Pinguine und Wale, Affen, Honigdachse und Gürteltiere: Die Garden Route ist Südafrikas beliebteste Panoramastraße. Wer sich Zeit nimmt, entdeckt eine reiche Tier- und Pflanzenwelt.
Eine Antilope steht auf der Lichtung, hält ihre Nase in die Sonne, dann sprintet sie mit zwei Sätzen zurück ins Unterholz – Menschen in Sicht! Fünf Wanderer spazieren durch den Wald aus knorrigen, löchrigen, vernarbten Stämmen. Sonnenstrahlen schimmern durch das Laub, Flechten hängen von weit ausladenden Ästen. „Manche dieser Milkwood-Bäume sind bis zu 400 Jahre alt “, sagt Anneke Valentine.
Bienen summen um eine ausgehöhlte Baumruine. „Dann sind auch die Honigdachse nicht weit. Kleine Räuber, die nichts und niemanden fürchten“, sagt die junge Frau, die in Grootbos Naturreservat eine Ausbildung in Botanik gemacht hat. Vorsichtig entfernt Anneke eine Spinne, die quer über dem Weg baumelt und setzt sie auf einen Ast – das Tier ist so klein, dass die Rettungsaktion fast wie Pantomime aussieht.
Schließlich öffnet sich ein Fenster im Grünen: Der Blick reicht über üppige Vegetation bis zur weit ausgeschnittenen Bucht, in der sich die Wellen des Atlantiks vor der Kulisse der Kleinrivier Mountains brechen. Die Hänge oberhalb der Walker Bay beherbergen die typische Fynbos-Vegetation des „Cape Floral Kingdom“, des kleinsten, aber auch artenreichsten der sechs Pflanzenkönigreiche der Erde.
Rund 9.600 Spezies gedeihen in der Region, darunter Erica-Gewächse, deren Blüten bei jedem Windhauch wie kleine Rasseln klingen, und Felder blühender Proteen. Diese Gewächse, die Floristen in Europa sich in Gold aufwiegen lassen, wuchern hier wie Unkraut. Exotische Kaphonigfresser flattern von Blüte zu Blüte. Die Luft ist erfüllt von Trillern, Schnalzen und Pfeifen.
Urwälder und die blühende Fynbos-Vegetation sind charakteristisch für Südafrikas Garden Route. Streng genommen verläuft die berühmteste Panoramastraße des Landes östlich des Kaps der Guten Hoffnung zwischen Mossel Bay und Humansdorp, oft wird der Name aber auch für die komplette Distanz zwischen Kapstadt und Port Elizabeth verwendet. Sie gilt als ideale Route für Afrika-Einsteiger, dank bester Straßenverhältnisse sowie hervorragender Restaurants und Unterkünfte.
Würde man auf der Nationalstraße N2 durchrasen, könnte man die Garden Route in einem Tag abfahren – hätte jedoch nicht viel gesehen. Spannend wird die Fahrt erst durch Abstecher in das oft einsame Hinterland. Erst dann entdeckt man jene faszinierende Mischung aus Wäldern und Farmland, Sandstränden, Lagunen und Felsenküsten, die der Garden Route ihren Namen gaben.
Doch die Strecke ist nicht nur spannend wegen ihrer vielfältigen Pflanzenwelt. Auch Tierfreunde kommen hier auf ihre Kosten.
So ist die Walker Bay Teil von Südafrikas sogenannter Walküste. Jedes Jahr zwischen Juni und Oktober herrscht hier Hochsaison für die Walbeobachtung. Vor allem Glatt- und Buckelwale kommen dann so nahe an die Küste, dass man sie sogar von Land aus bequem sehen kann.
Berühmt ist der „Whale Crier“ von Hermanus, der bei Sichtungen in sein Seetanghorn bläst und auf einer Tafel die besten Spots notiert. Das einstige Fischerdorf mit seinen Souvenirläden, Kunstgalerien und Surfshops brodelt vor Leben. Wer die Wale in Ruhe sehen möchte, spaziert über den Coastal Path, einen Küstenpfad durch kleine Buchten und über steile Felsen.
Hier wird auch für Schlangen gebremst
Noch einsamer wird es im De Hoop Nature Reserve, das nur über Schotterpisten erreichbar ist. Hinter dem Eingangstor zum Schutzgebiet leuchten weiße Sanddünen am Horizont. Schilder warnen vor querenden Schildkröten und rufen dazu auf, auch für Schlangen zu bremsen. Buntbocks grasen direkt neben der Piste, und sogar die Strauße lassen sich von fotografierenden Besuchern nicht vertreiben.
Die Gezeiten bestimmen den Rhythmus in De Hoop, daher beginnt der geführte „Marine Walk“ am nächsten Morgen pünktlich zur Ebbe um 8.08 Uhr. Naturführerin Pinky steht die Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben: Quirlig und selbstbewusst stapft sie am Strand voran. Immer wieder pickt sie Seegurken, Seesterne und Seeigel aus Felsenpools – und versteckt sie später wieder, damit kein Vogel sie erbeuten kann. Pinky erzählt, wie Krabben sich mit einer Anemone auf dem Kopf tarnen, führt durch Wiesen aus Seegras und über Teppiche aus Miesmuscheln. Einmal gräbt sie eines der seltenen Gürteltiere aus, die unter Steinen auf die Nacht warten, um auf die Jagd zu gehen. Smaragdgrün schimmert der Panzer des Tieres, das sich zu einer Kugel zusammengerollt hat.
Zwischendurch zeigt die Naturexpertin in die Ferne, wenn dort ein Wal seine Flosse aus dem Wasser hebt.
In Monkeyland gibt's elf Affenarten
Jenseits des Parks erstreckt sich baumloses Farmland, Rapsfelder bis zum Horizont. Hügelauf, hügelab geht es über Pisten, nur unterbrochen durch den Ort Malgas. Zwei Männer in Regenmänteln, den Kopf vermummt, ziehen hier eine uralte Fähre nur mit ihrer Muskelkraft über den Fluss – ein archaisches Bild. Vorbei an der Lagune von Knysna gelangt man in die Region mit dem Namen „The Crags“, in der man eine Fülle von Tierparks besuchen kann. Zum Beispiel Monkeyland: „Lasst Euch nicht aus der Ruhe bringen, wenn die Affen an Euch zupfen“, instruiert der Guide die Besucher. „Sie sind sehr neugierig – und immer hungrig.“
Sie klingen auch sehr hungrig: Gleich am Eingang ertönt ein markerschütterndes Brüllen, als wären 20 Affen auf Wasser und Brot gesetzt worden. Dabei tollen nur zwei kleine Lemuren in den Baumwipfeln. „Man sieht es ihnen nicht an, aber sie sind die lautesten“, sagt der Fremdenführer.
Rechts und links des Pfades knackt und knistert es in den Büschen. Ein Brüllaffe schwingt sich durch die Äste. Schwarzweiße Kattas sonnen sich auf einer Lichtung. Meerkatzen streichen neugierig um die Beine der Menschen – es gibt keine Käfige in Monkeyland, in dem rund 500 Affen elf verschiedener Arten leben. Der Park wurde mehrfach für sein Konzept ausgezeichnet: Hier werden nur Tiere aufgenommen, die aus Zoos stammen, aus Versuchslabors oder von privaten Besitzern. „Manche kommen schwer verletzt, andere mit Windeln an, weil sie wie Babys behandelt wurden“, sagt der Guide. Besonders schwere Fälle verbringen ihr restliches Leben abseits im „Special Monkey Home“.
Weniger artenreich, dafür aber in freier Wildbahn, erlebt man Primaten bei einer Ziplining-Tour durch die Baumwipfel. Rund 600 Baumarten wurden in der Region gezählt, erklärt Guide Nigel, während er den Teilnehmern – dreifach gesichert – Stahlseile anlegt. Johlend sausen alle von Plattform zu Plattform.
Zwischendurch zeigt Nigel auf mächtige Würgerfeigen oder die Blätter des Stinkwood-Baumes, die mit ihren hässlichen Blasen Insekten vorgaukeln, dass es hier nichts zu holen gibt.
Papageien krächzen ohrenbetäubend, und einmal lassen Affen einen Regen aus Beeren niedergehen, begleitet von einem schadenfrohen Kreischen.
Die Garden Route endet nahe Port Elizabeth, doch zuvor lohnt sich noch ein Abstecher an das Kap von St. Francis mit seiner Kolonie von Brillenpinguinen. Diese einzige in Afrika lebende Pinguinart gilt als stark bedroht. Das Vogelschutzzentrum Sanccob hat sich zum Ziel gesetzt, die zurückgehende Zahl der Seevögel einzudämmen. Überall halten ehrenamtliche Helfer nach verletzten, verwaisten oder ölverschmierten Tieren Ausschau.
Mehr als 50.000 Vögel wurden seit Bestehen der Einrichtung schon behandelt: Albatrosse und Pelikane, Kaptölpel, Kormorane und Austernfischer.
Doch der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf den Brillenpinguinen – sie machen mehr als die Hälfte aller Patienten aus. Zuletzt wurden 30 ölverschmierte Tiere gefunden, vermutlich Opfer eines Frachters, der sein Altöl einfach ins Wasser gepumpt hatte.
„Wir mussten jeden Pinguin zwei Wochen lang täglich eine Stunde mit der Zahnbürste säubern, um das Öl zu entfernen – Feder für Feder“, sagt Koordinatorin Juanita Raath. „Einer von uns hält ihn, der andere putzt“, seufzt sie. „Das sind nämlich nicht die dankbarsten Patienten.“ Rund drei bis vier Wochen lang wurden die Pinguine, die man an einem markanten rosa Fleck rund um das Auge erkennt, aufgepäppelt und gefüttert.
Ehrenamtliche helfen Vögeln
Heute ruft die Freiheit – die Pinguine dürfen wieder zurück ins Meer, ein Happening für Dorfbewohner und Besucher: Kameras klicken, als sich eine Prozession von Kindern mit großen Pappkartons nähert. Vorsichtig balancieren die Helfer über die scharfkantigen Felsen, stellen die Kisten sanft auf den Boden und öffnen sie. Gespanntes Warten! Nach ein paar Sekunden lugt ein Kopf mit schwarzem Schnabel ins Sonnenlicht, kleine Füße tasten sich ungelenk nach draußen.
Dicht zusammengedrängt, stehen die Pinguine bald im grellen Licht der afrikanischen Sonne, blicken ängstlich zu den Menschen, dann zum Meer. Zögerlich tapsen sie ein paar Schritte vor, halten inne, patschen weiter und springen dann in einen kleinen Felsenpool. Mutig geworden, klettern sie über die nächste Felsenbarriere, um endlich im Ozean zu landen. Nach zwei Minuten sind sie verschwunden – begleitet vom Applaus ihrer Fans.