Frauen in politischen Spitzenämtern sind keine Seltenheit. Aber ähnlich wie in der Wirtschaft entspricht ihr Anteil keineswegs dem Frauenanteil in der Bevölkerung. Parteien versuchen mit unterschiedlichen Methoden, das zu ändern. Die Frauen-Union hat das Format „Ladies Talk" ins Leben gerufen.
Er wirkt ein bisschen wie der Hahn im Korb. „Was gibt es Schöneres für einen Mann, als sich in einem solch großen Kreis von Frauen präsentieren zu dürfen", schwärmt Bernd Wegner bei seiner Premiere. Der 60-jährige CDU-Politiker ist zum ersten „Ladies Talk" der Frauen Union (FU) Saar als Gast geladen und nutzt die Gelegenheit gerne, für seine Direktkandidatur im Wahlkreis Saarbrücken um weibliche Zustimmung zu werben.
Zum gemeinsamen Frühstück sind etwa 70 politikinteressierte Frauen gekommen. Wegner und später auch CDU-Spitzenfrau Annegret Kramp-Karrenbauer setzen sich zum Plausch mit den Damen reihum an die sechs mit Farnen und anderen Grünpflanzen geschmückten Tische.
Das Format „Ladies Talk" hat die Frauen Union an der Saar Ende vergangenen Jahres zur Mobilisierung vor der Landtagswahl eingeführt. Acht solcher Treffen zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen gab es in den Monaten vor dem Urnengang im März. Zur Bundestagswahl wurde dieses Format wiederbelebt. Rund 70 Teilnehmerinnen bestätigen das Frauen-Interesse an Politik. Dass sich auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer angesagt hat, tat ein Übriges. Sie war erst kurz zuvor als stellvertretende Bundesvorsitzende der Frauen-Union eindrucksvoll bestätigt worden.
„Wir setzen auf Orte, an denen sich Frauen wohlfühlen. Sonst wird Politik ja oft in Hinterzimmern mit dunklen Eichenmöbeln gemacht", sagt die saarländische FU-Landeschefin Anja Wagner-Scheid. Mal trafen sich die Damen in einem Wohlfühlhotel in Losheim, mal in einem Designhotel in Saarlouis, mal in einem Café in Homburg. Jetzt sitzen die Damen um freundlich geschmückte Tische im Victor’s Residenz-Hotel auf dem Saarbrücker Rodenhof zusammen.
Eingeladen sind – klar – zum einen CDU-Mitglieder. Gekommen sind in Saarbrücken aber auch einige der 32 Frauen, die derzeit das FU-Mentoring-Programm durchlaufen. Seit 2008 haben das bereits 100 politikinteressierte Frauen absolviert. Bei dem Programm werden sie ein Jahr lang jeweils von einem erfahrenen CDU-Mitglied begleitet und bekommen Fortbildungen.
Das geschieht meist mit wenig Öffentlichkeit: „Wir schlagen vielleicht nicht so viele Wellen nach außen wie andere Vereinigungen. Aber unser Einfluss nach Innen sollte nicht unterschätzt werden", betont die saarländische CDU-Landesschefin Kramp-Karrenbauer (siehe Interview).
Beim derzeitigen Mentoring-Durchlauf ist auch die Gastronomin Natascha Klemm-König dabei. „Ich wollte nicht bei Facebook rumhängen", erzählt die 48-Jährige. Auch die 50-jährige Verwaltungsangestellte Marion Dittgen engagiert sich seit Kurzem in ihrem Wohnort Bliesransbach in der CDU und ist beim Frauen-Mentoring dabei.
Familie, Beruf und Politik vereinbaren
Die Zahl der Frauen in der Politik ist in den vergangenen Jahren zwar gewachsen, doch ist das weibliche Geschlecht vielerorts in politischen Ämtern weiter unterrepräsentiert. So waren nach dem Gleichstellungsatlas des Bundesfamilienministeriums im September 2015 insgesamt 31,6 Prozent der Abgeordneten in deutschen Landesparlamenten weiblich, die Bandbreite erstreckte sich zwischen 18,1 Prozent (Baden-Württemberg) und 41,6 Prozent (Rheinland-Pfalz). Im Saarland waren es 39,2 Prozent.
In den kommunalen Parlamenten sah es mit 27,1 Prozent im Schnitt noch schlechter aus. Am besten schnitt das Berliner Abgeordnetenhaus mit 41,9 Prozent ab, das Saarland lag mit 25,5 Prozent im Mittelfeld.
Mehr als Männer müssten sich Frauen zwischen Familie, Beruf und Politik entscheiden, sagt die Saar-FU-Vorsitzende Wagner-Scheid. Sie selber hat sich im März für ihren Job als Direktorin des Landesamtes für Soziales und gegen den bei der Wahl eigentlich errungenen Sitz im Landtag entschieden. Als Vorsitzende der Frauen-Union stand sie auf Platz fünf der CDU-Landesliste.
„Ich war völlig überrascht, dass der Platz zog", sagt Wagner-Scheid. Vor fünf Jahren waren nach Angaben von CDU-Sprecher Timo Flätgen nur zwei Kandidaten über die Landesliste ins Saar-Parlament gekommen. Immerhin ist die Nachrückerin für Wagner-Scheid auch eine Frau: Sarah Gillen war als Kandidatin der CDU-Mittelstandsvereinigung aufgestellt worden.
Nach Außen tritt die Frauen-Union meist nur zu Wahlen in Erscheinung, wie jetzt mit dem „Ladies Talk". Zu den Treffen werden auch „Multiplikatoren" eingeladen, die sonst nicht unbedingt etwas mit der CDU am Hut haben.
So sind in Saarbrücken auch die Vize-Vorsitzende des saarländischen Frauenrats, Annette Peterandel, und ihre Kollegin als Anwältin für Familienrecht, Rosetta Puma, mit dabei. Nach dem Gespräch mit Bundestagskandidat Bernd Wegner wundert sich Peterandel allerdings, dass der CDU-Mann von dem schon 2000 verabschiedeten „Parité-Gesetz" im benachbarten Frankreich noch nichts gehört habe. Danach bekommen Parteien, die nicht abwechselnd Männer und Frauen auf ihren Wahllisten aufstellen, weniger staatliche Zuwendungen.
Eine Ausnahme unter den meist zwischen Ende 40 und rund 70 Jahre alten Frauen im Saal ist Astrid Kany. Die 38-jährige Hebamme ist gekommen, um über die Alltagsprobleme in saarländischen Krankenhäusern und ihr ehrenamtliches Engagement bei der Geburtshilfe für Flüchtlinge und in der Entwicklungshilfe zu berichten. Kramp-Karrenbauer nimmt sich viel Zeit für das Gespräch mit ihr, schaut sich Fotos von Babys an, die Kany bei ihren „Urlaubs"-Einsätzen auf den Philippinen und in Afrika gemacht hat. „Ich hatte zumindest das Gefühl: Da hat jemand ein offenes Ohr für meine Anliegen", sagt die Hebamme.
Das Format hat sich bewährt, findet Wagner-Scheid. Und so zieht die Frauen-Union Saar durchaus in Betracht, „Ladies Talks" regelmäßig zumindest einmal im Jahr zu organisieren – auch wenn keine Wahlen vor der Haustür stehen.