Er ist noch keine 30 und hat bereits alles erreicht, was man in Deutschland als Musiker erreichen kann. Die Rede ist von Cro alias Carlo Waibel, dem Rapper mit der Panda-Maske. Der 27-jährige Schwabe war weltweit der jüngste Künstler, der innerhalb der Reihe „MTV Unplugged“ auftreten durfte.Seit Kurzem ist sein drittes Studioalbum „tru.“ draußen.
Cro, wie haben Sie den Sound gefunden, der Ihnen für das Album vorschwebte?
Es ist einfach mein Geschmack, der das Album so klingen lässt, wie es klingt. Vorher war ich mit einem Laptop in meinem Zimmer unterwegs und habe da meine Platten produziert. Diesmal habe ich mich noch mehr in die Materie reingefuchst. Dadurch habe ich viel gelernt und auch andere Musiker kennengelernt, die ich dazugeholt habe, wie Bläser, Streicher und Pianisten. Dadurch konnte ich mehr zaubern. Ich habe mir für mein Studio einen Flügel, ein Piano und ein Schlagzeug gekauft. An den Synthies habe ich so lange herumgedreht, bis ich sie in- und auswendig kannte.
In einem Lied heißt es: „Ich war noch nie so ausgeglichen.“ Wie schaffen Sie es, immer locker zu bleiben?
Die Kunst ist es, sich weniger mit den Dingen auseinanderzusetzen, die einen stören, sondern mit den Dingen, die man liebt. Wenn man aber nicht ausgeglichen ist, muss einem klar sein, was einen stört und versuchen, dieses Problem zu lösen. Ich habe das gemacht. Ich fühle mich heute, als könnte mir nichts mehr passieren.
Was für Probleme meinen Sie?
Zum Beispiel, wenn es in der Liebe nicht groß läuft oder man trennt sich von jemandem, mit dem man lange zusammen war. Und dann verfolgt einen das. Mich nervten hier und da ein paar Dinge, aber irgendwann war ich cool mit mir selber. Im Moment fühle ich mich mega gut, alleine zu sein. Das wusste ich vorher nicht.
Ist das Single-Dasein für Sieder Idealzustand?
Nö, nö. Jeder wie er will und wie es kommt im Leben. Man muss einfach mit dem Flow gehen.
In dem Lied „Baum“ inszenieren Sie Ihren eigenen Tod. Muss man sich Sorgen um Sie machen?
Nein, nein, auf gar keinen Fall. Natürlich geht es in dem Lied um mich. Ich habe mir vorgestellt, wie wäre es, wenn meine letzte Sekunde gekommen wäre. Ich habe da reingepackt, was meine persönlichen letzten Bilder sein könnten. Im Moment des Todes läuft ein Film vor deinem geistigen Auge ab, und du siehst vielleicht deine eigene Geburt ganz klar.
Glauben Sie an ein Leben danach?
Ich weiß es nicht. Manchmal ja, manchmal nein. Wahrscheinlich ist der Tod wie schlafen ohne zu träumen. Einfach ausgeknipst. Aber was wäre, wenn der Tod gar nicht das Ende wäre? Ich kann es mir nicht vorstellen. Mein wissenschaftliches Ich sagt nein, zum Leben braucht man Luft, Gedanken und Energie. Sobald diese Dinge nicht mehr da sind, ist es vorbei. Ciao. Aber vielleicht ist da ja noch Sternenstaub, und man verteilt sich über das ganze Universum und fühlt alles. Ich habe aber keine Ahnung, wie das gehen sollte.
Vielleicht werden Sie jawiedergeboren – als Panda.
An sowas glaube ich nicht. Gut, kann sein, aber dann weiß ich ja nicht, dass ich schon mal da war. Dann ist auch viel weg. Wiedergeburt ist die einzige Theorie, die ich nicht unterschreiben würde. Obwohl manche glauben, man sähe aufgrund bestimmter Falten an der Hand, wie oft man schon wiedergeboren wurde. Theorien halt.
Wollen Sie Ihre Panda-Maskeeigentlich bis ans Ende IhrerTage tragen?
So wie es aussieht, ja. Die Maske behalte ich, weil es mir um die Musik geht und nicht um mich.
Worauf kommt es im Leben wirklich an?
Es kommt im Leben darauf an, schöne Tage zu haben. Dass man jeden Tag das macht, worauf man wirklich Lust hat. Dann hat man am Ende ein schönes Leben gehabt.
Ihr Album heißt „tru.“. Was bedeutet es, „true“ zu bleiben?
Es bedeutet, nicht so zu tun, als sei man jemand anderes, indem man Vorbildern nacheifert oder sich anders gibt, als man ist. Das Beste ist immer noch, ehrlich zu sein. Ein ehrliches Produkt ist viel ehrgreifender und krasser. „Tru“ sein ist sehr wichtig und der einzig richtige Weg, auch in Bezug auf die digitale Welt. Da haben viele verlernt, ehrlich zu sein und photoshoppen sich nur noch.
Haben Sie darüber auch mit Wyclef Jean gesprochen?
Nein, mit Wyclef war ich nicht in einem super deepen Talk. Wir hatten eher sehr viel Spaß.
Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Eine Freundin über drei Ecken kannte eine Freundin von ihm. Und so haben wir uns dann antelefoniert. Wyclef wollte gleich hören, was bei mir so geht und verliebte sich sofort in das Lied „Todas“. Nur so will ich es. Ich brauche niemandem auf meinem Album, nur weil es Wyclef ist. Er muss schon von sich aus Bock haben, in meine Richtung zu gehen. Wir haben sofort gemerkt, wir sind vom selben Schlag. Wyclef ist auch ein Kindskopf. Und dann steht so ein Wyclef Jean im Studio, singt ein bisschen was, kommt aus der Booth und fragt: „Gut so?“ Und dann sagt man zu ihm: „Ja, geht, aber da und da würde ich es so und so machen.“ Und dann geht er tatsächlich wieder rein und verändert es. Das ist krass, und man denkt: „Wow, du hast gerade Wyclef Jean einfach mal kurz gesagt, wie er es machen soll!“
Was interessiert Sie an Wyclef Jean? Ist es seine Art zu rappen, sein Stil oder eher sein Charakter?
Wyclef ist auch „tru“ und war schon immer ein bisschen seine eigene Szene. Als Getto-Hip-Hopper wie Wu-Tang Clan und NWA angesagt waren, hat er mit den Fugees so hippiemäßig mit Gitarre Musik gemacht. Seine Musik ist voller Aussage und Gehalt. Er steht für Freiheit, Gleichheit, nur für Gutes. Ein ganz positiv aufgeladener Künstler.
Wofür steht Ihre Musik? Sind die Ereignisse der vergangenen Zeit in die neuen Songs mit eingeflossen?
Ja, natürlich. Dagegen kann man sich nicht wehren. Die ganze Welt, die auf einen einprasselt, saugt man mit auf. Mein Album beschäftigt sich mit „fake“ und „tru“ und mit Carlo mit Maske – also Cro – und Carlo ohne Maske. Und auch diese Medienwelt – das Echte und das Unechte – spielt da mit rein. Man sollte besser ehrlich sein und nicht alles glauben.
Ein Lied heißt „Alien“. Fühlen Sie sich manchmal fremd in dieser Welt?
Ja, klar. Egal, wo ich hinkomme, ich habe immer gleich ein Alien-Gefühl. Alle wollen mich anfassen und Fotos von mir machen. Ich bin irgendwie kein Mensch und auch nicht in so einem Hamsterrad drin wie viele andere. Ich stehe nicht nach einer bestimmten Uhrzeit auf, ich stehe dann auf, wenn ich aufwache. Für mich fühlt sich das Leben so an wie damals, als der Mensch noch am Jagen war. Da ist man mit der Sonne aufgestanden und eingeschlafen, als man müde war. So zu leben, ist das Natürlichste, was man machen kann. Einen eigenen Rhythmus zu finden. Die schlimmste Erfindung war die Uhr. Weil es unnatürlich ist, sich danach zu richten. Es gibt eigentlich keine Uhr, sondern nur Tag und Nacht und wie man sich fühlt.
Besitzen Sie dennoch eine Uhr?
Ich habe kürzlich festgestellt, ich habe tatsächlich keine Uhr im Haus. Natürlich habe ich ein Handy, aber der Blick auf die Uhr ist bei mir sehr unnormal, außer, ich muss wirklich mal einen Flug kriegen.
Müssen Sie sich manchmal noch kneifen und fragen: Ist das wirklich alles wahr, was ich erlebe?
Ja, ja. Am Anfang war für mich alles noch sehr beeindruckend, groß und neu und noch gar nicht so greifbar. Ich habe wirklich alles mitgemacht, weil es mir Bock gemacht hat. Jeder Tag war klasse, ein Rekord folgte auf den anderen. Ich fühlte mich ein bisschen wie in dem Film „Forrest Gump“. Und dann konnte ich auf einmal anhalten, mich umdrehen und gucken, wer mir da überhaupt folgte. Wo will ich hin? Ich fing an, das alles zu verarbeiten und zu begreifen. Ich habe geguckt, was daran gut und was nicht gut ist und die Mitte davon genommen. Damit bin ich dann weitergelaufen. Jetzt kann ich alles viel besser einschätzen.
Der Satz, dass der Erfolg den Menschen korrumpiere, ist weit verbreitet. Inwieweit machen Sie Zugeständnisse an den Geschmack des Publikums?
Ich konnte schon immer machen, was ich will. Natürlich achtet man unbewusst immer darauf, dass man sich an irgendwelche Rahmen hält. Aber bei diesem Album habe ich mich noch mehr gelöst. Ich kann jetzt wirklich machen, was ich will. Nicht auf die arrogante Art, aber im Sinne von Freiheit. Das fühlt sich geil an. Ich bin jetzt sogar mal richtig experimentell auf einem Album und habe alles ausprobiert. Am liebsten stellen wir das Piano auf den Kopf, bauen noch den Amp dahinter und lassen ihn dann vibrieren.
Wie kam es zu der Wortschöpfung „Computiful“?
Am Anfang hieß der Song noch „Computer Love“. Dann habe ich die Hookline eingesungen mit „Computer Love, Computer Love“ und bin anschließend ins Bett. Kurz vorm Einschlafen kam mir „Computiful“ in den Sinn und ich dachte „Wow!“ Es war so ein Gänsehautmoment, den ich mir nicht mal aufzuschreiben brauchte. Damit bin ich sofort wieder aufgewacht. Dieses Wortspiel umschreibt genau, was wir gerade erleben: Internet, schön sein und vergessen, worum es wirklich geht. Nämlich um Charakter und Persönlichkeit und nicht ums Äußere.
Wie sehen Sie denn das Internet als jemand, der durch die Video-Plattform Youtube berühmt geworden ist?
Es ist Fluch und Segen zugleich. Man muss halt die Mitte finden. Wenn man weiß, wie man das Internet einsetzt und es dafür nutzt, um mit seiner Oma zu skypen und seiner Mama eine Nachricht zu hinterlassen, dann ist es schon wieder gut.
Wie lang war Ihre längste Offline-Phase?
Das war im Herbst, da waren wir mit dem Rucksack in Bali unterwegs – und zwar ohne Handy. Das braucht man da nicht. Mein Dad macht es auch so und guckt einmal in der Woche nach, ob er eine Nachricht bekommen hat. Das ist eigentlich der richtige Umgang.
Warum sind Sie Musiker geworden? Hatten Sie keine Lust, normal arbeiten zu gehen?
Ich war drei Jahre in einer Zeitungsredaktion. Der Job war eher trocken, und da waren diese Hausfrauen um mich rum. Die einzigen Themen waren, was sie so einkaufen, die Aida-Reisen und Hochzeiten. Ich habe den ganzen Tag gegähnt. Irgendwann merkte ich, ich will hier raus, drei Jahre reichen. Und dann habe ich mich wirklich auf die Musik konzentriert, und das Ganze wurde plötzlich groß. Hätte ich das nicht gemacht, wäre ich trotzdem aus diesem Büro raus und hätte was anderes gemacht. Ich passe nicht rein in so ein Reihenhaus mit normal Denkenden.