Neun Jahre waren von der Schifffahrt nur Hiobsbotschaften zu hören. Reeder, Banken und Anleger haben Milliarden verloren. Nun scheint ein Ende der Krise in Sicht.
Noch ist es zu früh für eine endgültige Entwarnung, aber so langsam macht sich in der Schifffahrtsbranche wieder Zuversicht breit. „Die Frachtraten und die Preise für gebrauchte Schiffe haben sich stabilisiert“, sagt Alfred Hartmann, der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) in Hamburg. Die Talsohle sei offenbar durchschritten und in zwei Jahren könnte die Branche wieder in normales Fahrwasser gelangen. „Es gibt nichts, was dagegen spricht. Wir sind keine Abbauindustrie wie die Kohleförderung“, sagte Hartmann. Auch in Zukunft werde es einen wachsenden Welthandel, internationalen Warenaustausch und globale Schifffahrt geben.
Doch die hartnäckige Krise hat tiefe Spuren in der deutschen Schifffahrt hinterlassen. „Wir haben rund 1.000 Schiffe verloren; allein in diesem Jahr 133“, sagt der Reeder-Präsident, der selbst die Hartmann-Gruppe im ostfriesischen Leer in Niedersachsen gegründet hat und führt. Mit 2.720 Schiffen und einer Tonnage von 71 Millionen BRZ spielt Deutschland immer noch eine gewichtige Rolle unter den Schifffahrtsnationen der Welt und unterhält die viertgrößte Handelsflotte. Die Bruttoraumzahl BRZ gibt das Innenvolumen der Schiffsflotte an und hat die veraltete Bruttoregistertonne BRT ersetzt. Doch die Position war schon besser; Griechenland, Japan und China sind davongezogen. Teils mit Schiffen, die von deutschen Reedern als Notverkäufe auf den Markt kamen. „Diese Schiffe sind leider nicht verschwunden, sondern fahren für deutlich geringere Kapitalkosten für ausländische Reeder“, beklagt Hartmann.
Finanzkrise löste konzentration aus
Ursache für die Branchenkrise ab 2008 waren hohe Überkapazitäten vor allem in der Containerschifffahrt, nachdem die Reeder zu viele Schiffe bestellt hatten und der Welthandel nach der Finanzkrise langsamer wuchs. Mit einigen Jahren Verzögerung führte das zu einer Konzentrationswelle bei den Linienreedereien mit Fusionen, Übernahmen und Insolvenzen. Die Hälfte der Top-20-Reedereien des Jahres 2013 ist verschwunden oder bei einem Konkurrenten gelandet.
In der deutschen Seeschifffahrt spielt die Containerschifffahrt mit einem Anteil von knapp 57 Prozent nach der Tonnage nach wie vor eine dominierende Rolle. Die deutschen Reedereien sind überwiegend im Chartergeschäft tätig; sie vermieten ihre Schiffe an die großen Linienreedereien. „Und weil die immer größer werden, ist unsere Verhandlungsmacht geschwächt“, sagt Hartmann. Deshalb bleibe die Lage vorerst angespannt.
Eine Rolle spiele auch, dass sich deutsche Banken wie zum Beispiel die Commerzbank, die Deutsche Bank und die Landesbanken weitgehend aus dem Geschäft mit der Schiffsfinanzierung zurückgezogen hätten. Vom verschleppten Desaster um die HSH Nordbank, der Landesbank der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, gar nicht zu reden. Die Folge dieser Entwicklungen war in jedem Fall deutlich: Die deutschen Banken überließen dieses Geschäft nun zunehmend Konkurrenten aus Skandinavien, Großbritannien, den USA oder auch China. „Die Reedereien müssen neue Finanzierungswege finden“, sagt Hartmann dazu. Deshalb orientierten sie sich oft ins Ausland. Auf der anderen Seite nutzten auch ausländische Reeder das in Deutschland vorhandene große Know-how über Schiffsmanagement und ließen ihre Schiffe von deutschen Reedereien betreuen. Das sei für die deutsche Schifffahrt ein neues Geschäftsmodell, sagt VDR-Präsident Hartmann. Die Branche scheint ernsthaft Wege aus der bald zehnjährigen Krise zu finden.