Der neue Küchenchef Benjamin Löttrich im „Kopps" liebt Gemüse, Barchef Jannick Stillger die alkoholfreien oder alkoholhaltigen Drinks. Der vegane Casual Diner in Mitte hat sich mit einem Fünf- bis Sieben-Gang-Menü plus Drink-Begleitung „mit" und „ohne" neu aufgestellt.
Geh ins ‚Kopps‘", legte mir der Journalistenkollege das vegane Casual-Dining-Restaurant in der Linienstraße ans Herz. „Die haben eine hervorragende alkoholische wie nichtalkoholische Drink-Begleitung zum Menü." Gesagt und just an einem Tag geschehen, als der neue Küchenchef Benjamin Löttrich sein offizielles Debüt am Koppenplatz gab. Als Freundin der ausgefeilten nichtalkoholischen Drinks wählte ich die „nüchterne" Begleitung von Barchef Jannick Stillger, die die sieben Gänge des Menüs ergänzt. Die kulinarische Freundin schielte auch auf die alkoholische Seite und durchbrach das Entweder-Oder mit einem Wermut-Rosé zum „Käse"-Gang. Das Hin- und Her-Switchen zwischen alkoholischer und „nüchterner" Begleitung ist im „Kopps" kein Problem.
Die Bar ragt in den Eingangsbereich hinein. Da bietet es sich an, sich vorne mit einem Drink auf den Abend einzustimmen. Wir können den Bartendern bei der Arbeit und dem Entstehen der „Italo Disco" und des „Forrest" am Brett zusehen. Meine zartgrüne „Italo Disco" bekommt ihre Umdrehungen durch Basilikum-Soda, die sich am gewendelten Barlöffel hinunter in eine Horchata ergießen darf. Als Horchata wird im spanisch-lateinamerikanischen Kosmos ein Erfrischungsgetränk auf der Basis von zerstampften getrockneten Früchten, Nüssen oder Samen bezeichnet. Warum die nicht mal aus zerstoßener, gewürzter Pasta ansetzen? „Wir wollten die Aromatik etwas Tomatigem nachbilden", sagt Jannick Stillger. „Aber ohne Assoziationen an eine Bloody Mary zu wecken."
Höre ich nicht die Klänge von „I like Chopin" im Hintergrund? Die Freundin ist parallel zur „Italo Disco" mit einem in Moos gebetteten Glasschälchen im „Forrest" gelandet. Ein Palomino Fine Sherry, Kastaniensüße, Fichtensprossengeist und ein mit Moos infusionierter Junmai Sake aus purem Reis sorgen für Ausgewogenheit im nicht zu süßen alkoholischen Wald. Ablesbar ist das an einem Ring-Diagramm, in dem die Bestandteile entsprechend gewichtet abgebildet sind. Die Karten sind zudem auf leicht duftendem Graspapier gedruckt – Nachhaltigkeit wird im „Kopps" groß geschrieben. Das gilt für Bar, biologische und biodynamische Weine, für die Küche und ebenso für Reinigungsmittel, Biogas und Ökostrom.
Als Inhaber Ilhami Terzi 2011 eröffnete, war das „Kopps" eines der ersten veganen Restaurants mit Anspruch – lange vor dem Trend-Ausbruch. Inzwischen ist es beim Casual Dining mit einem Sieben- oder Fünf-Gang-Menü angekommen, das 105 oder 75 Euro kostet. Die Getränkebegleitung dazu ist für 70 Euro für sieben und bis zu 38 Euro bei vier Gängen zu haben. „Ich finde es reizvoll, eine gehobene, rein pflanzliche Küche ohne Verzichtgefühle erlebbar zu machen", so Benjamin Löttrich, der zuvor Stationen in der Spitzenküche, unter anderem im „Duke" im Ellington oder im „Deidesheimer Hof", absolviert hatte.
„Es macht mir Spaß, neue Produkte zu entwickeln, die es so noch gar nicht gibt, zum Beispiel vegane Käsespezialitäten." Die sind definitiv Königsklasse, aber dennoch für meinen Geschmack noch nicht so ganz auf der Höhe ihrer milchhaltigen Vorbilder. Der weiche „Blauschimmel" auf Mandelproteinbasis und mit tierfreien Kulturen aus Frankreich wagt sich weit vor, selbst wenn er mir noch etwas zu säuerlich ist. Doch kombiniert mit süß-sauren confierten Stachelbeeren und einem Auberginensorbet passt er sehr gut zu einem Bubble-Tea aus Jujube-Chinadatteln, Assamtee und Verjus mit Feigenperlen. Vor allem Letztere machen Spaß und dem Namen „Bubble" alle Ehre, platzen sie doch fruchtig am Gaumen auf und haben nicht die flummiartige Textur von Tapiokaperlen. „Es ist Tradition geworden, zum sechsten Gang einen Bubble-Tea zu reichen", sagt Jannick Stillger.
Wir streifen in unseren sieben Gängen durch herbstliche Gemüse: Eine dicke Knospe aus Rote-Bete-Tatar und einer Sonnenblumenkern-Creme mit Meerrettich wird umhüllt von einem roten Beten-Carpaccio. Sie liegt auf einem Spiegel von Roter Bete und Dill. Wir entblättern sie Schicht für Schicht und erfreuen uns am frisch-pikant-süßen Geschmack. Ins Glas kommt bei mir dazu ein Mix aus Birne, schwarzer Walnuss, Petersilie, Gojibeere und Soda. Bei den Alkohol Trinkenden wird mit Champagner aufgefüllt. Die Teller von Küchenchef Benjamin Löttrich machen Spaß – trotz Verfeinerungen und Drumherum ist immer erkennbar, um welches Gemüse es geht. Eine Scheibe vom im Ganzen gegarten Rotkohl zeigt sich im dritten Gang als solche. Sie wird von einem Schaum vom roten Shiso und Apfel umschmeichelt. Gerösteter Quinoa cruncht, ein Portweinjus bringt Kraft an Kohl und Süßkartoffel-Gnocchi. Schönes, kontrastierendes Extra ist eine in unbehandeltem Meersalz eingelegte Pflaume.
Der Blauschimmel macht Spaß
Im Glas findet sich ein Saft von der Scheurebe, aus Shiso-Blättern und Zimt. Stillger nutzte ein aufwendiges Verfahren mit der hauseigenen Zentrifuge, um Wertigkeit, Glanz und die Textur eines Rosés nachzuempfinden. Erfolgreich. Der fünfte Gang mit Kürbis präsentiert sich als Stapel von süßsauren Hokkaido-Schleifen auf einem cremigen Butternut-Unterbau. Er wird mit Aprikose und einem in Amaranth gewälzten wilden Brokkoli komplettiert. Ein sehr angenehmer Kontrast von leichtem Knusper, Süße und Kürbisnoten. Löttrich serviert volle Teller: Die Kartoffelcreme mit bayerischem Holunderkraut im zweiten Gang ist schon eine ziemlich sättigende Portion. Die im Syphon aufgeschäumte Creme wirkt zarter und leichter als sie ist. In ihr tummeln sich ein ausgebackenes Kartoffelbällchen mit marinierter lila Kartoffel und Rauke. Der darüber gegebene „Kaviar des Feldes" von der Radmelde oder „Besenkraut" ist eine echte Besonderheit und bringt zart säuerliches grünes Plöpp an das sanfte Gericht. Ich trinke zur Creme einen leicht warmen Cappuccino mit weißem Blumenkohl und Trüffel. Getränk und Gericht gehen Hand in Hand den harmonischen Weg miteinander.
Nach drei Hereinschmeckerchen – einer Rote-Bete-Polenta mit karamellisiertem Blumenkohl, Kürbiscreme mit Brokkolistrunk und der veganen Interpretation eines Königsberger Klöpschens – und danach zahlreichen gezählten, „echten" Gängen wird’s im Magen eng. Die Portionen sind für das Sieben-Gang-Menü zu groß dimensioniert. Eine so lange Bergwanderung macht kein Mensch vorher in Mitte! Fünf der schön gemüsigen Gänge sollten bei gutem Hunger problemlos klappen, zumal Uwe Marschke vom „Wolkensteiner Hof" sein Grünzeug aus der Königsklasse des regionalen Anbaus aus Groß-Kreutz liefert. Sellerie und Steinpilz mit Kaffee, Lavendel und Zwiebel macht ebenso viel Spaß wie der Blauschimmel im experimentellen „Käse"-Gang, und beide möchten noch genügend Platz in uns finden. „Alle vier Wochen sollen tragende Elemente wechseln", hat sich Benjamin Löttrich für seine Karte vorgenommen. Das bietet auch Jannick Stillger Raum für immer wieder neue Drink-Kreationen. Wer ohne Essen einfach so „mit" oder „ohne" trinken will, hat dazu sogar mittwochabends ohne Restaurantbetrieb im „Kopps" Gelegenheit.
Desserts perfekt für Süßschnäbel
Das Dessert im Menü sollte sich kein Süßschnabel entgehen lassen. Genauer gesagt sind es zwei Portiönchen im Schwarz-Weiß-Kontrast: In einer Keramikschale macht sich ein sanftes Congee vom schwarzen Reis mit einem Schwarzwurzel-Schaum zu einem Sorbet von schwarzer Johannisbeere breit. Ein fermentierter alkoholfreier Milchpunch mit Orange und Popcorn bringt mit ordentlich Perlage das weiche Congee in Schwung. „Die Technik dazu haben wir uns ausgedacht und 15 Monate daran gearbeitet", sagt Jannick Stillger. Auf einem zweiten Teller lagern ein Sorbet von der Schwarzwurzel und in Trompetenpilz marinierte Schwarzwurzeln. Dazu kommen zweierlei Mousse von Johannisbeere und schwarzer Walnuss. Dieses halbe Dessert ist deutlich kontrastreicher in sich. Es verkraftet den Alkoholschubs von einem weichen jamaikanischen Rum mit roter Johannisbeere, Salzkaramell und Bio-Kola problemlos. „Ich wollte euch zeigen, was möglich ist", sagt Jannick Stillger, der beide Drinks zum Probieren gebracht hat. „Die alkoholfreie Begleitung ist mein Steckenpferd." Das schmecken wir mit jedem Drink. Mit Benjamin Löttrich und dessen Gemüse-Leidenschaft ist es ein perfektes Match, aus dem sicher in Zukunft noch viel Spannendes entstehen wird.