Dank eines vom Freiburger Fraunhofer-Instituts entwickelten Plasma-Reaktors soll die Serienproduktion von künstlichen Diamanten noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden. Das könnte die Schmuckbranche revolutionieren.
Das den Alchemisten des Mittelalters trotz schwarzer Magie oder auch mithilfe des Steins der Weisen nicht gelungen war, nämlich durch Transmutation unedler Metalle Gold künstlich in ihren Hexenküchen zu erzeugen, sollte bezüglich der Diamanten durch Komprimierung reinen Kohlenstoffs bereits in den frühen 1950er-Jahren gelingen. Selbst die junge Bundesrepublik Deutschland hatte damals in mehr als skurriler Weise versucht, den Staatshaushalt mittels synthetischer Diamanten aufzupäppeln.
Dass Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard dabei dem Aufschneider Hermann Meincke auf den Leim ging, dürfte auch heute noch für jede Menge Schadenfreude sorgen. Meincke war es gelungen, sich bei Erhard mit gefälschtem Doktortitel und hohem chemischem Sachverstand einzuschmeicheln als potenzieller Diamantenmacher. Schon im Sommer 1951 erhielt er "zur Durchführung von volkswirtschaftlich bedeutungsvollen Versuchen" auf dem Gelände des Bonner Ministeriums einen Kellerraum zur Verfügung gestellt. Dank des Versprechens wahnsinniger Renditen und Diamanten in Streichholzkopf-Größe fanden sich schon im September 1951 Finanziers aus Kreisen des Adels, des Militärs und des Kaufmann-Standes, um der neu gegründeten Hamak-Gesellschaft einen Anschub in Höhe von einer Million D-Mark zu geben. Trotz vorgegaukelter Erfolge mittels heimlich von Meincke gekaufter Diamantensplitter oder ganzer Steine flog der Betrug schließlich auf, das vermeintliche Diamantenlabor wurde Ende November 1952 geschlossen. Meincke wurde der Prozess vor dem Bonner Landgericht gemacht, das ihn im Juli 1953 zu drei Jahren Gefängnis verurteilte.
Obwohl schon seit mehr als 200 Jahren bekannt ist, dass Diamanten aus reinem Kohlenstoff bestehen, dass sie also aus den gleichen Atomen aufgebaut sind wie Holzkohle, Koks oder Graphit, konnte der erste synthetisch hergestellte Diamant erst im Februar 1953 durch den Physiker Erik Lundblad beim schwedischen Elektronik-Konzern ASEA vorgestellt werden. Ein Jahr später präsentierte der US-amerikanische Konzern General Electric seine ersten synthetischen Diamanten, die mithilfe des danach viele Jahrzehnte dominierenden Hochdruck-Hochtemperatur-Verfahrens (englisch: High-Pressure High-Temperature, kurz HPHT) gewonnen wurden. Bei diesem Verfahren wird Graphit zunächst mit einem Katalysator wie Eisen oder Nickel sowie einem kleinen Ziehdiamanten als Basis in ein Metallgefäß gepackt und anschließend in einer hydraulischen Presse bei Drücken von bis zu sechs Gigapascal (60.000 bar) und Temperaturen von mehr als 1.500 Grad Celsius so stark zusammengepresst, dass sich die in Schichten angeordneten Kohlenstoff-Atome des Graphits innerhalb einer oder auch mehreren Wochen tetraedrisch zu Diamanten zusammenschließen.
Diese sind jedoch in der Regel ziemlich klein, winzige Kristalle oder Diamantenpulver, vor allem im industriellen Bereich zum Bohren, Schleifen oder Schneiden einsetzbar. Für die Schmuckindustrie sind diese Krümel hingegen unbrauchbar. Allerdings können mit HPHT theoretisch auch große Steine hergestellt werden. Der dafür benötigte Energiebedarf ist jedoch so gewaltig, dass keine Wirtschaftlichkeit erzielt werden kann und die Diamanten sogar um ein Vielfaches teurer wären als echte Steine. Von daher kann der geschliffene Synthesediamant von zehn Karat, den jüngst das im russischen St. Petersburg ansässige Unternehmen New Diamond Technology in einer seiner 50 Riesenpressen hergestellt hatte, wohl nur als Paradestück angesehen werden.
Als weitaus lukrativer und auch für die Schmuckindustrie wesentlich interessanter als HPHT gilt inzwischen eine noch relativ neue Herstellungsmethode namens Gasabscheidung (englisch: Chemical Vapour Deposition, kurz: CVD). Bei diesem Verfahren wird ein mit einer Diamantschicht bestrichenes Substrat gewissermaßen der nötige Ziehkristall, weil Diamanten nur auf Diamanten wachsen können in einen Mikrowellenofen gegeben und mit einem Gasgemisch aus Methan und Wasserstoff gefüttert. Methan ist dabei der Kohlenstoff-Lieferant, der Wasserstoff wird gebraucht, um unerwünschtes Graphit, das zuweilen neben dem Diamanten entsteht, wegzuätzen.
Die Mikrowellen lassen einen heißen Plasmaball entstehen. Das Methan verliert dabei ein Wasserstoffatom, das Restmolekül mit einem Kohlenstoff-atom regnet aus der Plasmawolke auf das glühende Diamantsubstrat-Plättchen am Boden des Reaktors herab. Schicht um Schicht wächst so ein ultrareiner Diamant heran. Die Substrate, die kristallbeschichteten Plättchen, können fertig von kommerziellen Diamantenhändlern erworben werden. Es ist eine lohnende Einmalinvestition, weil die Substrate wieder verwendbar sind, nachdem die fertigen Diamanten mittels eines Laserschneidegerätes vom Substrat abgelöst wurden.
In Deutschland hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) in Freiburg das CVD-Verfahren in 20 Jahren immer weiter perfektioniert. Auch wenn die dortigen Forscher in der dafür zuständigen Abteilung Halbleitersensorik unter Führung von Christoph Nebel, im Unterschied zu einem halben Dutzend Firmen in den USA und Singapur, die inzwischen bis zu vier Karat großen Klunker fast schon wie am Fließband herstellen können, mit Schmuck nichts am Hut haben. Und das, obwohl weltweit im vergangenen Jahr mehr als 70 Milliarden Euro für Dia-mantenschmuck ausgegeben wurden.
Billiger, besser und vielseitig anwendbar
Was die Wissenschaftler interessiert, sind die besonderen physikalischen Eigenschaften des Diamanten. Seine extreme Härte oder seine unerreichte Wärmeleitfähigkeit, was ihn für viele Anwendungen zum idealen Werkstoff macht. Vor allem werden Diamanten als perfekte Alternative zu Silizium in der Halbleiterindustrie gehandelt. Einsetzbar sind sie als Chips in Satelliten oder auf Raumstationen, da sie kosmischer Strahlung standhalten, als Transistoren in Umspannwerken, als Linsen in Hochenergie-Lasern oder als Bauteile in Computern, da sie keine Kühlung erfordern und viel höhere Temperaturen vertragen als Silizium. "Schmuckdiamanten sind ein hübscher Nebenaspekt unserer Forschung", erklärt Nebel.
Im Keller des Fraunhofer-Instituts stehen acht Diamanten-Maschinen eiförmige Plasma-Reflektoren, die Spitznamen wie Obelix, Asterix oder Miraculix tragen, da sie wie Hinkelsteine aus Aluminium aussehen. Auf einem Träger am Fuß des metallenen Eis wird das Gas-Plasma erzeugt, das man durch eine Öffnung als blaugelblich wabernden Lichtfleck wahrnehmen kann. Innerhalb von zehn Tagen wachsen im Plasma auf jedem Plättchen die drei mal drei Millimeter großen und 0,3 Millimeter dicken Diamanten. Bis zu 600 gleichzeitig. Kein Wunder, dass selbst der Echtdiamantenkrösus De Beers die Freiburger Innovation aufmerksam und trotz gegenteiliger Behauptungen etwas nervös verfolgt. Und dass auch immer mehr Anfragen aus der Schmuckindustrie ins Haus geflattert kamen.
Letztlich hat das Fraunhofer-Institut die Lizenz für die Zaubermaschine an einen Münchner Spezialisten für Beschichtungstechnik vergeben, der unter der neuen Firma "coat6", unterstützt von einem geheimen Großinvestor, noch dieses Jahr Diamanten in Serienproduktion herstellen und vermarkten möchte. "Es geht um man-made diamonds für Verlobungs- und Eheringe", sagt Nebel. "Der eigentliche gewachsene Diamant ist billig." Methan und Wasserstoff sind nämlich günstige Industriegase und der eigentliche Kostenfaktor ist daher nur die Mikrowellen-Anlage. "Eine zwei Millimeter dicke Schicht von 0,3 Karat kostet in der Herstellung etwa 70 bis 100 Euro", erklärt Nebel. Von der vergleichsweise günstigen Produktion werden künftig wohl auch Schmuckkäufer profitieren können. In den USA verkauft das Unternehmen "Pure Grown Diamonds" mit CVD-Technik selbst erzeugte Diamanten um bis zu 40 Prozent unter den Preisen für Natursteine. Unter chemischen Gesichtspunkten gibt es keinen Unterschied zwischen synthetischen Diamanten und natürlichen Steinen. Allerdings sind die künstlichen Diamanten wesentlich reiner als natürlich gewachsene ohne jegliche Defekte oder Einschlüsse.
Und noch einen Vorteil bieten die Synthesesteine: Sie lassen sich leicht einfärben, in der Natur sind solche Steine äußerst selten und daher sehr begehrt und extrem teuer. Für blaue Diamanten wird dem Gasgemisch einfach Bor zugefügt, mit Stickstoff entstehen gelbe Steine. "In der Edelsteinindustrie, allen voran bei De Beers, gibt es Bemühungen, den künstlichen Diamanten als minderwertig abzustempeln", sagt Nebel. De Beers gibt viel Geld für Image-Kampagnen aus, in denen möglichen Kunden eingehämmert wird, dass nur ein in den Tiefen der Erde vor zwei Milliarden Jahren gewachsener Diamant ein echtes Symbol für ewige Liebe sein könne und nicht eine in wenigen Tagen entstandene Fabrikware. Zudem hat De Beers viel Geld in die Entwicklung von Hightech-Geräten investiert, mit deren Hilfe Händler synthetische Diamanten identifizieren können. Mit der Lupe ist das nicht möglich. Und natürlich hat der Branchenführer durchgesetzt, dass künstliche Diamanten als "man-made diamonds" ausgewiesen werden müssen. CVD-Schmuckdiamantenhersteller werben ihrerseits damit, dass ihre Steine aus dem Labor garantiert konfliktfrei Stichwort Blutdiamanten und nachhaltig, also ohne Ausbeutung natürlicher Ressourcen produziert werden.