Einst galt Keratin als fragwürdige Behandlungsmethode. Doch mittlerweile sind die Produkte so vielschichtig wie nie und sehr spendabel in ihrer Pflegewirkung.
Zunächst gilt zu klären, dass es nicht das eine Keratin gibt. Um genau zu sein, sind heute mehr als 150 Sorten bekannt, die auf unterschiedlichste Art und Weise Einzug in diverse Haarpflegeprodukte finden. Doch warum gibt es das überhaupt? Ganz einfach, weil dem Haar das eigene Keratin fehlt oder vielmehr verloren geht. Gesunde Haarstrukturen bestehen zu 90 Prozent aus dem Eiweißprotein. Dazu kommen fünf bis zehn Prozent Wasser, Pigmente, Lipide, Mineralien und Metalle. Angeordnet sind die Bestandteile in insgesamt drei Schichten, die Cuticula, Cortex und Medulla heißen. Am empfindlichsten ist die Cuticula, die äußerste Schicht, auch unter dem Namen Schuppenschicht bekannt. Sie schützt das innere Gewebe, die Medulla. Der größte Teil eines Haares, nämlich etwa 80 Prozent, besteht aus der Rinde (Cortex). Hierbei handelt es sich um eine Faserschicht, die bündelförmig angeordnet ist. In den Bündeln laufen die Keratinfasern zusammen. Für Friseure ist diese die spannendste Schicht, da die Fasern auf Färbungen, Glättungen und Dauerwellen reagieren und dafür sorgen, dass mit dem Haar eben passiert, was chemisch angedacht ist. Die unterschiedlichen Anwendungen verursachen schnell Schäden in der Haarstruktur. Diese verliert an Stärke, Festigkeit, Wachstum und Flexibilität. Schäden, die nicht ausschließlich im Inneren stattfinden, sondern auch äußerlich in Form von sprödem, trockenem Haar und wenig Glanz zu sehen sind. Der Verlust des Keratins passiert im Übrigen nicht nur durch ausführliche Treatments beim Friseur, sondern kann außerdem durch ruckartiges Kämmen, starke Hitze und bei schlechter Ernährung geschehen.
Eine intensive Behandlung mit Keratin kann helfen, die eigenen Speicher wieder aufzufüllen und die Schäden zu reparieren. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze. Eine gesunde Ernährung mit wertvollen Proteinen hilft, dem Haar wieder mehr Kraft zu schenken. Allerdings kann über die Nahrung das Eiweißprotein nicht direkt aufgenommen werden. Der Körper baut es aus den Bausteinen selbst und ist in der Lage, sich allein zu heilen. Klappt das nicht in gewünschtem Maße, dann helfen spezielle Produkte aus Drogerien und Apotheken weiter. Am einfachsten sind Shampoos, die mit Keratin angereichert sind wie zum Beispiel „Kérastase Résistance Bain Force Architecte" mit dem speziellen Vita-Ciment-Komplex, der dabei helfen soll, Hohlräume in den Haarfasern wieder aufzufüllen und dadurch dem Haar insgesamt mehr Griffigkeit und Lebendigkeit zu schenken. Für eine glatte Oberfläche soll auch das „Reconstruct Shampoo" aus dem Hause Kerasilk sorgen. Wem ein Shampoo allein noch nicht ausreicht, der kann mit zusätzlicher Pflege nachhelfen. Wie dem „Finishing Serum" von Iles Formula oder auch der „Treatment Mask" von Ouai (über sephora.de erhältlich). Speziell für Veganer ist es vor der Auswahl des passenden Produkts wichtig zu ergründen, woher das Keratin stammt. Vieles ist tierischen Ursprungs und wird aus Tierhaar oder vielmehr Fell gewonnen. Es gibt inzwischen sogar schon Ansätze, es direkt aus menschlichem Haar zu generieren. Virtue hat einen entsprechenden „Smooth Conditioner" entwickelt, der dementsprechend „aufgerüstet" ist. Wer kein Risiko eingehen will, für den bietet der Handel auch vegane Keratinprodukte an, wie zum Beispiel die komplette Dusch- und Pflegeserie von Jean & Len (erhältlich über DM und Rossmann) oder das Shampoo von Organic & Botanic. Noch bessere Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn der Friseur eine professionelle Anwendung durchführt. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Haar glatt oder lockig, coloriert oder naturbelassen ist. Es kommt allein auf die individuelle Dosierung und das passende Treatment an. Statt das Keratin einfach auszuwaschen, wird es nach vorheriger Haarreinigung und relativ kurzer Einwirkzeit mithilfe von Hitze tief in das Haar eingearbeitet. Hat der Föhn sein Werk getan, wird es mit einem Glätteisen versiegelt. Anschließend ist es ratsam, mindestens 48 Stunden keinerlei Feuchtigkeit an den Kopf zu lassen, sonst drohen unschöne Falten beziehungsweise Knicke. Zur Weiterpflege sollten unbedingt silikonfreie, salzfreie und alkoholfreie Shampoos zum Einsatz kommen, damit die Anwendung auch lange hält.
Eine intensive Behandlung mit Keratin kann helfen, die eigenen Speicher wieder aufzufüllen
Hat denn damit das Keratin endgültig seinen schlechten Ruf als gesundheitsschädigend verloren? Jein… In Ländern wie Brasilien und den USA enthalten viele Treatmentprodukte neben dem Keratin auch Formaldehyd, welches zur Bindung eingesetzt wird. Das ist schädlich für den Körper und kann in größeren Mengen zu Vergiftungen führen. In Deutschland müssen sich Kunden und Kundinnen um solche Nebenwirkungen aber nicht sorgen, denn hierzulande ist diese Mischung streng verboten. Statt Formaldehyd nutzen Hersteller pflanzliche Gerbstoffe (Tannine), die keinerlei schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Bei der Anzahl der Anwendungen intensiver Treatments insgesamt kommt es auf die vorhandene Haarstruktur an. Experten empfehlen drei bis vier Behandlungen im ersten Jahr, danach genügt es, etwa alle sechs Monate zur Auffrischung zu gehen. Auch Keratin-Shampoos und Conditioner sollten nicht täglich auf dem Haarpflegeprogramm zu Hause stehen. Ist eine Flasche verbraucht, zwischendurch ruhig auf andere Shampoos zurückgreifen. Hier lautet die Devise tatsächlich: Weniger ist mehr! Irgendwann sind die Keratin-Speicher voll, dann kommt das Haar erst mal ohne eine zusätzliche Pflege aus. Sobald man merkt, dass es abermals spröde, trocken und rissig in den Spitzen aussieht, wird es Zeit, erneut die Lager aufzufüllen und Lücken in den Proteinbausteinen zu schließen. Je nach Grundbedarf entscheidet sich dann, ob der Friseur eine professionelle Anwendung macht oder man das Ganze selbst behandelt. Die Auswahl an Produkten ist ja inzwischen groß genug und hierzulande auch garantiert vollkommen unschädlich für die Gesundheit.