Wenn der Schlaf durch nächtlichen Harndrang unterbrochen wird, leidet die Lebensqualität. Doch nicht jedes Aufstehen zu später Stunde ist gleich eine Nykturie – die pathologische Ausprägung des Wasserlassens.
Man könnte denken, dass man mit nächtlichem Harndrang beim Urologen an der richtigen Adresse ist – Experten raten aber erst mal zum Gang zum Hausarzt. Denn oft ist es schlicht kein urologisches Problem. Der Vorteil eines Hausarztes liegt zudem ganz klar darin, dass dieser seine Patientinnen und Patienten oft über viele Jahre begleitet, während Fachärzte wie Urologen die Menschen immer wieder mal sehen und die genaueren Begleitumstände oft nicht kennen. Da ist es für einen Hausarzt entsprechend leichter, eine exaktere Diagnose zu stellen – man kennt eben auch die Krankengeschichte genauer.
Je häufiger man nachts raus muss, umso gestörter ist natürlich der Schlaf. Wenn man nicht durchschläft, oft wach wird und danach nicht mehr gut einschläft, dann ist die Lebensqualität durch Tagesmüdigkeit deutlich beeinträchtigt. Die Auswirkungen von nächtlichem Harndrang können sich also auf den kompletten Alltag auswirken. Durch den unterbrochenen Schlaf ist gute Erholung also kaum möglich, es können sogar Depressionen ausgelöst werden.
Auch die Gefahr von Stürzen und somit von Brüchen und Frakturen kann durch den nächtlichen Harndrang gerade auch bei älteren Personen steigen. Denn wann man nachts aufstehen muss und nicht ganz wach ist, werden Teppiche zu Stolperfallen. Man döst noch auf dem vielleicht langen Weg zur Toilette und muss eventuell auch Treppen steigen. Hausärzte berichten davon, dass ein Oberschenkelhalsbruch bei älteren Patienten wegen einer Nykturie keine Seltenheit ist. Mit zunehmendem Alter werden die Menschen eben unsicherer.
Dass der starke nächtliche Harndrang nicht nur, aber gehäuft ältere Menschen betrifft, beruht auf zwei Erkrankungen, die eben vor allem diese betreffen. Die eine ist bei Männern die Vergrößerung der Vorsteherdrüse der Prostata. In vielen Fällen vergrößern sich just jene Drüsenanteile, die die Harnröhre umgeben, wodurch sie allmählich eingeengt wird. Mit dieser Einengung kann es zu einer unvollständigen Entleerung der Blase kommen – und somit zu einem früh einsetzenden erneuten Harndrang, was sich besonders im Liegen bemerkbar macht – also in der Schlafposition.
Nächtlicher Harndrang ist ein häufiger Hinweis auf Probleme mit der Prostata oder dem Herzen
Die andere Erkrankung ist die eintretende Leistungsminderung des Herzens. Wenn Menschen über Tag keine hundertprozentige Herzleistung mehr haben, dann muss das Herz in der Nacht die Arbeit, die es über Tag nicht geschafft hat, nachholen. Das führt dazu, dass die Durchblutung der Nieren in der Nacht steigt – dadurch kommt es zu mehr Urin-Produktion, sodass die Blase drückt und man aufstehen muss. Natürlich muss man unterscheiden, ob man eine Erkrankung hat oder ob man abends zu viel treibende Getränke zu sich genommen hat und nur ein- oder zweimal aufstehen muss.
Das ist natürlich etwas anderes, als wenn man fünf-, sechsmal pro Nacht die Blase entleert – also quasi stündlich. Ist diese Häufigkeit der Fall, spricht man nicht mehr von nächtlichem Harndrang, sondern von der pathologischen Ausprägung, der Nykturie. Fachärzte weisen darauf hin, dass diese Begrifflichkeiten oft durcheinandergewirbelt werden. Nach Alkoholgenuss vor dem Schlafengehen einmal in der Nacht aufstehen – das ist eben etwas anderes, als wenn jemand eine schwere Herzinsuffizienz hat und nachts zweieinhalb Liter Wasser lassen muss.
Fachleute raten dazu, ein sogenanntes Miktionsprotokoll zu führen, um festzuhalten, wie viel getrunken wurde und wie hoch die wieder ausgeschiedene Harnmenge war. Bei der Diagnose helfen neben der obligatorischen körperlichen Untersuchung auch Ultraschall, Urin- und Blutuntersuchung sowie ein Elektrokardiogramm. Weiterführende Untersuchungen durch Fachärzte wie Urologen, Neurologen oder Kardiologen werden dann ebenfalls sinnvoll.
Eine Nykturie muss jedoch nicht gleich bedeuten, dass man eine schwere Erkrankung hat. Es kann auch einfach sein, dass man vor dem Schlafengehen zu viel Flüssigkeit zu sich genommen hat oder entwässernde Medikamente eingenommen hat, die vermehrtes Wasserlassen auslösen. Häufiger Harndrang kann beispielsweise durch Entzündungen der Blase ausgelöst werden, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Frauen haben dies jedoch deutlich häufiger. Dann wären da noch treibende Getränke wie Kaffee, Tee, Cola oder Alkohol. Letzterer verhindert die Ausschüttung eines bestimmten Hormons, das wiederum dazu führt, dass zu viel Urin gebildet wird. Wenn der Alkohol sich abbaut, kommt es dazu, dass dieses Hormon wieder nachlässt. Dadurch muss man dann vermehrt Wasser lassen.
Wie bereits erläutert, ist dieser Zustand eine sehr anstrengende Situation für die Patientinnen und Patienten. Da die Nykturie keine eigenständige Erkrankung ist, richtet sich die Behandlung nach den Ursachen, um den Patienten wieder einen ungestörten Schlaf zu bieten. Sind diese bekannt, lässt sich mit der entsprechenden Therapie auch der nächtliche Harndrang lindern.
Bei Herzschwäche kommen beispielsweise Medikamente wie ACE-Hemmer oder Betablocker zum Einsatz, die den geschwächten Herzmuskel unterstützen beziehungsweise entlasten. Einige Medikamente schwemmen über Tag aus. Wer aber abends keine Tablette mehr nimmt, bei dem reduziert sich das nächtliche Wasserlassen auf ein- oder zweimal. Dafür muss man jedoch, wenn man die Medikamente morgens nimmt, fünf-, sechs- oder siebenmal auf die Toilette. Patienten neigen jedoch oft dazu, das Medikament morgens nicht zu nehmen, sollten sie am Tag etwas vorhaben.
Weiter kann beispielsweise ein spezielles Blasentraining dabei helfen, die Blase an größere Füllmengen zu gewöhnen, indem der Gang zur Toilette bewusst hinausgezögert wird. Bei Infekten der Blase oder der Harnröhre sind Schmerzmittel hilfreich, in manchen Fällen sind sogar Antibiotika erforderlich. Ist die Prostata vergrößert, werden je nach Ursache und Stadium der Erkrankung ebenfalls Medikamente eingesetzt, um den Blasenmuskel zu entspannen. Es gibt zudem Medikamente, die die Prostata kleiner machen. Mitunter wird auch überschüssiges Gewebe operativ entfernt, um den Weg aus der Blase heraus wieder freizumachen.
Spezielles Training kann helfen, Erkrankungen zu lindern oder gar vorzubeugen
Bei einer eingeschränkten Nierenfunktion kommen im frühen Stadium ebenfalls Medikamente zum Einsatz, später kann jedoch eine künstliche Blutreinigung erforderlich sein. Bei der venösen Insuffizienz muss man bei Krampfadern und dicken Beinen dafür sorgen, dass die Beine gewickelt oder mit Kompressionsstrümpfen versorgt werden. Dann kommt es erst gar nicht zu der Wassereinlagerung, die in der Nacht aufgeschwemmt wird.
Fachärzte raten dazu, auf bestimmte Dinge abends vielleicht nicht ganz zu verzichten, sondern sehr bewusst damit umzugehen. Zudem sollte man versuchen, seine Verhaltensweisen zu ändern und beispielsweise vor dem Schlafengehen noch mal Wasser zu lassen – wenn man nicht medikamentös behandelt werden muss. Damit kann man für mehrere Stunden Ruhe haben. Wie bereits erwähnt, sollte man spätabends weder Alkohol noch Kaffee trinken. Denn Kaffee steigert das Herz-Zeit-Volumen, also die Leistung des Herzens pro Minute. Dadurch kommt es zu vermehrter Urin-Bildung.
Und wenn diese Dinge nicht reichen? Dann sollte man auf jeden Fall einen Hausarzt aufsuchen und ihn nach der Ursache für dieses häufige nächtliche Wasserlassen fragen.