Mit „Es“ kommt der Klassiker von Grusel-Schriftsteller Stephen King in einer neuen Fassung ins Kino. Wer seinen Spaß bei Zirkusbesuchen behalten möchte, darf diesen Film nicht sehen. Die Angst vor Clowns könnte einfach zu groß werden.
Es war Mitte der 80er-Jahre der perfekte Buchtitel. Einfach nur „Es“ nannte Stephen King sein Buch, das mit seinen fast 700 starken Seiten im krassen Gegensatz stand zum Titel, der kürzer kaum sein konnte. Es? Was sollte das sein? Worum geht’s? „Es“ wurde ein Welterfolg und begründete zusammen mit „Friedhof der Kuscheltiere“ und „Carrie“ den Ruhm von Stephen King.
Derry, ein ödes Städtchen im US-Staat Maine. Sieben Jungs bezeichnen sich selbst als „Club der Verlierer“. Sie werden ausgegrenzt, die Rowdys des Ortes haben sie ins Visier genommen, die Eltern meckern nur. Den echten Horror aber erleben sie in einem Sommer. Ein Monster steigt aus der Kanalisation herauf, um sich von den Kindern der Stadt zu ernähren. So wie der Junge Georgie (Jackson Robert Scott), der an einem Regentag versucht, sein Papierschiffchen aus einem Gully zu fischen. Das Monster nimmt kindgerecht die Gestalt des Clowns Pennywise (Bill Skarsgård) an und hat mit dem Kind leichtes Spiel. Aber die Jungen vom „Club der Verlierer“ rücken zusammen und bilden eine feste Gemeinschaft, um so ihre eigene Angst zu überwinden und diesen Amoklauf in Derry zu beenden.
Wie perfide von Stephen King, ausgerechnet einen Clown zum Kinderfresser werden zu lassen. Kein Wunder also, dass das Buch „Es“ bald nach seinem Erscheinen erstmals verfilmt wurde. Nun, fast 30 Jahre später, ist das ursprünglich als Fernsehfilm produzierte Werk verstaubt. Regisseur Andrés Muschietti hat sich „Es“ wieder vorgenommen. Und um es an dieser Stelle kurz zu machen: Die neue Version von „Es“ dürfte der Horrorfilm des Jahres sein. Wer sich den Film ansieht (und nicht vorzeitig voller Angst aus dem Kino stürmt), dürfte hinterher jeden Clown und jeden roten Luftballon mit einem Schaudern betrachten.
Andrés Muschietti (Horror-erfahren durch „Mama“, 2013) erzeugt anfangs die richtige Stimmung, um den Grusel langsam und sanft durch jede Pore wabern zu lassen. Der Regisseur hält sich eng an Kings Vorlage und präsentiert Derry und die Jungs fast schon nostalgisch wie in den 80er-Jahren. Der Horror kommt schleichend. Mal schwebt ein roter Luftballon durch den Raum, mal erscheint Pennywises Gesicht im Fenster eines Autos, mal auf einer alten Fotografie. Bis eben ein Kind verschwindet und dann noch eines, sodass sicher ist: In Derry geht der Tod um. Indem die Teenager in die Kanalisation ihrer Stadt steigen, kommen sie dem Clown mit jedem Schritt näher und erleben ein Grauen, das sich bis in jeden Kinosessel ausbreiten wird. Das gelingt vor allem durch die perfekte Inszenierung von Pennywise. Während der „Pennywise“-Schauspieler Tim Curry in der alten Fassung noch echt bemalt wurde, sind in der neuen Fassung die Szenen mit dem Clown digital bearbeitet. Das funktioniert gut und erhöht zuweilen den Schrecken ins Unerträgliche. Pennywise ist schnell, er lauert im Wasser ebenso wie im Schrank, sein Murren wird noch so manchen Schlaf stören, sein Fauchen schmerzt in den Ohren, die Augen blitzen hellgrün in der modrigen Dunkelheit. Der etwas schlaksige Schauspieler Bill Skarsgård passt gut in das skurrile Kostüm, dessen Einzelteile aus verschiedenen Stilepochen stammen, um die Unsterblichkeit des Monsters zu betonen.
atemberaubender Schocker
Bis es zum finalen Kampf zwischen der Unschuld der Jugend und dem kinderfressenden Scheusal kommt, wird in den Kinosälen so mancher Schock den Zuschauern den Atem rauben. Als Pennywise aber seine Clownsmaske abstreift und sein wahres Aussehen zeigt, gibt es tatsächlich den einzigen Schwachpunkt des Films. Wie schon im Buch und in der Erstverfilmung kann auch Regisseur Muschietti das Ungeheuer nicht perfekt für jeden Zuschauer abbilden. Vielleicht ist der Grund, dass jeder Mensch von seiner kindlichen Angst ein anderes Bild hat. Mal ist es das Monster unterm Bett, mal der schwarze Mann im Dunkeln – oder eben mal ein Clown mit einem roten Luftballon. Am Ende des Films sind die Jungs ein gutes Stück erwachsener geworden. Dass die Bande das Clownsmonster aber nicht für immer besiegt hat, weiß jeder „Es“-Leser. Die Buchvorlage nämlich macht anschließend einen Zeitsprung und lässt die jungen Helden als erwachsene Männer noch einmal den Kampf gegen Pennywise aufnehmen. Andrés Muschietti aber belässt es vorerst beim Kampf in der Kindheit und spart sich den Rest der Geschichte für ein Sequel auf. Und das wird so sicher in die Kinos kommen wie Pennywise seinen Hunger auf Kinderfleisch stillen möchte.