Bargeld lacht, aber wie lange noch?
Als der Wiener Seemann Freddy Quinn 1957 mit dem Ohrwurm „Heimatlos“ selbst Rudi Schurickes rote Capri-Sonne im Meer versenkte, traf er den Nerv der Zeit. So wie Freddy fühlten sich viele heimatlos, einsam und träumten vom kleinen Glück, von Geborgenheit und einer warmen Stube – sowie mehr barem Geld im Portemonnaie und auf der Bank.
Das mit der warmen Stube ist bis zum heutigen Tag geblieben, unsere dänischen Nachbarn haben es mit der Bezeichnung „hygge“ zur Sprache gebracht. Das mit dem baren Geld nicht! Heute würde Freddy singen „Bargeldlos sind viele auf der Welt …“ – und er würde abermals den Nerv der Zeit treffen. Auf jeden Fall in Dänemark, wo nur noch 17 Prozent der Dänen mit Bargeld zahlen.
Allenthalben müssen Ökonomen und kulturelle Traditionalisten unter Wehklagen feststellen, dass die Liebe zum Bargeld schwindet. Nicht die Liebe zum Geld, die ist unerschütterlich wie Marmor, Stein und Eisen. Nein, gemeint ist die Liebe zum Bargeld. Die Liebe zu den Münzen, die noch immer so schön in Hand und Beutel klimpern, auch wenn sie heute so zusammenlegiert werden, dass ihr Metallgehalt weniger Wert ist als das, was sie vorgeben, Wert zu sein.
Vorbei die Zeit, als die Münzen aus Gold bestanden und allein das Sehen und Anfassen ein so großes sinnliches Vergnügen bereitete, dass Top-Kapitalist Dagobert Duck auf sein tägliches Bad in Münzen und Scheinen nicht verzichten wollte.
Andere erschreckende Extreme gibt es auch. Aus Gier nach Gold vernichtete Gonzalo Pizarro auf der Suche nach Eldorado eine Hochkultur, durchwühlten Abenteurer unwirtliches Gelände wie Alaska und Kalifornien. Selbst uralte Goldmünzen der Kelten wecken heute noch immer hohe Begehrlichkeiten – allerdings weniger zum Bezahlen an der Klasse.
Sieht man einmal von dieser kriminellen Liebe zu Edelmünzen ab, schwindet die Liebe zum Bargeld in Münzform eindeutig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zum einen blähen Geldstücke das Portemonnaie auf, bringen wenig Wert, aber viel Gewicht in den Beutel. Zum anderen sind modische Beinkleider für die Aufnahme von Geldbörsen meist zu eng geschnitten, haben zugenähte Taschen und sind allenfalls noch zur Aufnahme von Parkmünzen geeignet.
Dennoch lieben die Deutschen – immerhin noch 54 Prozent – ihr Bares. Mehr als alle anderen Europäer, am wenigsten die Dänen mit nur 17 Prozent. Es ist die Liebe zu den raffiniert gestrickten und bedruckten Baumwollscheinen, die mit ihren bunten Farben sogar Filmemacher angeregt haben. Für manche Zeitgenossen erzeugt der Geruch frisch gedruckter Geldscheine ein prickelndes Hochgefühl, ein sinnliches Erlebnis, ähnlich wie Chanel Nr. 5, nur diesmal als „Parfum“ aus der Duft-Destille von Giesecke & Devrient aus München.
Die Liebe zu Geldscheinen ist ungebrochen. Säcke oder Kleiderschränke voller Scheine in Wohnungen von Brüsseler Volksvertretern zeugen davon. Aber auch deutsche Steuerzahler lieben sie und möchten sich auf Reisen in die Schweiz oder nach Luxemburg nicht von ihnen trennen.
Auch Handwerker und Menschen im Dienstleistungsgewerbe jeglicher Art kommen ohne den „Zaster“ nicht aus. Ohne Zehner, Fuffies oder Hunnies, ohne Braune oder Grüne würde manche Wertschöpfung nicht entstehen, auch wenn die amtliche Statistik davon nichts erfährt.
Doch dunkle Wolken ziehen auf am Bargeldhimmel. Wie lange wird der deutsche Barzahler dem internationalen Siegeszug des Plastikgeldes, der Kreditkarten, dem Online-Banking und dem Handy-Payment standhalten? Onkel Dagobert hat nie in Kreditkarten, Smartphones oder Kryptowährungen gebadet, hat nie digitale Kontoauszüge gelesen. Aber wie lange noch?
Zum Glück werden in der Kirche bislang Spenden noch mit dem Klingelbeutel an einer Stange oder im Weidenkörbchen eingesammelt und nicht elektronisch mit der Scheckkarte eingebucht – noch! Also erfreuen wir uns noch am Anblick unserer silver-ager, wenn sie an der Supermarktkasse mit zittriger Hand nach passenden Münzen suchen. Herrlich – real life!