„Slouch Boots“ sind der absolute Mega-Trend der Damenschuhmode im Winter 2017/2018. Vor allem die Modelle von Saint Laurent haben einen Hype ausgelöst, der sämtliche andere Hersteller inspirieren wird.
Schlappstiefel, besser Schlaffstiefel, ein Stiefel, dessen Beinleder keine Steife hat, schlapp oder schlaff herabhängt, wie ein nicht aufgebundener Strumpf“ – was da in der dem Berliner Naturwissenschaftler Johann Georg Krünitz zugeschriebenen „Oeconomischen Enzyklopädie“ vom Anfang des 19. Jahrhunderts beschrieben wird, kann als früher Vorläufer der „Slouch Boots“ oder auch „Slouchy Boots“ getauften Stiefel angesehen werden. Die sind neben dem überraschenden Auftauchen weißer Schuhe im nahenden Herbst und Winter der angesagteste Schuhmode-Trend überhaupt.
„Die Welt“ hatte die bei den Fashionistas, die in deutschen Magazinen neuerdings meist als „Modefrauen“ oder „Modemädchen“ tituliert werden, aktuell begehrtesten Glitzer-Exemplare von Saint Laurent als „Disco-Schlappstiefel“ bezeichnet.
Bequem durch flexiblen Stiefelschaft
Damit wird gleichzeitig ein Bezug zu den 80er-Jahren hergestellt. Jenem Jahrzehnt also, dem die Designer ihre Inspiration für diese schicke Schuhform verdanken. Ihr besonderes Merkmal ist der flexible Stiefelschaft aus weichem Material, was zur Folge hat, dass Stiefel oder auch Overknees gestaucht, geknautscht, geschoppt oder auch lässig zusammengefallen getragen werden können. Meist ist der Schaft bequem-weit geschnitten, es gibt aber beispielsweise von Marc Jacobs auch am Bein eng anliegende Modelle, die sich erst um die Fesseln herum in Falten legen.
Was Anthony Vaccarello mit seiner zweiten Kollektion für das Traditionshaus Saint Laurent, speziell mit seinen Schuh-Kreationen, lostrat, kann eigentlich nur als „Hype“ bezeichnet werden. Der wurde noch zusätzlich durch Mega-Star Rihanna befeuert, die als erste Promi-Lady bereits fünf Tage nach der Show in Paris stolze Besitzerin der silber-kristall-funkelnden Stiefel war. New Yorker Luxus-Kaufhäuser wie „Saks Fifth Avenue“ oder „Bergdorf Goodman“ wurden daraufhin mit Bestellungen geradezu überrannt. Jeder wollte diese verflixten Boots haben, niemand ließ sich vom kolportierten Preis von 10.000 Dollar abschrecken. Obwohl noch kein einziges Exemplar in den USA verfügbar war, ließen sich die gut betuchten Kundinnen vorsorglich schon mal in Wartelisten aufnehmen. Anderen wurde geraten, dem Beispiel der Pariser Instagram-Ikone Angelina Woreth folgend, sicherheitshalber einfach die genauso schönen, wenn auch optisch nicht so auffälligen Slouch-Boot-Varianten aus Leder, Wildleder oder hochglänzendem Vinyl, die Vaccarello in verschiedenen Farben (von Schwarz bis Cognacbraun) und Längen (allerdings maximal kniehoch) gestaltet hatte, zu erwerben.
Aber natürlich wurden in Mode-Magazinen, Fashion-Bloggs oder auch auf „Shoestagram“ fast ausschließlich die glitzernden Strass-Must-have-Teile ebenso ehrfurchtsvoll wie sehnsüchtig vorgestellt. Die britische „Vogue“ ließ sich gar zu dem Bekenntnis hinreißen, dass jede Herausgeberin oder Redakteurin diese Schuhe unbedingt haben wolle. Weil Vaccarello gerade auch mit diesen Schuhen einen Beitrag zur Rettung der vornehmen Abendkleidung gegen die omnipräsente Baggy-Sportswear geleistet habe: „The Saint Laurent Girl is back“ – in ultrakurzen Leder-Miniröcken auftretend. Dass die anschmiegsamen, übergroßen Boots von Saint Laurent zusätzlich noch eine bequeme Absatzhöhe haben und schmale Beine machen, weil der weite Schaft und die lockere Passform Knie und Oberschenkel schmaler aussehen lassen, sei nur noch am Rande angemerkt.
In Paris hatte Saint Laurent mit seinen Boots sogar dem Trendlabel Vetements die Show gestohlen. Dieses hatte ebenfalls silberglänzende slouchy Footwear in seiner Winterkollektion gezeigt. Bei den neuen Overknee-Pieces war die Grenze zwischen Stiefel und Hosen nicht mehr eindeutig zu erkennen. Eigentlich eine interessante Innovation, die aber beim Run auf die Saint-Laurent-Boots völlig übersehen wurde. Eine ähnliche Umsetzung des Themas hatte die Marke Y Project realisiert, allerdings im Unterschied zu Vetements in einer sehr aufgebauschten Form. In der Seine-Metropole zeigten auch noch Isabel Marant, Maison Margiela und Vanessa Seward ihre speziellen slouchy Versionen (bei Seward meist overknee, darunter auch Lack-Modelle).
Schmale Variante bei Marc Jacobs
Vaccarello war keineswegs der erste Designer, der auf den internationalen Laufstegen für Herbst/Winter 2017/2018 Slouch Boots präsentiert hatte. Was schon allein damit zusammenhing, dass die Pariser Fashion Show traditionell die letzte der „Big Four“ ist. Vorher waren die neuen Stiefel daher schon auf den Modemessen in New York, London und Mailand zu sehen. In New York zeigte Marc Jacobs die schmalere Variante. Ebenso das Label Lacoste. Victoria Beckham setzte dagegen auf weitschaftige Schlappstiefel mit Keilabsatz in dunkelrotem Leder. Michael Kors und Ulla Johnson wählten für ihre im Big Apple präsentierten Boots das Material Wildleder. Auch Phillip Lim führte Schlapp-stiefel als Teil seiner aktuellen Kollektion vor. Und Oscar de la Renta schließlich zeigte ein glitzerndes Strass-Modell, das durchaus als ernster Konkurrent zu den Saint Laurent-Stiefeln angesehen werden kann.
In London waren die neuen Trendstiefel beispielsweise bei Mulberry, Toga (overknee) oder Roksanda zu bestaunen. In Mailand waren in Sachen Slouch Boots mal nicht die dortigen Platzhirsche Prada oder Gucci engagiert, sondern Bottega Veneta, Etro oder Agnona (mit Wildleder-Stiefeln).