Landestrainer Hannes Vitense hat seinen Vertrag mit dem Saarländischen Schwimmer-Bund (SSB) zum Jahresende gekündigt und wechselt nach Neckarsulm. Weil ihm mindestens zwei Talente dorthin folgen, ist von einem Skandal die Rede.
Seit 2004 ist Hannes Vitense als Schwimmlehrer im Saarland tätig, seit 2009 ist er Landestrainer. Seit geraumer Zeit lebt der 35-Jährige räumlich von seiner Frau Birte und dem gemeinsamen Kind getrennt. Er in Saarbrücken, sie bei der Familie im Raum Hannover. „Wir wussten: Entweder gelingt es uns, für seine Frau eine Arbeitsstelle zu finden oder wir müssen ihm die Möglichkeit lassen, aus dem Vertrag auszusteigen, falls er eine bessere Konstellation für seine Familie und sich findet“, erklärt SSB-Präsident Martin Bartels. Das Stellenangebot entsprach laut Bartels weder der Qualifikation noch den Vorstellungen der Sportpsychologin Birte Steven-Vitense. Eine passende Konstellation für alle bot sich in Neckarsulm, woraufhin Hannes Vitense seinen Vertrag deutlich vor Ablauf der Kündigungsfrist zum Jahresende kündigte. „Er hat den Wunsch, mit seiner Familie zusammenzuleben, und das kann ich verstehen“, sagt Bartels.
LSVS-Chef Meiser
gibt sich gelassen
Allerdings war geplant, bis zum Olympiajahr 2020 in Tokio zusammenzuarbeiten: „Wir hätten immer damit rechnen müssen. Aber dass er jetzt geht, war für uns schon überraschend“, gibt der Verbandschef zu, der mit Vitenses Arbeit zufrieden war: „Wir haben mit ihm große Erfolge gefeiert.“ „Ich verlasse den SSB aus familiären Gründen“, betont Hannes Vitense, der sich öffentlich nicht weiter zu dem Thema äußern will. Nur so viel: „Alle Beteiligten im Umfeld des SSB und des Landessportverbands sind sehr daran interessiert, dass wir professionell miteinander arbeiten und einen guten Übergang gewährleisten können. Eine Stellungnahme wird es geben, wenn das Umfeld des SSB so weit ist.“
Auf interne Unstimmigkeiten angesprochen sagt SSB-Präsident Martin Bartels: „Es gab Gespräche, in denen wir unsere Standpunkte und Erwartungen klargemacht haben. Aber das bleibt intern. Weder beim Landessportverband noch bei Sportminister Klaus Bouillon gibt es irgendwelche Ressentiments. Ich erfahre positive Unterstützung. Für mich herrscht eher Aufbruchsstimmung.“ Der Präsident des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS), Klaus Meiser, bestätigt diesen Eindruck: „Ich bin der Meinung, dass der aktuelle Präsident des Schwimmerbunds einen hervorragenden Job macht.“ Meiser will mit dem Problem der Trainersuche offensiv umgehen und findet: „Es ist natürlich bedauerlich, dass ein hochqualifizierter Trainer geht und mit ihm gute Schwimmerinnen und Schwimmer. Andererseits kann und soll man Reisende nicht aufhalten.“ Der Standort an der Hermann-Neuberger-Sportschule ist laut Meiser „qualitativ und infrastrukturell top aufgestellt“ und werde sich mit einem neuen qualifizierten Trainer „weiter gut entwickeln“.
Martin Bartels findet, dass die Entscheidung des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV), Saarbrücken nicht als Bundesstützpunkt in Erwägung zu ziehen, „auch eine wichtige Rolle für Hannes gespielt hat“. In Neckarsulm soll ein Stützpunkt für Spitzensportler und Olympiateilnehmer entstehen. Allerdings wird auch dieser kein offizieller Bundesstützpunkt. „Derzeit gibt es im Rahmen der Strukturreform ausschließlich die Frage, welche Bundesstützpunkte geschlossen werden. Keiner führt die Diskussion, wo neue eröffnet werden sollen“, erklärt Klaus Meiser und ergänzt: „Trotzdem sehe ich Chancen, dass sich das noch entwickeln kann. Wir hatten die meisten Kaderathleten in ganz Deutschland, obwohl wir kein Bundesstützpunkt waren.“
Besonders bitter für den saarländischen Schwimmsport ist die Tatsache, dass schon zwei Talente angekündigt haben, Vitense nach Neckarsulm zu folgen: Celine Rieder (16 Jahre) und Henning Mühlleitner (20). „Ich hätte mir gewünscht, dass sie vorher auch mit uns gesprochen hätten. Wir wurden von beiden vor vollendete Tatsachen gestellt“, bedauert Bartels. Dem scheidenden Landestrainer will er diesbezüglich keinen Vorwurf machen: „Für ihn war die Situation ziemlich schwierig. Vielleicht hätte man im Vorfeld aber noch einmal miteinander reden und den Übergang anders gestalten können.“ Jetzt sei der Fokus darauf gerichtet, „einen guten Weg für alle“ zu finden, insbesondere die Schwimmerinnen und Schwimmer, die von Vitense auf die kommenden Wettkämpfe vorbereitet werden.
Darüber hinaus stellt Bartels klar: „Alle anderen Athletinnen und Athleten bleiben erst einmal hier. Im Moment gibt es keine erkennbaren Wechselwünsche.“ Einen gab es doch. Die „Saarbrücker Zeitung“ vermeldete schon den Abgang von Marlene Hüther (19) nach Neckarsulm. „Marlene hat uns gesagt, dass sie nicht, wie die anderen beiden, sofort wechseln will, sondern sich in Abhängigkeit davon entscheiden wird, wie sich die Dinge bei uns entwickeln“, erklärt Bartels: „Da wir davon überzeugt sind, ihr mittel- bis langfristig das bessere Angebot machen zu können, gehe ich davon aus, dass sie nicht wechseln wird.“
Damit das so bleibt, suche der Verband mit Hochdruck nach einem neuen Landestrainer, „mit dem die Athletinnen und Athleten einverstanden sind und mit dem sie sich entsprechend ihrer Vorstellungen entwickeln können“, so Bartels. Bisher kamen bereits sieben internationale Bewerbungen in Saarbrücken an –unter anderem aus England, Portugal, den USA und Australien. Auch mit einigen deutschen Trainern, die der Verband proaktiv kontaktiert habe, wurden schon Gespräche geführt. „Am Ende geht es um ein neues Trainerteam. Dominik Haberecht verlässt uns am Jahresende in Richtung LSVS. So haben wir die Chance, uns im nächsten Jahr mit einem neuen Team, auch mit einem leicht abgewandelten Konzept zu beschäftigen und neue Anreize zu setzen“, gibt sich Bartels zuversichtlich und ergänzt: „Wir sehen das jetzt als große Chance, die bisherige Arbeit vielleicht noch erfolgreicher fortzusetzen.“
Fakt ist: Der Übergang wird nicht einfach, und der Verband muss zuallererst zusehen, wie der Trainerwechsel mit möglichst wenig Beeinträchtigungen für die im Saarland verbliebenen Olympia-Kandidaten von Tokio 2020 zu bewältigen ist.