Bisswunden, Vergiftungen, Autounfälle: Wenn Hunde medizinisch versorgt werden müssen, wissen ihre Besitzer oft nicht weiter. Erste-Hilfe-Kurse für Vierbeiner sollen Abhilfe schaffen.
Flaffy hat’s erwischt. Mit Maulschlinge und verbundener Pfote liegt die Hündin starr auf dem Boden. Denn Flaffy ist aus Plastik: eine braune Hundepuppe, an der Herrchen und Frauchen lebensrettende Sofortmaßnahmen üben können.
Es ist Sonntagmorgen. Die meisten Hundebesitzer drehen ihre erste Gassi-Runde oder stehen gerade erst auf. Doch eine zehnköpfige Gruppe, die sich in einem Vortragsraum in Freiburg rund um Flaffy versammelt hat, will arbeiten. „Erste Hilfe am Hund“ heißt der Kurs, den die Johanniter bundesweit anbieten. Die meisten Teilnehmer haben ihre Tiere gleich mitgebracht: Ein Dackel, ein Labrador-Welpe und mehrere Mischlinge beschnüffeln sich erst gegenseitig und dann Flaffy, die Hundepuppe. Kurze Zeit später dösen die lebendigen Vierbeiner in einer schattigen Ecke.
Angebot
der Johanniter
Für Carmen Santo (24) fängt die Arbeit dagegen erst an. Die Erste-Hilfe-Ausbilderin hat einen Zusatzkurs in Hunde-Rettung belegt. Jetzt tourt sie durch Baden-Württemberg, um Tierhalter für brenzlige Situationen zu sensibilisieren. „Was würdet Ihr tun, wenn Ihr seht, dass ein Hund angefahren wurde?“, fragt Santo. Betretenes Schweigen. „Den Notruf wählen“, sagt schließlich eine Teilnehmerin. „Dem Hund gut zureden“, empfiehlt ein anderer. „Auf Verletzungen untersuchen“, meint der Dritte.
„Alles richtig“, antwortet Santo. „Aber Ihr habt das Wichtigste vergessen. Sammelt Euch selbst, bevor Ihr irgendwo hinrennt. Und sichert die Unfallstelle ab.“ Die Ausbilderin rät, immer ein Erste-Hilfe-Set dabei zu haben, wie ein Verbandskasten für Menschen, nur eben für Hunde. Die wichtigsten Utensilien: Einmalhandschuhe („Passen in jede Leckerli-Tasche“), Dreiecktuch und „Life Key“ – eine Plastiktüte mit Ventil, die das Beatmen eines Hundes erleichtert.
Anhand von Flaffy demonstriert Santo, wie man eine Maulschlinge richtig anlegt. Die sei bei Erster Hilfe grundsätzlich ratsam, da auch der eigene Vierbeiner unter Schmerzen zuschnappen könne. „Knoten rein, unten rum, über Kreuz“, erklärt die Helferin. „Wichtig ist, dass euer Hund das kennt, falls andere ihm einmal helfen müssen.“
„Im Ernstfall
Leben retten“
Danach wird an Flaffy geübt: zuerst der „Bodycheck“ (Körper auf Verletzungen untersuchen), dann Reanimation und Mund-zu-Hund-Beatmung. Die stabile Seitenlage demonstriert Santo an Paula, ihrem eigenen Jack-Russel-Mischling. Als Carlos, ein fünf Monate alter Labrador-Welpe, hinzukommt, wird auch er auf den Rücken geworfen. „Passt mit den Beinen auf“, warnt Santo. „Wenn ihr das ein paar Mal geübt habt, ist es ganz leicht.“ Carlos murrt jedenfalls nicht. Schwanzwedelnd liegt er auf dem Boden, als sei es ein lustiges Spiel.
Ob Bisswunden, Vergiftungen oder Autounfälle: Die Liste an Verletzungen, die sich Hunde zuziehen können, ist lang. Während bei Menschen der Rettungsdienst anrückt, müssen die Tiere auf die Hilfe von Laien vertrauen – ihren Besitzern. Die finden Anleitungen oft nur in Büchern oder im Internet. Dementsprechend groß ist der Bedarf an Praxis. Die Kurse der Johanniter in Freiburg sind weit im Voraus ausgebucht.
Auch Tierärzte und Hundeschulen bieten hin und wieder Erste-Hilfe-Schulungen an. „Wir wissen nicht, wie häufig so etwas geschieht und wer genau die Kurse anbietet“, sagt Astrid Behr, Sprecherin des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte. Deshalb sei es schwierig, etwas zur Qualität der Angebote zu sagen. Aber: „Grundsätzlich sind solche Kurse eine gute Sache. Sie können im Ernstfall Leben retten.“
In Freiburg haben die Teilnehmer inzwischen gelernt, wie man den Puls misst, Schockzustände feststellt, Blutungen abbindet und Herzstillstände bekämpft. „Beim Chihuahua reichen dafür zwei Finger“, erklärt Santo. „Bei größeren Hunden müsst ihr beide Hände einsetzen.“ Bei der Beatmung wird es knifflig. „Wie überwindet man den Ekel-Faktor?“, will jemand wissen. Santo muss nicht lange überlegen. „Für viele ist ihr Hund wie ein Baby“, sagt die Ersthelferin. Ansonsten gebe es immer noch den „Life Key“, die besagte Plastiktüte mit Ventil.
Viele Hundehalter haben solche Tipps zuvor noch nie gehört. „Man fühlt sich einfach unsicher“, meint Julia Zele (30), das Frauchen von Carlos. „Er ist mein erster Hund, und da möchte ich gerne vorbereitet sein.“ Ihr Mann Sandor (31) ergänzt: „Bei Hunden sollten wir uns gut auskennen. Sie können uns schließlich nicht sagen, wo’s wehtut.“
Und was tut man, wenn der Hund im Wald in eine Scherbe tritt und nicht mehr laufen kann? „Dann ziehe ich meine Hose aus und baue daraus eine Trage“, meint eine Teilnehmerin. „Notfalls gehe ich eben im Slip, das ist mir egal.“ Carmen Santo hat eine andere Idee. „Nehmt Euren Hund über die Schulter, wie einen Rucksack. Wenn es ernst wird, entwickelt Ihr Kräfte, die Ihr Euch gar nicht vorstellen könnt.“