In der Causa Lambrecht und in der Panzerfrage wirkt Olaf Scholz zu passiv
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sein Amt unter dem Motto „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“ angetreten. In zwei zentralen Punkten blieb der Kanzler hinter seinem Anspruch zurück. Bei der Leitung des Verteidigungsministeriums und der Positionierung Deutschlands in der Panzerfrage ist Scholz in der Defensive.
Die Besetzung des Ressorts durch Christine Lambrecht (SPD) erwies sich als glatte Fehlbesetzung, die nun auf den Regierungschef zurückfällt. Als die Sozialdemokratin im Dezember 2021 ihre Arbeit begann, gab ihr der Kanzler pompöse Vorschusslorbeeren mit auf den Weg: Sie werde eine „eine ganz, ganz besondere Verteidigungsministerin der Bundesrepublik Deutschland sein“, prophezeite er. Noch vor einem Monat bescheinigte er Lambrecht, „eine erstklassige Verteidigungsministerin“ zu sein.
Eine eklatante Fehleinschätzung. Lange vor Lambrechts Rücktritt am Montag war klar: Die 57-Jährige verfügte über kein Fachwissen, interessierte sich nie wirklich für die komplizierte Materie im Verteidigungsressort. Man muss im Rückblick sagen: Sie ist nie in ihrem Amt angekommen. Es ist zwar richtig, dass die Verteidigungsminister der Union in 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel ein langes Sündenregister bei der Bundeswehr hinterlassen haben – die Truppe wurde kaputtgespart, die Bürokratie nahm überhand, die Beschaffung von Waffen erwies sich als Irrlauf im Bermuda-Dreieck. Aber es nützt nichts, nur mit dem Finger auf die Amtsvorgänger zu zeigen.
Lambrecht hatte keinen stringenten Kurs mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Mal begründete sie die Zurückhaltung bei der Lieferung deutscher Waffen mit der notwendigen Geheimhaltung. Mal machte sie geltend, dass die klamme Bundeswehr kein Militärgerät abgeben könne.
Eine derartige Leerstelle ist in Zeiten des Ukraine-Krieges fatal. Die Pleiten und Pannen, die Lambrechts Pfad im Bendlerblock säumten, sind nur Symptome für mangelnde Eignung im Militärbereich. Die angekündigte Verschickung von lediglich 5.000 Schutzhelmen für die Ukraine kurz vor Beginn der russischen Invasion gehört ebenso dazu wie der Hubschrauberflug mit ihrem Sohn zum Truppenbesuch plus anschließendem Sylt-Urlaub oder das peinliche Video zu Silvester. Kein Gespür, kein Feingefühl, eine völlig misslungene Kommunikation – die Kette der Fehler ist lang.
Selbst in ihrer dürren Rücktrittserklärung offenbarte Lambrecht eine bizarre Realitätsferne. „Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, steht in dem Papier. Es strotzt vor Selbstmitleid und der Suche nach Sündenböcken.
Der Kanzler hat zu lange zugeschaut. Er hat die Dinge schleifen lassen und Lambrechts Reputationsverlust sehenden Auges in Kauf genommen. Falsch verstandene Loyalität zu der Ministerin und Sturheit – Scholz reagiert allergisch auf Druck von außen – mögen dahintergestanden haben.
Parallel zur Causa Lambrecht ist Scholz auch bei der Frage der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine in Zugzwang geraten. Seine Maxime, bei diesem heiklen Thema keine Alleingänge zu unternehmen, war und ist zwar richtig. Entscheidungen über Krieg und Frieden erfordern Besonnenheit – und internationale Abstimmung. Doch Moskau hat seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine brutal ausgeweitet. Russische Truppen bombardieren mit zunehmender Zerstörungskraft Kraftwerke, Stromleitungen und Wohnblocks. Spekuliert wird, dass Präsident Wladimir Putin bald 500.000 zusätzliche Reservisten für eine Frühjahrsoffensive mobilisieren könnte.
Vor diesem Hintergrund hat die Ukraine ohne westliche Kampfpanzer keine Chance zu bestehen. Wenn das Land – wie zwischen Washington, Brüssel und Berlin häufig behauptet – die Werte des Westens verteidigt, hat es entsprechende Unterstützung verdient. Die Briten liefern bald ihre Geräte vom Typ Challenger 2. Die Amerikaner denken darüber nach, ihre Abrams-Panzer zu verschicken. Polen und Finnland drängen darauf, deutsche Leopard-2-Kampfpanzer nach Kiew zu entsenden. Angesichts der Dynamik des Krieges kann es sich der Kanzler nicht leisten, die Genehmigung hierfür zu verweigern.