiges angestoßen. „Es ist eigentlich unglaublich, dass Schüler und Jugendliche mit der Fridays-Bewegung aus der Schule raus mussten, um zu erfahren: Wir können unter Umständen was bewegen. Aber eben außerhalb der Schule. Das ist völlig grotesk." An der Stelle sollte das Konzept des „Frei Day" greifen.
Schulen brauchen deutlich mehr Freiheiten
Mehr Freiheiten, das sollte aber auch nach Überzeugung von Haßdenteufel ganz grundsätzlich für Schulen gelten: „Unbedingt. Schulen haben, je nachdem, in welchem Quartier sie sind, völlig unterschiedliche Problemfelder zu bearbeiten. Schulen brauchen dann aber auch die Lehrerinnen und Lehrer, die dort arbeiten wollen. Wenn Schulen mehr Autonomie hätten, mehr mitbestimmen könnten, welche Kolleginnen und Kollegen in ihr Kollegium und zu den Schülern passen, dann könnte ich mir vorstellen, dass man schon ganz viel verändern könnte."
Dass das alles nicht ganz unmöglich ist, zeigen viele Projekte und Schulen, die sich ein besonderes Profil erarbeiten. Als ein besonderes Beispiel wird oft die vielfach ausgezeichnete Ganztagsgemeinschaftsschule Neunkirchen genannt. Unter anderem wegen besonderer Formen und Schülerbeteiligung: „Uns ist demokratische Schulentwicklung sehr wichtig. Für uns ist wichtig, dass wir auch Schülerinnen und Schüler fragen, wie Schule der Zukunft aussehen soll. Das machen wir sehr intensiv – und sehr erfolgreich", sagen Schülerinnen und Schüler. Dass dort auch das Konzept von „Frei Day" in einer der ersten Schulen im Saarland implementiert wurde, überrascht dann weniger.
Was bei der Fachtagung aber auch deutlich wurde: Es geht offenbar schon jetzt viel mehr, als man gemeinhin vermuten würde. Manchmal hilft das gute Beispiel, vor allem aber der Abschied vom Einzelkämpfertum: „Ganz wichtig: zu merken, wir sind nicht allein. Wenn wir gemeinsam versuchen, ein Ziel zu verfolgen, kann es gelingen."