Kaum ein Saarländer kennt den Tierpark Sainte-Croix im lothringischen Rhodes. Dabei wurde der Park in den vergangenen Jahren zu einem der attraktivsten seiner Art in Europa ausgebaut und liegt nur eine Autostunde von Saarbrücken entfernt. Ein echter Geheimtipp.
Aus der Publikumsarena des Wolfgeheges dringt Geheul nach draußen. Dazu Musik. Da heulen aber keine Wölfe, sondern Puppenspieler. Zur Freude der Kinder. Auf den Zuschauerrängen sitzen viele Familien. Hinter dem kleinen Holzanhänger, der das Puppentheater beherbergt, trennt ein Wassergraben die Arena vom Tiergehege ab. Fotografen fangen an zu knipsen. Denn hinterm Graben tut sich was: Die echten Wölfe kommen.
Der Wolfsbereich mit insgesamt drei verschiedenen Rudeln in jeweils eigenen Gehegen ist nur ein Teil des Tierparks Sainte-Croix im lothringischen Rhodes, 70 Kilometer südlich von Saarbrücken. Auf dem weitläufigen Areal des Parks führen drei große, farbig markierte Rundwege durch Wiesen, Waldstücke und an Wasserflächen entlang zu mehreren Themenbereichen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf europäischen Tierarten.
Der Park ist im Privatbesitz. 1980 wurde er von Liliane und Gérald Singer gegründet, einem Bauernpaar, das dafür große Ländereien umwandelte. Ein riskantes Unterfangen, das aber schnell zum Publikumserfolg wurde. Auch Sturmschäden und ein schwerer Brand konnten das stetige Wachstum des Parks nicht aufhalten. Ständig kommen neue Attraktionen hinzu, wie etwa das Gibbon-Pärchen dieses Jahr.
Kaum ein Gitter oder Zaun stört den Ausblick
Wenn die Wolfspuppen singen, kommen auch die richtigen Wölfe langsam näher. Denn sie wissen: Sobald ihre Plüschkollegen wieder verstummen, gibt’s was zu fressen. Die Fütterungszeiten und -orte sind auf einem Plan verzeichnet, der am Eingang ausliegt. Familie Leitwolf, Iris und Eclipse mit ihren fünf Jungen, kommt jetzt bis auf wenige Meter ans Publikum heran. Der Rest des Rudels folgt. Eine Tierpflegerin wirft Fleischstücke rüber, während sie etwas über die Tiere erzählt. Auch, dass seit einigen Jahren wieder wilde Wölfe in den Vogesen wohnen.
Neben der Arena gibt es für dieses Wolfsgehege noch zwei weitere Beobachtungspunkte. Sie führen den Besucher in erhabener Position über das Gehege, sodass man praktisch immer ein paar Tiere erspähen kann. Kaum ein Gitter oder Zaun stört den Ausblick. Manche Gehege haben auch große Glasflächen als Abtrennung, die tatsächlich so sauber sind, dass sie kaum auffallen.
Insgesamt hat sich die Parkleitung einige Gedanken gemacht, wie die Besucher die Tiere möglichst unmittelbar erleben können. Besonders gut klappt das bei den Lemuren. Auf einer kleinen Insel leben sie, die roten Varis, Kattas und Rotbauchmakis. Der Zugang erfolgt über Brücken, die mit doppelten Türen als eine Art Schleuse funktionieren. So kommt man als Besucher mitten hinein ins offene Gehege. Ein paar Pfleger passen auf, dass tierbegeisterte Besucher den putzigen Halbaffen nicht allzu sehr auf die Pelle rücken. Weniger gut dagegen ist das offene Parkkonzept bei den Wildkatzen umgesetzt: Sie müssen mit einem großen Käfig Vorlieb nehmen, wie in einem Zoo. Die meisten Tiergehege jedoch sind malerisch in die Naturlandschaft des Parks integriert und bringen nur so wenige Zäune wie nötig zwischen Mensch und Tier. Das funktioniert natürlich bei harmlosen Pflanzenfressern am besten. Wie zum Beispiel beim Hirschgehege, wo gerade ebenfalls eine Fütterung läuft. Der kleine Zug, der das große Hirsch-Areal umrundet, hat angehalten. Der Fahrer springt heraus, lockt ein paar Dutzend Hirsche mit Futter an und erzählt den Fahrgästen Wissenswertes über die Tiere.
Der Fleisch-Eimer im Wolfsgehege ist leer. Langsam ziehen sich die Tiere wieder zurück, verschwinden zwischen Felsen, Baumstämmen und Büschen. Die europäischen Grauwölfe sind eines von drei Wolfsrudeln im Tierpark Sainte-Croix. Folgt man dem Weg „Histoire de Loups", gelangt der Besucher zu zwei weiteren Gehegen mit Unterarten dieser Spezies, schwarzen Timberwölfen und weißen Polarwölfen. Am Eingang des Themenbereichs wird der Einfluss des Wolfes auf unsere Kultur durch verschiedene Installationen dargestellt. Skulpturen zeigen den Mythos vom Werwolf; eine Holzwand mit (französischen) Redewendungen demonstriert, wie vielfältig der Wolf die Sprache geprägt hat, und natürlich darf auch die Rolle des Wolfs in der Märchenwelt nicht fehlen.
Fast alle Gebäude im Park sind aus Holz, auch die Zuschauerbrücken und -arenen, die Cafés, die Picknickplätze. Die Bauten wirken mit ihrem phantasievollen, verspielten Stil wie eine Märchenfilmkulisse. Generell steht der Erlebnischarakter im Vordergrund. Dabei kommen auch pädagogische Aspekte nicht zu kurz. Informationstafeln weisen immer wieder auf bedrohte Tierarten und den Wert der Artenvielfalt hin.
Grundsätzlich bietet der Park jede Menge zu sehen für einen ganzen Tag oder auch zwei. Wer’s gerne etwas exklusiver mag, bucht noch einen Abend bei den Hirschen oder eine nächtliche Führung zu den Wölfen hinzu, inklusive „Rotkäppchen-Korb" fürs Picknick bei Wolfsgeheul. Überhaupt haben sich die Parkbetreiber einiges einfallen lassen, um den Besuchern besondere Erlebnisse zu bieten und gleichzeitig den Umsatz des Parks anzukurbeln.
Ein großer Erfolg sind die Übernachtungsmöglichkeiten, die in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut wurden. Sie reichen vom Zeltlager inmitten der Hirsche übers abenteuerliche Baumhaus über den Wipfeln bis hin zum Ferienhäuschen bei den Wölfen. Eine Nacht im Wolfsgehege kostet eine vierköpfige Familie ab 465 Euro. Vielen Tierfreunden ist es das offenbar wert: Für diesen Herbst sind fast alle Plätze schon ausgebucht, und selbst fürs kommende Jahr sind kaum noch Wochenenden zu haben.
Jetzt im Herbst sind die Apartments am großen Hirschgehege besonders begehrt. Es ist Brunftzeit. Übernachtungsgäste können praktisch von ihrer Terrasse aus wilde Kämpfe beobachten und sich von verliebten Hirschbullen in den Schlaf röhren lassen. Der Park bietet hierzu auch spezielle Veranstaltungen (siehe Infokasten).
Die Infotafeln sind auch auf Deutsch
Im Park sind kaum deutsche Besucher zu finden. Im Gegensatz zum Zoo in Amnéville macht der Tierpark Sainte-Croix keine Werbung im benachbarten Saarland. Die Parkführungen, Fütterungen und Events werden nur in französischer Sprache moderiert. Wer nun partout kein Wort Französisch spricht, sollte sich aber nicht von einem Besuch abhalten lassen. Die Infotafeln im Park enthalten auch deutsche und englische Übersetzungen, und vorab kann sich der Interessierte Besucher auf den deutschsprachigen Internetseiten des Parks informieren.
Ab Mitte November ist der ganze Trubel auch erst ma vorbei. Dann macht der Park Winterpause bis Mitte Februar. Das Frühjahr lockt dann gleich wieder besonders viele Besucher an, denn dann kommt die Zeit der Tierbabys.Wer es bis dahin nicht aushält: Der Park hat auch während der Winterpause einige wenige Angebote auf Lager, darunter das Übernachtungsarrangement „Schlafen bei Wolfsgesang".