Ein App-Start-up kommt dem Trend, Events mit anderen zu teilen, mit dem Rundumblick von bis zu fünf Smartphones beim mobilen Live-Broadcasting entgegen. Ein anderes setzt einen Trend gegen die digitale Vergänglichkeit.
Wir wollen es allen ermöglichen, die gerade nicht dabei sind, dabei zu sein.“ Jakob Bodenmüller hält wenig von alten Kommunikations- und Informationswegen. Für ihn zählt es, nicht außen vor zu bleiben, alles mitzubekommen. Wenn nicht in Person, dann mithilfe von Pixeln. Und Sprache. Film nennt sich das. Live-Video. Oder Live-Streaming, also das Senden von Echtzeit-Daten, die zu bewegten Bildern mit Ton werden, auch Live-Broadcasting genannt.
Nur eine Perspektive sei langweilig. Ein Blickwinkel könne nicht ein ganzes Event abdecken, das Interesse und die Aufmerksamkeit der Nutzer nicht aufrechterhalten. Sagt Bodenmüller, der Co-Founder von „HIGGS – Next Generation Live Streaming“, eines der im vergangenen Jahr gegründeten Start-ups aus München. Livestreaming ist der Social-Media-Trend. Mehrere Blickrichtungen, wie etwa bei Übertragungen von Champions-League-Spielen, sind hipp. Oder eben „HIGGS“, wenn dafür kein teures Equipment benötigt wird und nicht kilometerlang Kabel zu verlegen sind. Wenn auch die Turniere unterer Ligen oder von Nischen-Sportarten im Internet zu sehen sind. Wenn einfach die Smartphones herausgeholt und das mit ihnen gefilmte Event von Menschen auf Social-Media-Kanälen gefunden und gesehen wird, die sonst nicht dabei sein könnten. Einzige Voraussetzung sind gute Kameras in leistungsstarken Smartphones, die parallel aus mehreren Perspektiven filmen. Und zwar, nachdem das Ereignis auf der HIGGS-App angelegt worden ist.
Livestreaming ist
der Social-Media-Trend
Das ist die Grundidee des Streaming-Start-ups: das Filmen mit mobilen Telefonen professionalisieren, indem mehrere Smartphones an verschiedenen Stellen gleichzeitig die Szenerie aufnehmen und jeweils exakt die Perspektive live übertragen wird, die ein Regisseur mithilfe der App-Software gerade auswählt. Der Nutzer kann das Event auf Youtube oder Facebook live sehen und interagieren, mitwirken, quasi sogar aktiv dabei sein, ohne vor Ort zu sein.
Egal wie klein eine Veranstaltung ist: HIGGS ist da, wo etwas los ist. Die HIGGS-Livestreams sind dort abrufbar, wo sich moderne Medienkonsumenten sowieso häufig einklicken. „Unser Video der World Food Programme erreichte so 700 Prozent Adressaten mehr“, erzählt Bodenmüller. Die Einsatzbereiche seien vielfältig: „Ron erstellt regelmäßig Livestreams von BMW-Events“, sagt der Mitgründer von HIGGS. Die Preise von https://higgs.live/ lägen deutlich unter 10.000 Euro pro Tag, die mit klassischer Multi-Kameratechnik schnell fällig würden.
Zu den Kunden von HIGGS gehören so unterschiedliche Veranstalter wie Vision Awards, Sky, United Nations, Vodafone, 48forward, Neuraum, Muenchen.de-Stadtportal, Halbmarathon München, Munich Creative Business Week, Technische Universität München, Warr Hyperloop, World Food Programme, FTM Schwabing und Secusmart.
Weitere Social-Media-Kanäle sollen für die Übertragungen hinzukommen. Vor allem auch „jüngere“, wie Snapchat, dessen Charme darin liegt, dass die dort gestreamten Videos nach einem Tag wirklich gelöscht und aus dem sonst so ewigen Gedächtnis von Internet-Veröffentlichungen verschwunden sein sollen. Wenn man es denn so will.
Weltmarktführer
für Chat-Bücher
Die Kurzlebigkeit moderner Kommunikation gefällt nicht jedem. Schon gar nicht, wenn es um besondere, einmalige Erlebnisse im Leben geht, die mit vielen Emotionen verbunden sind. Hochzeiten, Geburten, intensive Chats während der Frühphasen zukunftsträchtiger Zweier-Beziehungen, unfreiwillige Trennungen, Kleinkindzeiten, besondere Urlaube. Früher wurden Postkarten und Briefe gesammelt, manchmal auch in besonderen Kistchen und Ordnern zusammengefasst oder als bunte Erinnerungscollage zusammengesetzt.
So viel Handwerk ist selten geworden. Dennoch ist das Münchener Start-up Zapptales vor zwei Jahren aus eigenem Erleben zu analogen Zeiten zurückgekehrt. Daniel ViÇen Renner fand es nach der Geburt seines Neffen schade, dass der bewegende Austausch rund um das Baby verloren gehen sollte: „Meine Schwester und meine Familie teilten so viele Nachrichten und Bilder auf Whatsapp. Diese Unterhaltungen wollte ich unbedingt festhalten – fand aber keine gute Möglichkeit.“ Ein Screenshot nach dem anderen ist aufwändig und nicht unbedingt schön. Renner entwickelte eine Lösung: „Wir gründeten Zapptales, um es allen möglich zu machen, ihre digitalen Erinnerungen auf eine ganz individuelle und doch einfache Weise festzuhalten.“
Mit Anna Kimmerle-Hürlimann und Alvaro Masia Semmel führt Renner das mittlerweile acht Menschen beschäftigende Unternehmen. Die Idee, die schönsten Nachrichten zu sammeln und unabhängig von der nur relativen Überlebenschance digitaler Speichermedien und der Wolkigkeit von Clouds auf Papier zu archivieren, kommt an. Bestellungen gehen aus aller Welt ein, von Argentinien, über Südamerika, bis Australien und Hongkong.
Mit weltweit mehr als 30.000 verkauften Büchern ist Zapptales der Weltmarktführer für Chat-Bücher. Die Website, auf der das persönliche Zapptales-Buch nach eigenem Gusto von den Sammlern bearbeitet wird, ist inzwischen auf Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch und Niederländisch verfügbar.
Der erhaltenswerte WhatsApp-Chat wird direkt mit dem Smartphone über die eigens dafür entwickelte Zapptales-App hochgeladen. Keineswegs muss jede spontane Quatsch-Äußerung für die Ewigkeit übernommen werden. Die Nutzer löschen oder bearbeiten auf der Zapptales-Homepage ungeliebte Nachrichten und weniger schöne Bilder. Sie laden weitere, ergänzende Fotos hoch, fügen Kommentare ein, wählen Cover und Widmung aus. Das so erstellte Buch kostet beispielsweise als Softcover 25 Euro für 150 Seiten und die Hälfte ab dem zweiten Werk. Die Daten werden nach Unternehmensangaben verschlüsselt hochgeladen und automatisiert wahlweise als PDF, Soft- oder Hardcover gedruckt – Einblicke in die Inhalte des Chats sollen den Teilnehmern vorbehalten bleiben. Das Teilen von erinnerten Social-Media-Gesprächen darf bei Chat-Books ganz persönlich und privat sein. Beim Live-Broadcasting, dem anderen modernen Medienmanagement-Trend, hingegen sollen die Kreise der Nutznießer bewusst erweitert werden. Ganz wie es ihnen gefällt.