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WAS MACHT EIGENTLICH...

Luci van Org?
Foto: picture alliance/Geisler-Fotopress

... Luci van Org?

Als Lucilectric hatte sie 1994 mit "Weil ich ein Mädchen bin" einen Riesenhit. Danach gründete sie mehrere Bands und arbeitet nun als Moderatorin, Schau­spielerin, Autorin und Gothic-Model. Gerade erschienen sind ihr "Kleines Familienbuch der nordischen Sagen" und das dritte Album ihres Electro-Pop-Duos Meystersinger.

Luci van Org ist ein künstlerischer Tausendsassa: Seit sie 1994 mit "Weil ich ein Mädchen bin" und dem dazugehörigen knallbunten Schaukel-Video die Hitparaden stürmte, versuchte sie in wechselnden Formationen ihr Glück, arbeitet als Musikproduzentin und Vocalcoach, stand als Schauspielerin vor der Kamera, moderierte beim RBB-Jugendsender "Fritz" Radiosendungen, schreibt Drehbücher, Theaterstücke, Kolumnen, Kurzgeschichten und Romane. Aus dem frechen, selbstbewussten Girlie-Typ wurde später ein multi-talentiertes Fetisch-Model in Latexklamotten. Der Gothic-Szene, der schon van Orgs provokante Band Übermutter zuzuordnen war, ist sie bis heute verbunden: "Ich war nie raus. Ich habe schon mit zwölf, 13 Jahren dort angefangen, bin dann mit Lucilectric kurz zum Punk gewechselt und seit 2004 wieder zu Gothic zurück", verriet Luci van Org, die an Pfingsten beim alljährlichen Wave Gothic Treffen in Leipzig wieder einen wahren Auftritts-Marathon mit Lesungen und Musik absolvierte. "Ich liebe diese Szene. Sie ist heute anders als früher, aber schön." Rückblickend auf die "Mädchen"-Zeit bekennt die 45-Jährige: "Ins Glamour-Leben habe ich einfach nicht reingepasst. Es war aber eine schöne Zeit, eine sehr, sehr anstrengende Zeit, der ich wahnsinnig viel zu verdanken habe." Trotzdem sei sie heute froh, dass es vorbei ist, denn damals sei ihr Leben fremdbestimmt gewesen, sie habe ihre Freunde nicht mehr gesehen und sogar nicht mehr selbst einkaufen können.

Das Mädchen von damals hat sich erstaunlich gewandelt. Luci van Org ist seit 16 Jahren in zweiter Ehe glücklich mit dem Regisseur Axel Hildebrand verheiratet und hat mit ihm seit zwölf Jahren den gemeinsamen Sohn Victor. Trotzdem ist ihr Familienleben kein normales. Schon die Hochzeit fand in einem Fetisch-Club statt. "Wenn ich etwas nicht bin, dann romantisch. Ich will, dass es knallt." Van Org bekennt sich offen zur Bisexualität: "Mein Mann wäre nicht mein Mann, würde er nicht auch das an mir lieben." Trotz dieser toleranten Haltung sei ihre Ehe keine offene Beziehung. "Mir würde im Leben nie einfallen, mit anderen Männern fremdzugehen. Jeder andere wäre ein Rückschritt." Ihrem Sohn, ein großer Fan des aktuellen van-Org-Duos Meystersinger, sei es nur wichtig, dass seine Eltern sich lieben. "Aber natürlich weiß er, was Homo- und Bisexualität sind, und alles, wonach er mich fragt, erkläre ich ihm", sagt die unkonventionelle Künstlerin.

Bereits mit zwölf trat sie auf

Die Karriere von Luci van Org hatte in jungen Jahren begonnen. Bereits mit zwölf Jahren trat sie als Solo-Sängerin in Gospelchören und mit Janis-Joplin-Songs in Blues-Clubs auf. Sie gründete eine erste Band und begann gleich mit dem Songschreiben. Schon mit 16 Jahren bekam sie ihren ersten Plattenvertrag. Mit 18 dann veröffentlichte sie als Eena die Single "18 – so what!", der im Jahr danach "Gates of Eden", der Soundtrack-Song des Films "Go Trabi, go!" folgte. Die erfolgreichen fünf Jahre als Lucilectric mit insgesamt drei Alben endeten 1999 und waren für die Künstlerin nur ein Intermezzo. Daran noch mal anzuknüpfen, kann die erwachsene Luci van Org sich nicht vorstellen; "Mädchen 2.0 wird es garantiert nicht geben, weil der alte Zauber einfach zerstört würde! Ich möchte, dass die Leute dieses Mädchen auf der Schaukel so in Erinnerung behalten, wie es mal war." Nach dem Lucilectric-Aus hat van Org sich wieder der Gothic-Szene zugewandt und die Band Übermutter gegründet, die international Erfolg in der Szene hatte und in diesem Jahr beim Wave Gothic Treff nach über zehnjähriger Pause ein kurzes Revival erlebte. Das aktuelle Projekt Meystersinger überzeugt mit seinem Elektro-Pop auch die Kritiker: "Was Luci van Org und ihr männlicher Gegenpart Roman Shamov allein durch die Kraft ihres Gesangs zu kreieren vermögen, ist faszinierend", heißt es in einem Pressetext. Das Meystersinger-Album "Trost" hat es 2012 sogar bis auf Platz eins der European Alternative Charts gebracht. Nach "Haifischweide" (2014) hat das Duo gerade vor ein paar Wochen sein drittes Album "Frieden" herausgebracht. Auch als Autorin gibt es Neues von Luci van Org: Nach ihrem Gruselroman-Debüt "Frau Hölle" (2013) und dem Nachfolger "Schneewittchen und die Kunst des Tötens" (2015) erschienen soeben ihre "Geschichten von Yggdrasil – Das kleine Familienbuch der nordischen Sagen". Mit ihren Texten geht van Org öfters auf "Luci liest live"-Lesetouren. Seit 2006 engagiert sich das Multitalent als Schirmfrau im Bundesverband verwaister Eltern und trauernder Geschwister. Van Org kümmert sich um Hinterbliebene, liest, singt und spielt mit ihnen. "Mir geht es nicht nur darum, Trauer zu bewältigen, sondern Menschen zurück ins Leben zu führen, dass es wieder so wird, wie es vorher war", beschreibt die Berlinerin ihre Motivation und wünscht sich mehr Unterstützung für diese Arbeit. "Seit drei Jahren gibt es aber beim Wave Gothic Treffen eine Aktion, wo Künstler kostenlos zugunsten unseres Verbandes auftreten"

 


Peter Schmidt

 

Zur Person
Luci van Org, geboren am 1. September 1971 in Berlin, war musikalisch schon Anfang der 90er unter dem Pseudonym Eena aktiv. Zusammen mit Produzent Ralf Goldkind veröffentlichte sie 1994 als Lucilectric den Hitsong "Weil ich ein Mädchen bin". Zwischen 1999 und 2010 erschienen von ihr unter dem eigenen Namen und als "Das Haus von Luci" mehrere Singles und Alben, bevor sie 2007 mit ihrer Band Übermutter in der Metal- und Gothic-Szene Erfolg hatte. 2010 gründete sie mit Roman Shamov das Indie-Elektro-Pop-Duo Meystersinger, das bisher drei Alben veröffentlicht hat. Zudem arbeitet sie als Songschreiberin (unter anderem für Nena), Schauspielerin, Moderatorin und Drehbuchschreiberin ("Notruf Hafenkante", "In aller Freundschaft"). Ihr Theaterstück "Die 7 Todsünden oder die Hochzeit der Wetterfee" hatte im November 2006 Premiere. Seit 2002 veröffentlicht sie auch Kurzgeschichten und seit 2013 auch zwei Romane.

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