Angriffe gegen „die Lügenpresse", Digitalisierung, Wandel in den Lese- und Sehgewohnheiten – der Journalismus steht unter Druck und verändert sich. Wie sich die Zunft weiterentwickelt und welche Rolle dabei eine Institution wie die Landespressekonferenz (LPK) spielt.
Zuletzt war es die Debatte über die mögliche Geldverschwendung bei den Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die die Medien-Debatte neu entfacht hat. Die Diskussion über die Zukunft des Journalismus wird aber schon länger und intensiv geführt. Wie sollte guter Journalismus sein, wie könnte er sich entwickeln – und was läuft alles schief? Darum wird auch in Redaktionen intensiv gerungen, denn neue, digitale Medien und Möglichkeiten stellen insbesondere den Printmarkt vor große Herausforderungen. Von der großen globalen Politik bis zum Geschehen auf kommunaler Ebene muss mittlerweile viel mehr und anders als früher um Leser und insbesondere zahlende Abonnenten gekämpft werden. Gleichzeitig stehen die Medienhäuser unter Druck, Vorwürfe der einseitigen oder falschen Berichterstattung, die es immer schon gab, werden aggressiver und feindseliger. Künstlich generierte Nachrichten oder Experimente mit synthetisch erzeugten Nachrichtensprechern bedrohen nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze, sondern verschärfen Glaubwürdigkeitsfragen. Diese und viele andere Herausforderungen treiben im Saarland auch die Landespressekonferenz (LPK) um. Sie ist ein Zusammenschluss von landespolitischen Journalisten, die sich neben der Kernaufgabe, Informationen von und über die Landespolitik allen Journalisten in dem Bereich gleichberechtigt zugänglich zu machen, in unterschiedlichen Formaten Gedanken über die Trends in der Branche machen. Zum Beispiel im Rahmen eines „Mediendinners".
Nutzerdaten sind Chance und Risiko
Gast in diesem Jahr war Benjamin Piel, Chefredakteur des „Mindener Tageblatts", der erst im Sommer eine Diskussion über die Nutzerdatenauswertung auf den Websites der Medien angestoßen hat. Klingt zunächst technisch, hat aber massive Auswirkungen auf die journalistische Arbeit. Denn so wie sich die Ansprüche an die Medien geändert haben, haben sich auch deren Möglichkeiten, besonders im Online-Bereich, gewandelt. Durch moderne Formen der Datenerhebung kann in Echtzeit nachvollzogen werden, wie oft und wie lange Personen mit bestimmten Inhalten interagieren. Das beeinflusst wiederum die Arbeit der Redaktionen, wenn es um mehr Klicks und längere Verweildauer geht. Überschriften werden zugespitzt und es stellt sich die Frage, welche Themen weitergedreht und behandelt werden – oder eben nicht, zumindest nicht so intensiv.
Benjamin Piel: „Die positiven Effekte sind nicht zu unterschätzen, besonders, dass wir eine Orientierung haben, für welche Themen und Themenbereiche sich unsere Kunden interessieren. Das ist selbstverständlich ein großer Gewinn." Aber das reine Vertrauen auf die erhobenen Zahlen ist eine trügerische Angelegenheit, wenn es auch um eigene inhaltliche Ansprüche geht. So sollten Überschriften beispielsweise nicht den Inhalt eines Beitrags überzeichnen und mehr versprechen, als nachher wirklich berichtet wird. Man spricht hierbei von Clickbaiting. Auch – und dieser Punkt ist Piel sehr wichtig – darf man über die stark nachgefragten Themen nicht andere, wesentliche Ereignisse unter den Tisch fallen lassen, denn ein Medium lebt davon, eine gewisse Bandbreite an Themenfeldern abzudecken, und nicht nur davon, das zu zeigen, was die Menschen am liebsten sehen. Hier sind Redakteure und Chefredakteure gefragt, trotz der Verlockung der harten Zahlen auf ein ausgewogenes, gut gemischtes Gesamtprogramm zu achten. „Natürlich wäre es möglich, nur über die Cluster zu schreiben, die bei uns, aber auch bei anderen Lokalzeitungen gut funktionieren, also Gastronomie, Immobilien, Verkehr und Kriminalität", meint Chefredakteur Piel. „Aber wenn man das wirklich zu 100 Prozent durchziehen würde, dann würde ganz viel, was die lokale Identität ausmacht, wie Vereine und Lokalpolitik, unter den Tisch fallen. Das Ergebnis wäre ein nicht mehr zu unterscheidender Einheitsbrei in den lokalen Medien, wovor ich auf jeden Fall warnen würde."
Die Debatten über guten Journalismus sind nicht neu, Herausforderungen haben sich durch technischen Fortschritt gewandelt. Für die LPK Saar ist sie ein dauerhafter Begleiter. Schon die Gründung (1956) geht darauf zurück, dass im Sinne einer fairen Berichterstattung über die Landespolitik allen Journalisten gleichberechtigt Informationen zugänglich sein sollten. So soll verhindert werden, dass aktuelle Informationen als Hofberichterstattung bloß wohlgeneigten Journalisten zugespielt werden. Eine Aufgabe, die immer wieder sowohl untereinander als auch mit den Akteuren der Landespolitik ausgehandelt werden muss.
„Die LPK ist eine Arbeitsgemeinschaft von Journalistinnen und Journalisten, die einerseits in bestimmten Bereichen gemeinsame Interessen haben, andererseits natürlich mit ihren Medien, für die sie arbeiten, im Wettbewerb stehen", erläutert der Vorsitzende Oliver Hilt.
Ein schon etwas länger zurückliegendes bekanntes Beispiel für die gemeinsamen Interessen geht noch zurück auf die Ära des ehemaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (damals noch SPD). 1994 plante die Landesregierung unter seiner Führung eine Änderung des Medienrechts, insbesondere hinsichtlich des Rechts auf Gegendarstellung, und zwar in einer Form, gegen die Journalistenverbände heftig protestierten, allen voran der damalige LPK-Vorsitzende (und heutige Ehrenvorsitzende) Michael Kuderna. Die Änderungen wurden später (im Jahr 2000 unter Ministerpräsident Peter Müller, CDU) wieder rückgängig gemacht.
Faire Bedingungen für guten Journalismus
Auf die Einhaltung der Spielregeln als Grundlage freier und fairer journalistischer Arbeit zu achten, ist Daueraufgabe für den LPK-Vorstand. Kritik aus der Mitgliedschaft ist immer wieder Anlass, an entsprechenden Stellen zu intervenieren. Insbesondere während der ersten Corona-Zeit mit Einschränkungen bis hin zum Lockdown galt es, umfassenden Zugang zu Informationen sicherzustellen. Das ist im Saarland besser gelungen als in anderen Teilen der Republik, weiß Hilt aus dem Erfahrungaustausch mit Kolleginnen und Kollegen anderer Bundesländer zu berichten.
Eine ziemlich exklusive Besonderheit der LPK Saar ist die „Goldene Ente". Während andernorts gerne Negativpreise für besonders medienunfreundliches Verhalten vergeben werden, wird die „Goldene Ente" sozusagen als Best-Practice-Auszeichnung vergeben, für einen offenen und fairen Umgang miteinander, wobei die unterschiedlichen Rollen immer respektiert werden. Seit fast 50 Jahren (1973 erstmals) werden Personen des öffentlichen Lebens damit ausgezeichnet. Zuletzt ging die „Goldene Ente" an Roland Rixecker, Präsident des saarländischen Verfassungsgerichtshofs sowie Beauftragter des Saarlandes für Jüdisches Leben und gegen Antisemitismus.
Die LPK stellt aber auch die eigene Arbeit ebenso wie Entwicklungen im Journalismus kontinuierlich auf den Prüfstand und hat dazu mit „LPK reloaded" ein eigenes regelmäßiges Gesprächsformat geschaffen, bei dem es auch um das journalistische Selbstverständnis geht. Wie in allen anderen Bereichen auch ist im Journalismus vieles unter den sich rasant ändernden technischen und gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr selbstverständlich. „Der gesellschaftliche Diskurs hat sich aus unterschiedlichen Gründen massiv verändert. Noch nie stand jedem so viel Information zu Verfügung. Trotzdem fühlen sich viele Menschen nicht besonders gut informiert. Das ist eine ja auch demokratische Herausforderung gerade für ‚traditionelle‘ Medien und uns Journalistinnen und Journalisten", unterstreicht der LPK- Vorsitzende.