Louis de Funès war ein Spätberufener, der erst mit 50 Jahren seinen Durchbruch auf der Leinwand erlebte. Mit seinen cholerischen Paraderollen stellte er einen Kino-Besucherrekord nach dem anderen in Frankreich auf. Am 27. Januar 2023 jährt sich sein Todestag zum 40. Mal.
Dem Ritter der französischen Ehrenlegion wurde am 1. April 2020 so etwas wie die Aufnahme in den künstlerischen Adelsstand zuteil. Die legendäre Pariser Institution der französischen Film-Avantgarde namens Cinémathèque widmete dem Schauspieler Louis de Funès posthum eine große Retrospektive seiner Werke. Eine absolute Sensation, hatte die französische intellektuelle Elite doch für das mehr als 140 Streifen umfassende Œuvre des von ihr als „Grimassenschneider“ oder „Zappelphilipp“ verunglimpften Komikers lange Zeit kaum mehr als ein missbilligendes Naserümpfen übrig gehabt.
„An den Kinokassen im In- und Ausland erfolgreich“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“, „hatten seine Filme damals einen ähnlichen Ruf wie Comics: unterhaltsam und leicht zu konsumieren, künstlerisch jedoch von fragwürdigem Wert. Der Vergleich mit einer Comicfigur liegt nahe, denn in seinen Rollen wirkt de Funès wie ein Epigone von Disneys Zeichentrick-Erpel Donald Duck – aufbrausend, zuweilen misanthropisch und auf seine verquere Weise dennoch nicht unsympathisch.“
Dass es sich ausgerechnet die Cinémathèque zur Aufgabe gemacht hatte, dieses negative Image des Schauspielers und seiner Werke grundlegend zu revidieren, hätte wohl niemand für möglich gehalten. „Die Wahrscheinlichkeit einer Klassikerweihe des Komikers im Tempel der Avantgarde war etwa so groß wie der Ausbruch einer weltweiten Epidemie“, schrieb seinerzeit die „FAZ“. Die auch in Frankreich mächtig um sich greifende Corona-Pandemie sorgte letztlich dafür, dass die Ausstellung in der Cinémathèque abgesagt werden musste. Den verantwortlichen Kurator Alain Kruger konnte diese aber nicht davon abhalten, das Talent von Louis de Funès in einem gänzlich neuen Licht herauszustellen. Er bezeichnete de Funès als „komisches Genie“ mit einer „Gesichts-Gymnastik“, in der sich „das antike Theater und die Commedia dell’arte“ vermischt hätten und dank der es dem Schauspieler stets gelungen sei, „innerhalb von Sekunden die unterschiedlichen Gefühle“ zu mimen. Worte seien eigentlich gar nicht nötig gewesen.
„Ich habe ein Faible für falsche Menschen“
Das hatte den gerade mal 1,64 Meter großen Schauspieler, Spitzname „Fufu“, nicht davon abgehalten, seine Rollen zusätzlich mit einem stakkatoartigen Redefluss aufzupeppen. Für die Entwicklung der Blaupause seiner sämtlichen Komiker-Rollen konnte er sich notgedrungen reichlich Zeit lassen. Von seinem ersten Schauspielunterricht 1941 über kleinere Theater-Engagements ab 1944 und als Mitwirkender an mehr als 100 Filmen als Statist, Nebenrollendarsteller und gelegentlich auch schon mit etwas größeren Parts bedachter Akteur, dauerte es 20 Jahre, bis ihm Anfang der 1960er-Jahre der Durchbruch gelang. Und zwar mit der Rolle des seine Familie mit cholerischen Anfällen in den Wahnsinn treibenden Seifenfabrikanten Bertrand Barnier im komödiantischen Theaterstück „Oscar“ von Claude Magnier auf der Bühne des Théâtre de la Porte des Saint-Martin.
Bei der Premiere des Stücks 1959 war Louis de Funès bereits 45 Jahre alt. „Es war die Rolle seines Lebens“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“. „Jede Figur, die er später spielte: Immer war ein wenig von Monsieur Barnier enthalten.“ Wobei es keinen wesentlichen Unterschied machen sollte, ob Louis vor der Kamera in die Rolle des Unternehmers, Polizisten, Star-Dirigenten, kleinkarierten Spießbürgers oder Restaurantkritikers schlüpfte. „Am liebsten spiele ich große Direktoren, Diktatoren, ungerechte Chefs mit Machtgelüsten“, sagte Louis de Funès einmal. „Ich habe ein Faible für falsche Menschen, für Lügner und Denunzianten.“
„Oscar“ wurde vom Pariser Publikum und der Kritikergilde gleichermaßen so frenetisch gefeiert, dass Louis de Funès urplötzlich massenhaft Angebote für Hauptrollen in Filmkomödien ins Haus flatterten. Das Jahr 1964 war für ihn – im schon fortgeschrittenen Alter von 50 Jahren – ein erster filmischer Höhepunkt. Innerhalb von nur vier Monaten drehte er drei Kinostreifen, die allesamt Kassenknüller wurden: „Der Gendarm von Saint-Tropez“, „Fantomas“ und „Scharfe Sachen für Monsieur“. Letzterer, der auch unter dem Titel „Louis, das Schlitzohr“ bekannt wurde, lockte allein in Frankreich fast zwölf Millionen Zuschauer in die Lichtspielhäuser.
Fortan wurden zwei bis drei Filme pro Jahr, bei denen er teils kräftig an den Drehbüchern mitgearbeitet hatte, für Louis de Funès die Regel. Das Theaterspiel musste dafür pausieren und wurde erst 1973 durch das mehrmonatige Mitwirken des Schauspielers am Théâtre des Champs-Elysée im Stück „La Valse des Toreadors“ von Jean Anouilh wiederbelebt. Mitte der 1960er-Jahre war Louis de Funès zum populärsten Filmkomiker Frankreichs aufgestiegen, man rühmte ihn als den „Mann mit den 40 Grimassen pro Minute“. Auch im Ausland, vor allem in der Bundesrepublik, erfreute er sich stetig wachsender Beliebtheit, was vor allem hochkarätigen Synchronsprechern und den Sprachwitz teils noch steigernden pfiffig-kreativen Übersetzungen zu verdanken war. Mit dem Streifen „Drei Bruchpiloten in Paris“, auch unter dem Titel „Die große Sause“ bekannt, stellte Louis de Funès in Gallien einen Rekord auf, denn der gigantische Wert von 17 Millionen Kinobesuchern wurde erst 2008 durch Danny Boons Komödie „Willkommen bei den Sch’tis“, die 20 Millionen Cineasten anlockte, als erfolgreichster französischer Film abgelöst.
Louis de Funès bezeichnete sich selbst als Volksschauspieler, der nach seinem Durchbruch auf der Kinoleinwand bekundet hatte: „Mich interessieren nur Filme mit mehr als 500.000 Zuschauern.“ Was ihm auch noch mit einem seiner Spätwerke 1973, als ihm Pierre Richard oder Coluche die Krone als beliebtester französischer Kinokomödiant nach und nach streitig machten, locker gelang: „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ lockten 7,3 Millionen Besucher in die Kinos unserer Nachbarn. „Brust oder Keule“ 1976 sahen noch 5,8 Millionen französische Filmfreunde.
Wohnte im riesigen Château de Clermont
Einen direkten persönlichen Kontakt mit seinen Fans versuchte der Schaubilder mit allen Mitteln zu verhindern. Dafür legte er sich nicht nur einen Leibwächter zu, sondern pflegte auch nur in teuren Luxus-Restaurants einzukehren, wo das Risiko eines Zusammentreffens mit einfachen Leuten gleich Null war. Abseits der Filmproduktionen zog er sich zum Rosenzüchten oder Angeln auf sein Schloss Clermont bei Le Cellier zurück, das er 1967 erworben hatte, weil es einst das Stammhaus der Familie Maupassant gewesen war. Louis war nach der Trennung von seiner ersten Gattin Germaine Carroyer 1942 in zweiter, ein Jahr später geschlossener Ehe mit Jeanne-Augustine Barthélemy de Maupassant, einer Großnichte des Schriftstellers Guy de Maupassant, verheiratet gewesen. Auch die Nähe zu den einstmals königlichen Loire-Schlössern dürfte beim Erwerb des Anwesens eine wichtige Rolle gespielt haben, war Louis de Funès doch zeitlebens ein überzeugter Monarchist, für den die Teilnahme an der jährlichen Gedenkmesse zugunsten des am 21. Januar 1793 hingerichteten König Ludwig XVI. Pflichtprogramm war.
Der Schauspieler stammte väterlicherseits aus dem spanischen Adelsstand. Er wurde am 31. Juli 1914 in Courbevoie bei Paris als Louis Germain David de Funès de Galarza geboren, nachdem die Eltern zehn Jahre zuvor nach Frankreich eingewandert waren. Den Großteil seiner Kindheit verbrachte er im Städtchen Villiers-sur-Marne, das im Pariser Becken angesiedelt ist. Nach Abschluss des Gymnasiums im Jahr 1930 versuchte er sich zunächst im Beruf des Kürschners, zwei Jahre später besuchte er kurzfristig die Pariser Ecole technique de photographie et de cinéma, wo er aber schon 1933 nach einem Unsinn mit Knallfröschen rausflog, die einen Brand verursachten. Ein ähnliches Missgeschick ereilte ihn nach kurzzeitiger Arbeit als Industriezeichner und Buchhalter bei seinem nächsten Job als Dekorateur, als eine von ihm aus Luxus-Parfüm-Flakons aufgebaute Pyramide krachend in sich zusammengefallen war.
Der dritte Herzinfarkt war tödlich
Im Rotlichtbezirk des Pariser Pigalle lief es dann deutlich besser. Dank seines frühen Klavierunterrichts entpuppte er sich als talentierter Jazzpianist und wurde während des Kriegs vom Wehrdienst freigestellt. Ab 1941 nahm er Schauspielunterricht und schrieb sich ein Jahr später an der renommierten Pariser Schauspielschule Cours Simon ein. Von seinen vielen frühen Filmen ist vor allem die Komödie „Zwei Mann, ein Schwein und die Nacht von Paris“ aus dem Jahr 1956 erwähnenswert, weil sein Mitwirken als Nebendarsteller neben Jean Gabin erstmals öffentlich zur Kenntnis genommen wurde. Nach zwei Herzinfarkten im Jahr 1974 trat er beruflich etwas kürzer. In seinem letzten Film „Louis und seine Politessen“ von 1982 war er zum insgesamt sechsten Mal in die Rolle des Polizisten Ludovic Cruchot in der Reihe „Gendarm von Saint Tropez“ geschlüpft. Am 27. Januar 1983 verstarb der 68-jährige Louis an einem erneuten Herzinfarkt in einem Krankenhaus in Nantes, nachdem er sich seine letzten Lebensjahre noch etwas mit seiner Geliebten Macha Béranger, einer Schauspielerin und Radiomoderatorin, versüßt hatte.