Jennifer Lawrence ist eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen ihrer Generation, obwohl sie so gar nicht zur perfekten Hollywoodwelt zu passen scheint.
Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Karriere von Jennifer Lawrence erst richtig begann, als sie in die Rolle einer mutigen jungen Frau schlüpfte. Und ganz sicher ist es kein Zufall, dass der Plot, in dem sie das tat, ein Independent-Film war, also eine Produktion, die ohne die Macht und das Geld der großen Hollywood-Studios auskam. „Winter’s Bone“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Daniel Woodrell gilt als Durchbruch für die damals 20-Jährige. Jennifer Lawrence spielt die 17 Jahre alte Ree Dolly 2010 nicht nur, sie verkörpert diese Jugendliche, die in den Wäldern Missouris ihren Vater sucht, um den geringen Besitz der Familie zu retten. Sollte der Verschwundene nicht vor Gericht erscheinen, dann sind das Haus und das Stückchen Land verloren, an das sich diese armen Menschen klammern. Amerika von seiner unschönen Seite, das Kino von seiner besten.
Jennifer Lawrence war vier Jahre zuvor mit einer Nebenrolle im Fernsehdrama „Company Town“ ins Filmgeschäft gestartet. Sie hatte sich bereits durch die Verleihung des Marcello-Mastroianni-Preises in der Kategorie „Beste schauspielerische Nachwuchsleistung“ für ihre Rolle in „Auf brennender Erde“ bei den Filmfestspielen in Venedig 2008 und im selben Jahr mit einem Preis für ihre Rolle in „The Poker House“ einen Namen gemacht. Nach „Winter’s Bone“ überschlugen sich die Kritiker aber dann mit lobenden Hymnen. Und auch die Jurorinnen und Juroren zeigten sich beeindruckt. Lawrence gewann unter anderem den Darstellerpreis des internationalen Filmfestivals in Seattle und als beste Nachwuchsdarstellerin den „National Board of Review Award“. Noch wichtiger: Sie wurde für einen Oscar und einen Golden Globe nominiert.
Die Karriere von Jennifer Lawrence, im August 1990 geboren in Kentuckys Hauptstadt Louisville, entwickelte sich rasant: Noch im „Winter’s Bone“-Jahr 2010 hatte sie eine Rolle im Musikvideo zu „The Mess I Made“ der Band Parachute. Im darauffolgenden Jahr drehte sie zusammen mit Jodie Foster und Mel Gibson die Tragikomödie „Der Biber“ und spielte die Heldin Mystique in der X-Men-Verfilmung „Erste Entscheidung“. In „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ übernahm sie 2012 erstmals die Hauptrolle der Katniss Everdeen. 2012 spielte sie im kanadischen Horror-Thriller „House at the End of the Street“.
Sieht sich nicht gern selbst spielen
2013 erhielt sie für ihre Hauptrolle in „Silver Linings“ unter anderem einen Golden Globe und den Oscar. Ihre Dankesrede bei der Oscar-Verleihung begann sie mit den Worten: „Oh, wie peinlich!“ Auf dem Weg zur Bühne war sie über ihr Kleid gestolpert. Dieser Augenblick gilt für viele Film- und Glamour-Onlineportale als einer der zehn legendärsten Oscar-Momente. Auch für die Rolle der Rosalyn Rosenfeld, in der sie 2013 an der Seite von Bradley Cooper und Christian Bale in „American Hustle“ vor der Kamera stand, bekam Lawrence einen Golden Globe sowie eine Oscar-Nominierung.
Mit dem Erfolg kam das Geld – und wie einige Journalisten meinten, auch die Macht. 2014 setzte das amerikanische Magazin „Forbes“ Jennifer Lawrence auf Platz zwölf der Liste der „Most Powerful Celebrities“ der Welt, also der mächtigsten Prominenten. Das Magazin bezeichnete sie als „mächtigste Schauspielerin Hollywoods“. Die Jury bewertete dabei die Präsenz in den traditionellen sowie in den sozialen Medien, Auszeichnungen und das geschätzte Einkommen.
Von Juni 2014 bis Juni 2015 erzielte sie laut des Branchendienstes Statista ein Jahreseinkommen von 52 Millionen US-Dollar und war damit in diesem Zeitraum die bestverdienende Schauspielerin der Welt. Zu diesem Einkommen haben nicht unwesentlich die weiteren Verpflichtungen für die „Tribute von Panem“-Reihe beigetragen. Wobei sie selbst ihre Rolle in der erfolgreichen Literatur-Verfilmung kritisch sieht. Die Filme kommentierte sie einmal mit: „Immer, wenn ich sie sehe, denke ich, was für ein Trollo und wie untalentiert ich bin. Wenn ich nicht in ihnen wäre, würde ich sie lieben.“
Jennifer Lawrence hätte sich also zurücklehnen und ihren Erfolg genießen können. Tat sie aber nicht. 2015 kritisierte sie in einem Beitrag für den feministischen Online-Newsletter „Lenny Letter“ der Schauspielerin, Regisseurin und Schriftstellerin Lena Dunham, dass Frauen in Hollywood schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Sie verstehe nicht, warum das Wort „Feminismus“ Leuten Angst mache, sagte sie später. „Das sollte es nicht, es bedeutet nur Gleichberechtigung“, erklärte sie. Damit hat sie sich in der Filmindustrie nicht nur Freunde gemacht. Sie setzt sich immer wieder für gesellschaftliche Veränderungen ein, ist zum Beispiel aktives Mitglied der Anti-Korruptions-Organisation „Represent Us“ und war Sprecherin in deren Videos zum Schutz der Demokratie. 2016 ging Lawrence in eigener Sache an die Öffentlichkeit. Zwei Jahre zuvor hatten Hacker Handyfotos, die die Schauspielerin für ihren damaligen Freund gemacht hat, gestohlen und veröffentlicht. Der Diebstahl dieser Nacktfotos sei nicht einfach ein Skandal. „Das ist ein Sexualverbrechen“, sagte die damals 24-Jährige und forderte schärfere Gesetze. Nicht nur die Hacker, die Bilder von Handys und Computern stehlen, sollen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch die Internetplattformen, die diese Fotos veröffentlichen und Geld damit verdienen. Der Vorstoß ging ins Leere.
„Bin die schnellste Pinklerin überhaupt“
Stromlinienförmig zu sein, nicht anzuecken, um Karriere zu machen, gehörte nie zu den Charakterzügen von Jennifer Lawrence. Sie sagt, dass schlechte Regisseure gute Drehbücher kaputtmachen können. Sie erzählt in Interviews, wie lustig es ist, wenn jemand um sie „herum furzt“. Sie haut Sätze raus wie: „Ich bin die schnellste Pinklerin überhaupt. Dafür bin ich bekannt.“ Mit den für Hollywood-Karrieren so wichtigen Fotografen verscherzt sie es sich, indem sie erklärt: „Ich hülle mich ein, bis ich wie Lord Voldemort aussehe, damit sie nichts erkennen können, denn der Gedanke daran, ihnen ein Foto zu geben, mit dem sie Geld machen können, macht mich absolut wütend.“ Eine Mode-Ikone will sie nicht sein. Sie sagt, dass „Schauspielen dumm ist“ und erklärt das so: „Jeder fragt immer: ,Wie kannst du dabei auf dem Boden bleiben?‘ Und ich sage: ,Warum sollte ich denn je arrogant werden? Ich rette niemandem das Leben. Es gibt Ärzte, die Leben retten und Feuerwehrmänner, die in brennende Gebäude laufen. Ich mache Filme‘.“
Auch dem Schönheitsideal der glitzernden Welt des Showbusiness wollte sich die Schauspielerin nie unterwerfen. „Ich fühle mich miserabel, wenn ich eine Diät mache, und ich mag die Art, wie ich aussehe. Ich habe es wirklich satt, dass all diese Schauspielerinnen wie Vögel aussehen. Ich würde vor der Kamera lieber ein wenig mollig und im wirklichen Leben wie eine echte Person aussehen, als auf der Leinwand großartig und im wirklichen Leben wie eine Vogelscheuche auszusehen“, wird sie zitiert. Und: „Du siehst so aus, wie du aussiehst. Was wirst du machen? Jeden Tag hungrig sein, um andere Menschen glücklich zu machen? Das ist einfach nur dumm.“ Jennifer Lawrence widerspricht denen, die Mädchen auf Äußerlichkeiten festlegen wollen, indem sie sagt: „Es gibt ein Zitat von Kate Moss, so ähnlich wie ‚Nichts schmeckt so gut, wie sich Dünnsein anfühlt‘, und ich kann unzählige Dinge nennen, die besser schmecken, als sich Dünnsein anfühlt: Brot, Kartoffeln … ein gut belegtes Sandwich und Pommes.“ Sie selbst halte es so: „Wenn irgendjemand versucht, mir das Wort ,Diät‘ ins Ohr zu flüstern, antworte ich: ‚Mach einen Abgang und fick dich.‘“
Auch wenn Jennifer Lawrence eine Frau ist, die sich und ihre Arbeit auf eine erfrischende Weise nicht immer ganz ernst nimmt, sie ist immer diejenige geblieben, die sie in „Winter’s Bone“ gewesen ist: eine mutige Frau, eine die Ziele hat und auf der Suche bleibt, auch wenn sie mitunter aussichtslos erscheint. Sie selbst formuliert das so: „Ich habe große Ambitionen, aber ich denke, wir alle tun dies. Ich möchte einfach weiter hart arbeiten und glücklich sein.“