Kurz vor dem Bund-Länder-Gipfel schlugen die Gemeinden noch Alarm. Gerd Landsberg, Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zeichnete in den Medien ein Bild von Kommunen und Kreisen am Rande der Belastungsgrenze. Die Zahl der Flüchtlinge strapaziert die kommunale Infrastruktur enorm.
Ein Dach über dem Kopf haben, in Sicherheit sein – für viele Flüchtlinge in Deutschland dürften diese Gedanken die beherrschenden sein, egal ob aus Syrien, Afghanistan, der Ukraine oder anderen Ländern. Aber gerade an behütenden Dächern fehlt es zur Zeit. Das spüren nicht nur Deutsche, die gerade auf Haus- oder Wohnungssuche sind, sondern auch die Kommunen. Sie brauchen mehr Raum, um die Flüchtlinge unterzubringen. Erfurt etwa will keine Geflüchteten mehr aufnehmen, es sei kein Platz mehr vorhanden, so Oberbürgermeister Bausewein. Er kritisierte das Land Thüringen, von dem zu wenig Hilfe käme.
Um die Wogen zu glätten, hat der Bund nun Geld und mehr Bundesimmobilien zur Unterbringung versprochen. Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sehen die Kommunen es zwar als „positives Signal“, dass der Bund den Ländern für ihre Ausgaben für die Geflüchteten aus der Ukraine für 2022 zusätzliche 1,5 Milliarden Euro neben den bereits zugesagten zwei Milliarden zur Verfügung stellt. Im Jahr 2023 soll es einen Bundesbeitrag von 1,5 Milliarden Euro geben. Darüber hinaus werde der Bund die Länder mit einer allgemeinen flüchtlingsbezogenen Pauschale in Höhe von 1,25 Milliarden Euro jährlich ab dem Jahr 2023 unterstützen.
Kostenzusagen unzureichend
Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern bei der Finanzierung geplanter Entlastungsmaßnahmen stößt jedoch auch auf Kritik. Führende Kommunalverbände halten die Kostenzusagen für die Versorgung von Flüchtlingen für unzureichend. Die Herausforderungen nähmen mit jedem Tag zu, so der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe. Zudem seien in dem Paket keine Gelder für die Integration der Menschen vorgesehen. Aus der Ukraine und auch aus anderen Ländern kämen immer mehr Menschen. Von Februar bis September zählte das Bundesinnenministerium knapp eine Million ukrainische Flüchtlinge, die meisten davon Frauen und Kinder. 80.000 haben sich in dieser Zeit wieder abgemeldet. Hinzu kommen Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan, Irak und anderen Staaten. Die Zahl der Erstanträge ist in diesem Jahr auf 115.000 gestiegen, im Vergleich dazu lag die Zahl 2021 bei 85.230. Und in den kommenden Monaten werden weitere Flüchtlinge aus der Ukraine erwartet – eine Folge der russischen Kriegsführung, die kurz vor dem Winter gezielt die Strom- und Heizwärmeversorgung der Ukraine zerstört.
„Die Städte stehen zu ihrer Verantwortung und werden die Geflüchteten nicht auf der Straße stehen lassen. Wir erwarten aber, dass die Länder ihre Aufnahmekapazitäten schnell ausbauen und sich bei der Finanzierung nun selbst stärker einbringen“, mahnte Lewe. Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte von den Ländern „deutlich mehr Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften“. Die Kommunen seien bereits an der Grenze ihrer Unterbringungsmöglichkeiten, sagte Landsberg der „Rheinischen Post“. Er und der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, verlangten von den Ländern ferner, dass diese die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel an die Kommunen weiterreichten.
Das fordert auch Gerd Landsberg. „Deswegen brauchen wir von den Ländern deutlich mehr Kapazitäten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften, damit die Menschen im Winter ein Dach über dem Kopf haben.“
In Baden-Württemberg etwa trafen sich kürzlich Vertreter von Städten, Gemeinden und Kreisen mit der Landesregierung, um die Kosten der Geflüchteten zu besprechen. Dabei ging es nach Agenturberichten auch um das dritte Entlastungspaket der Ampel in Berlin, das die Kommunen mitfinanzieren müssen. Zudem schultern sie höhere Zusatzkosten für die kommunale Infrastruktur, für Gebäude, Sanierungen und Neubau, aufgrund der Inflation.
Das Problem: Aus Berlin fließt nach Meinung der Länder zu wenig Geld, um die erhöhten Aufwendungen bis auf kommunale Ebene zu bezahlen, und die Länder leiten die Gelder nicht schnell genug weiter.
Beispiel Saarland: Dem Land wurden nach Angaben des Saarländischen Städte- und Gemeindetages (SSGT) seitens des Bundes bislang insgesamt rund 23,02 Millionen Euro Bundesflüchtlingsmittel für Unterbringung, Betreuung und Integration zugewiesen. „Dieses Geld floss zunächst vollständig in die Kassen des Landes“, erklärt Geschäftsführer Stefan Spaniol. Aufgrund einer Einigung des Landes mit dem Landkreistag und dem SSGT aus dem Sommer bekomme die kommunale Seite hiervon nun 16,3 Millionen Euro, also rund 70,8 Prozent, die wiederum im Verhältnis 65 Prozent Landkreise und 35 Prozent Städte und Gemeinden aufgeteilt werden. Der Anteil der Städte und Gemeinden betrage somit 5,7 Millionen Euro. Aber: „Das Geld ist bislang noch nicht an die Kommunen weitergeleitet worden“, erklärt Spaniol. Gleiches bestätigt der Saarländische Landkreistag. Das liege zum Teil daran, dass zunächst das kommunale Finanzausgleichsgesetz entsprechend geändert werden müsse. Im Sommer habe das Land jedoch Abschlagszahlungen versprochen. Diese sind bis jetzt ebenfalls noch nicht eingetroffen, so der SSGT und der Landkreistag übereinstimmend. Laut saarländischem Finanzministerium hat der Haushaltsausschuss einer Abschlagszahlung am 16. November zugestimmt, das Geld wurde dem Innenministerium erst kürzlich zugewiesen.
Geld fließt nicht schnell genug
Die Mittel aus dem April seien für alle Aufgaben aber bei Weitem nicht auskömmlich gewesen, so Stefan Spaniol. Von den im November angekündigten Hilfen des Bundes erhält das Saarland im Jahr 2022 zusätzlich 18 Millionen Euro und im Jahr 2023 rund 33 Millionen Euro. „Ausgezahlt wurden seitens des Lands zudem rund sechs Millionen Euro für die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten. Dieses sind allerdings keine Landesgelder, sondern Bedarfszuweisungen, also kommunale Gelder aus dem Ausgleichsstock des kommunalen Finanzausgleichs“, so Spaniol weiter. Der SSGT sieht eine noch stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes und des Landes als erforderlich an. Indessen bitten die Kommunen und Kreise weiter darum, Wohnflächen zur Verfügung zu stellen. Dass Turnhallen und Gemeindezentren belegt werden, soll möglichst vermieden werden. Dies sei jedoch nicht immer möglich. Das zeigt das Beispiel Püttlingen, die Gemeinde hat bereits Notunterkünfte in einer Turnhalle eingerichtet. Hingegen beschloss der Gemeinderat in Tholey den leer stehenden Schaumberger Hof, zuvor Vorclearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, nun als neue Flüchtlingsunterkunft für Ukrainerinnen und Ukrainer umzufunktionieren. Das Land errichtet Unterkünfte auf dem RAG-Gelände in Ensdorf.
Denn in diesem Jahr sind neben 4.000 Schutzsuchenden aus anderen Teilen der Welt 14.000 Geflüchtete aus der Ukraine im Saarland eingetroffen. Und der dort erwartbar harte Winter, ohne Heizung und Strom, könnte weitere nach Deutschland führen.