Frauenthemen sind der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer ein besonderes Anliegen. Seit 2001 ist sie stellvertretende Bundesvorsitzende der Frauen-Union (FU). Im Interview erläutert sie ihre Haltung zu Quoten, Quoren und dem Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass das nächste Bundeskabinett zur Hälfte aus Frauen besteht.
Frau Kramp-Karrenbauer, als Ministerpräsidentin, Landesvorsitzende und Mitglied im Bundesvorstand der Partei sowie etlichen anderen Aufgaben engagieren Sie sich an der Spitze der Frauen-Union, nehmen sich Zeit für „Ladies Talk". Was ist Ihnen dabei so wichtig?
Es gibt sehr viele Dinge, die ineinandergreifen. Die Frauen-Union war für mich von Anfang an ein ganz wichtiger Teil meiner Arbeit in der Partei und hat mich sehr geprägt. Viele der Forderungen, die ich politisch vertrete, kommen aus der Frauen-Union. Deswegen war es für mich selbstverständlich, auch als ich andere Positionen etwa als Ministerin oder Ministerpräsidentin erhalten habe, dass ich mich in der Frauen-Union weiter engagiere, weil das ein ganz wichtiges Signal auch für die Frauen selbst ist.
Von der Frauen-Union hört man in der Öffentlichkeit meist nur etwas vor Wahlen oder wenn eine Neuwahl im Bund ansteht. Ist die FU ein Wahlverein zur Mobilisierung von Stimmen für die CDU?
Nein, ganz und gar nicht. Die Frauen- Union ist eine Vereinigung, die mit zu den aktivsten in der CDU gehört. Wir haben etwa hier an der Saar seit vielen Jahren ein intensives Mentoring-Programm, wo es darum geht, Frauen für Politik zu interessieren, auf Politik vorzubereiten – auch auf die Übernahme von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Funktionen. Viele der inhaltlichen Positionen, für die die CDU auch deutschlandweit in den letzten Jahren steht – ob das die Weiterentwicklung in der Familienpolitik oder das Thema Mütterrente war – sind Anliegen der Frauen-Union, für die wir lange und hart in der Partei gekämpft haben. Wir schlagen vielleicht nicht so viele Wellen nach außen wie andere Vereinigungen. Aber unser Einfluss nach innen sollte nicht unterschätzt werden.
Die Frauen-Union ist die größte Vereinigung in der CDU. Liegt das allein daran, dass alle Frauen in der CDU automatisch Mitglied sind? Oder glauben Sie, alle CDUlerinnen würden sich freiwillig der Frauenunion anschließen?
Davon bin ich überzeugt und falls nicht haben CDU-Frauen die Möglichkeit, sich von der Frauen-Union abzumelden. Doch immer mehr Frauen erkennen, dass die Frauen-Union für sie eine wichtige Interessensvertretung ist, wenn es um die Belange von Frauen geht. Beispielsweise um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Alterssicherung von Frauen oder um die Anerkennung von Erziehungs- und Pflegezeiten. Deswegen gibt es immer mehr Frauen in der CDU, die ganz bewusst aktiv in der Frauen-Union sind.
Familienpolitische Leistungen verbessert
Beim letzten Bundesdelegiertentag hat die Frauen-Union die „Braunschweiger Erklärung" mit zahlreichen Forderungen für die kommende Legislaturperiode verabschiedet. Eine der Forderungen ist die Erhöhung des Kindergeldes beziehungsweise des Steuerfreibetrags für Kinder. In welche Richtung zielt das?
Das haben wir im CDU-Wahlprogramm durchgekämpft. Unser Ziel ist es, dass der Freibetrag beziehungsweise das Kindergeld schrittweise so erhöht werden, dass ein Kind den gleichen Freibetrag hat wie ein Erwachsener. Es ist nicht einzusehen, warum Kinder im Steuerrecht anders behandelt werden als Erwachsene. Das ist auch eine massive Verbesserung von familienpolitischer Leistung. Die setzt dort an, wo es nötig ist, nämlich beim Kind selbst. Wir wollen das Ehegattensplitting beibehalten, aber das Steuerrecht weiterentwickeln.
Eine weitere Forderung ist die nach dem Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern im Grundschulalter. Warum ist diese gesetzliche Regelung nötig?
Wir haben im Kita- und im Krippenbereich massiv aufgeholt. Aber viele Eltern stellen fest, dass es schwieriger wird, wenn das Kind in die Grundschule kommt. Deshalb gibt es in den Bundesländern eine Reihe von freiwilligen Angeboten, und es gibt gebundene Ganztagsschulen. Aber das reicht noch nicht aus. Jetzt kommt eine Generation, die die Betreuung in der Krippe und im Kindergarten gewöhnt ist. Das ist der Standard, den sie nachher auch in der Schule haben wollen. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Betreuungsausbau in der Schule vorantreiben. Im Kindergarten hat sich der Rechtsanspruch als wirkungsvoller Hebel erwiesen.
Gibt es auch im Saarland das Problem? Und was wollen Sie hier tun?
Wir haben im Saarland ein gut funktionierendes System mit freiwilliger Nachmittagsbetreuung von hoher Qualität und verpflichtenden Ganztagsschulen aufgebaut. Trotzdem stellen wir fest, dass der Bedarf immer weiter steigt. Insofern finde ich es richtig, wenn das gemeinsamen weiter verbessert wird. Es stellt sich die Frage: Wie können wir das gemeinsam mit dem Bund vorantreiben? Der Bund hat vor Jahren die Entwicklung im Kindergartenbereich durch ein Bauprogramm forciert, Ähnliches brauchen wir jetzt auch für die Grundschulen.
In den Führungspositionen der Wirtschaft sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Durch die gesetzliche Quotenregelung für Aufsichtsräte von börsennotierten Unternehmen hat sich einiges bewegt. Brauchen wir auch Quoten für Vorstände, wie Familienministerin Barley die erwägt und in anderen Führungsbereichen in der Wirtschaft?
Die Kanzlerin hat dazu eine klare Aussage getroffen: Die Wirtschaft hatte die Möglichkeit, freiwillig entsprechend Frauen einzustellen. Wenn wir uns heute Entwicklungspläne von Unternehmen anschauen, in denen drinsteht: „Erwarteter Zuwachs von Frauen Null", dann zeigt dies, dass man sich in Sachen Frauenförderung nicht auf den Weg macht.
Ob es Quoten gibt, liegt an der Wirtschaft selbst
Wenn das freiwillig nicht geht, dann muss der Gesetzgeber eingreifen. Ich wünsche mir nicht, dass wir für Alles und Jedes gesetzliche Quoten brauchen. Aber wenn es halt nicht anders funktioniert, dann muss man überlegen, ob man in der Wirtschaft nach den Erfahrungen in den Aufsichtsräten auch in anderen Bereichen zu Quotenregelungen greift. Aber das liegt an der Wirtschaft selbst.
Wie lange hat die Wirtschaft das noch in der Hand?
Noch haben die Unternehmen das in der Hand. Aber die Zeit läuft ab. Es wird keine Jahre dauern, bis man sich der Frage nochmals widmen muss. Die Zeitspanne war jetzt lang genug. Die Wirtschaft muss jetzt in die Puschen kommen.
Und in der Politik? Grüne, SPD, Linke haben bei Listenaufstellung strikte Fifty-Fifty-Quotenregelungen. Die CDU hat da ein weicheres Quorum, nach dem möglichst 30 Prozent der Listenplätze mit Frauen besetzt werden sollen. Ist das ausreichend, um Frauen entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung in der Politik zu beteiligen?
Das ist insofern problematisch, weil wir ein Wahlrecht mit Direktkandidaten haben, wo die Quote oder das Quorum ins Leere läuft. Wir haben Länder, in denen auf der Landesliste zur Bundestagswahl fünfzig Prozent der Kandidaten auch auf den vorderen Plätzen Frauen sind. Aber im Schnitt werden die Mandate über die Direkt-Wahlkreise gezogen. Und dort werden mehr Männer als Frauen aufgestellt. Wir überlegen schon lange – und das ist auch ein Problem bei anderen Parteien –, ob das über Quotenregelungen zu bewältigen ist, oder ob man sich dazu was Neues im Wahlrecht überlegen muss.
Die SPD reklamiert für sich, dass die Hälfte aller ihrer Bundesminister Frauen sind. Kanzlerin Angela Merkel hat beim Delegiertentag in Braunschweig gesagt, sie wünsche sich, dass das für ihr nächstes Kabinett insgesamt gilt. Müsste es hier nicht eine strikte Quote geben?
Regierungen werden bei uns in der Regel aus mehreren Partnern gebildet. In der eigenen Partei kann man das mit Blick auf Minister und Staatssekretäre auch umsetzen. Gegenüber einem Koalitionspartner kann man den Wunsch äußern. Ob der das dann auch umsetzt, ist seine Sache. Als CDU-Präsidiumsmitglied werde ich auf jeden Fall – wenn wir die Wahl so erfolgreich gestalten, dass wir wieder in die Regierungsbildung gehen – dafür kämpfen, dass wir uns als CDU an diesem Ziel ausrichten.