Das ist das Motto von Silvia Bellusci, Inhaberin des Restaurants „Terra Italian Craft Kitchen“ in Kreuzberg. Es könnte auch der Slogan der „True Italian Pasta Week“ sein, in der 32 Gastronomien vom 14. bis zum 20. November mit je zwei Specials zeigen, wie vielfältig Nudeln aus dem Bel Paese interpretiert werden können.
Unter den Schweine- oder Elefantenkopf-Lampen ist im „Terra“ immer viel los: Die einen schneiden ihre schwarze Pizza in Viertel, die anderen gabeln Wildkräutersalat oder beißen in eine Bruschetta. Dazu läuft Musik, ab und an wabert eine verheißungsvolle Duftschwade aus dem Pizzaofen in den Gastraum. Man sitzt in Freundesgruppen auf den zwei Ebenen des Restaurants. Schwatzt, tafelt und kommt ins Gespräch mit Silvia Bellusci. Die Inhaberin von „Terra Italian Craft Kitchen“ ist mindestens so quirlig wie ihr Lokal. Sie setzt seit acht Jahren mit ihrer Art, die italienische Küche zu interpretieren, eigene Akzente.
„Ich mache, was ich in Berlin schon immer essen wollte“, sagt die 37-Jährige. „Oder was ich hier wichtig finde.“ Kreuzbergerin ist die studierte Sinologin und Indologin sowie Gastwirtin praktisch schon immer, seit sie vor 16 Jahren nach Berlin kam. Ihr Konzept ist im weitesten Sinne „Farm to Table“: Viel Grünes und Gesundes, das manchmal sogar aus dem eigenen Garten stammt. Eigentlich ist Silvia Bellusci immer mit einem Büschel Kräutern in der Hand in ihrem Lokal unterwegs, zupft ein Minze-, Estragon- oder Basilikum-Blättchen ab: „Probier mal, die sind ganz weich.“ Dann sind die jungen Kräuter entweder aus dem lokaleigenen „Infarm“-Schrank oder den Töpfen auf der Terrasse geerntet. Dort wölbt sich eine Plastikkuppel halb luftig, halb vor Kälte schützend über den Außenbereich. Sie zieht gegenüber der Admiralbrücke, wo sich Planufer und Grimmstraße treffen, die Blicke auf sich und bietet Grünzeug und Gästen Platz. „Am liebsten hätte ich eine Orangerie“, sagt Bellusci. „Aber das ist leider nicht bezahlbar.“
Die Karte passt sich immer der Saison an
Bio-Produkte, Saisonales und, wo möglich, Regionales sind im „Terra“ Pflicht. So wechseln die Tomaten auf den Bruschetta-Scheiben von Cherry zu getrockneten, wenn es herbstelt. Knoblauch und Pesto obenauf, schon ist der Italo-Intro-Klassiker fertig. „La Zocca“ wartet mit Parmaschinken, Büffelmozzarella und Gemüse auf. Der italienische Feinschmeckerfotograf stürzt sich mit mir zusammen auf die Saison-Variante mit Rosenkohl und Salsiccia – köstlich! Wer sich über den Preis von 7,50 bis 8,50 Euro pro Portion wundert, sei vorgewarnt: Die Bruschette aus hausgebackenem Sauerteigbrot haben die Dimensionen von sehr soliden Stullen.
Wer sie nicht teilen mag, ist mit einem knackigen, abwechslungsreichen „La Terra“-Salat mit Wildkräutern, Tomaten, Sprossen und einem Dressing mit „Bergamotto“ und Sprossen dazu für eine frische, mittelgroße Mahlzeit bestens bedient. Ob Radieschen, Linse oder Kichererbse – bei Silvia Bellusci darf sprießen, was will und kann. „Mit Sprossen mache ich so meine Experimente.“ Auch mit Körnern: „Gerste, Hafer, Dinkel oder Grünkern gebe ich gern in die Suppe.“ Die „Zuppa del Giorno“ wechselt durch, ist immer gemüsig, vegan und wird zusammen mit Brot für 9,50 Euro aufgetischt. Wer noch süße Kohlehydrate verputzen will, kann sich ein hausgemachtes Tiramisu gönnen, das mit Mascarpone-Mousse und Kaffee-Crumble on top serviert wird.
Die Karte wechselt jede Saison. Eine fette, robuste und leicht haarige Möhre prangt für den Herbst auf dem Deckblatt. Frische violette Auberginen müssen dann beispielsweise eingelegten gestreiften weichen, mit denen der Sommer verlängert wird. Zu jeder Jahreszeit verwendet werden allerdings die gelben italienischen Tomaten, die Silvia Bellusci und ihr Küchen- und Pizzachef Gianni di Felice eingeglast direkt aus Italien beziehen. Die mit Sepia-Tinte eingeschwärzten Hefeteige für die Pizza werden ebenso wie die hellen Geschwister aus einem 00er-Mehl aus der „Frießinger Mühle“ und einem Vollkorn-Bio-Mehl aus Italien geknetet und erst nach 40-stündiger Ruhe belegt.
Ob „Pizze Rosse“ mit Tomatensauce, „Bianche“ mit Fior di Latte-Mozzarella, die schwarzgrundigen „Pizze Nere“ oder „Verdi“ mit Pesto: Alle sind auf ihre eigene Art ausdrucksstark. Wer’s traditionell pur mag, bekommt seine „Regina Margherita“ ebenso wie derjenige, der lieber eine „Heiße Vegane“ mit Gemüse, Sprossen, Mandel-Flakes und Chili oder eine deftige „Wilde“ mit Wildschinken, Ricotta, roten Zwiebeln, Walnüssen und Thymian bevorzugt. „Wild haben wir schon immer auf der Karte. Das ist doch das Beste. Wir haben Kontakt zu Jägern aus der Gegend, von denen wir das Fleisch bekommen.“
Wer bei Bergamotte im Dressing die Ohren gespitzt hat, ist bei Silvia Bellusci richtig: Die inoffizielle Bergamotte-Botschafterin Kalabriens holt
regelmäßig den Saft der zitrischen Früchtchen aus ihrer Heimat nach Berlin. Tipp: Diesen oder den ebenfalls direkt importierten Clementinen-Saft pur oder, noch besser, als prickelige Schorle trinken. Beides ist eine Rarität in Berlin. „Das ist mein Konzept: ein bisschen wie in Italien, ein bisschen wie in Deutschland.“ Deshalb trinken wir als Digestif einen sanften Walnussbrand „von meinen Freunden aus Deutschland“, der hervorragend mit dem Kaffee-Crumble vom Tiramisu harmoniert.
Ur-Italienisch und aus der eigenen Familie ist dagegen das biologisch angebaute Olio di Oliva Extra Vergine „Santo Sepolcro“, das im „Terra“ ausschließlich auf Bruschetta, an Dressings, auf Pizza und an die Pasta kommt. Die Gäste können es in Fünf-Liter-Kanistern auch zum häuslichen Kochen kaufen. Aber für meinen Einpersonenhaushalt? „Ich fülle dir einen Liter in eine Flasche, gar kein Problem.“ Ganz neu auf der Karte ist „The New Ragú“. Das „Fleisch“ von „Redefine Meat“ für die „weiße“ Bolognese zu Dinkel-Spaghetti kommt als Kichererbsen-, Soja- und Hülsenfrüchte-Mix aus dem 3D-Drucker. Mit den leicht nussigen Spaghetti und der fleischbröseligen Textur funktioniert es prima als Veggie-Ragú.
Die Naturverbundenheit liegt in der Familie
Für die True Italian Pasta Week dagegen haben sich Bellusci und ihr Küchenchef auf „echte“ Wurst und Grünzeug geeinigt. In 32 Lokalen in Berlin gibt es vom 14. bis zum 20. November jeweils zwei Pasta-Specials plus einen Aperol Spritz, Wein oder ein nichtalkoholisches Getränk für 15 Euro. „Wir wollen die Pasta in ihren vielfältigen Formen und Geschmacksrichtungen feiern“, sagt Francesca Caglio von „True Italian“, die die Pasta Week organisieren. Ob Maccheroni al ferretto aus Kalabrien, Canederli aus dem Trentino, Cavatelli aus Lucania oder Amaretti aus Mantua: „Deutschland ist einer der wichtigsten Exportmärkte für Italien. Der Pasta-Verbrauch stieg allein seit Beginn der Pandemie um 20 Prozent.“ Wie sehr sich die Gäste nach Pasta sehnen, dürfen sie während der „Pasta Week“ auf Instagram im Fotowettbewerb #hungryface zeigen. Die Sieger erwartet ein dreitägiger Aufenthalt für zwei Personen in Bologna. Die Reise durch die Welt der Pasta in Berlin und zu den 64 Specials der beteiligten Lokale lässt sich für die nun vierte „Pasta Week“ mithilfe von Flyern und Karten zum Download im ÖPNV-Liniennetz-Look planen.
Bei „Terra“ besteht das Veggie-Special zur „Pasta Week“ aus Pizzoccheri – einer Art eingekürzter Buchweizen-Tagliatelle – mit Löwenzahn plus Schafs- und Ziegen-Ricotta. Das ist schön herb und schön ungewohnt. Ein mildes Gegengewicht bilden die Späne eines vollmundigen Parmesans. „Wir nehmen eine Pasta Artisanale aus einem 500-Einwohner-Dorf in den Abruzzen“, sagt Silvia Bellusci. Der Ricotta stammt aus dem Nationalpark, in dem früher ihre Eltern und nun ihre Schwester und deren Mann das familieneigene Restaurant führen. Die Naturverbundenheit liegt in der Familie. Bei der zweiten Pasta-Week-Variante kommen Tagliatelle mit gelben Tomaten, Nduja aus Spilinga in Kalabrien und ein Stracciatella aus Apulien auf den Teller. Die Zutaten vereinen sich zu einer fruchtig-pikanten und etwas cremigen Pasta.
Wer stutzt und sich an hausgemachte Pasta im „Terra“ erinnert: „Die haben wir nicht mehr. Das ging mit Corona nicht mehr.“ Obwohl der Laden brummt und die Gäste gern einkehren würden, bleibt die „Terra Italian Craft Kitchen“ montags und dienstags geschlossen – mit mehr Mitarbeitenden wäre es anders. „Wir beziehen unsere Pasta nun aus dem Friaul.“ Immerhin sind die Gäste in der Kreuzberger Hotspot-Gegend an Kanal und Brücke international und von Belluscis deutsch-italienisch-nachhaltigem Konzept mehr als angetan. Berufung und Beruf Nummer zwei setzten sich bei der Gastronomen-Tochter durch. Ihre Leidenschaft für die Sprachwissenschaft und Sprachen kommt außer bei ihren vielen Reisen aber nur noch punktuell zum Tragen, wie sie lachend verrät: „Ich kann auf jeden Fall noch eine Bestellung auf Chinesisch entgegennehmen.“